Status: in Bearbeitung

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,

die vor Kurzem bekannt gewordenen und mit dem zynischen Etikett “Remigration”, dem Unwort des Jahres 2023, versehenen Pläne rechtsextremer Kreise, Millionen unbescholtener Menschen deportieren zu wollen, schockierten verständlicherweise große Teile der Zivilgesellschaft in unserer Stadt und sind ein Frontalangriff auf Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde. Zehntausende Menschen sind seitdem auch in Augsburg auf die Straße gegangen, um sich gegen derartige Bestrebungen zu positionieren, die mit unserer freiheitlich-demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassungsordnung nicht ansatzweise vereinbar sind. Gerade eine Stadt wie Augsburg, in der etwa jeder zweite Mensch einen Migrationshintergrund hat, steht in der Verantwortung, Strukturen unserer freiheitlich-demokratisch-rechtsstaatlichen Ordnung zu stärken und Ideologien, die die Menschenwürde missachten, entschieden entgegenzutreten.

Die Stadt Augsburg ist seit langem im Bereich von politischer Bildung und Extremismusprävention engagiert. Ein Aktionsplan gegen Antisemitismus ist derzeit in Erarbeitung. Schon Grundschulkinder und Vorschulkinder lernen im Rahmen von “Lernort Rathaus” den Demokratieort Rathaus, ihre Gemeinde und demokratische Entscheidungsverfahren kennen. Ausstellungen und Gesprächsrunden der Stadtbücherei in Zusammenarbeit mit dem Europabüro und dem Büro für gesellschaftliche Integration informieren über Europa oder verschiedene Erscheinungsformen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Eine derzeit vor allem von der Zivilgesellschaft getragene lebendige Kultur des Gedenkens und Erinnerns wird von der Stadt aktiv begleitet. Eine kommunale Fachstelle für Demokratie ist ebenfalls ein wichtiger Akteur der politischen Bildungsarbeit. Hinzu kommen noch viele weitere Projekte städtischer und zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure.

Die aktuellen Ereignisse sind ein Anlass zu überprüfen, inwieweit Aktivitäten ausgebaut werden sollten.

Die Stadtratsfraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CSU stellen daher folgenden Antrag:

  1. Die Fachstelle für Demokratie gibt sich ein konkretes Arbeitsprogramm mit geeigneten Handlungskonzepten, um den verschiedenen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (wie z.B. Rassismus, Antisemitismus, antimuslismischem Rassismus, Chauvinismus, Queerfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit usw.) in Augsburg entgegenzutreten. Das Arbeitsprogramm adressiert auch die Ziele, Minderheiten sichtbar zu machen und als integralen Bestandteil der Stadtgesellschaft darzustellen, Vorurteile abzubauen sowie für spezifische Belange zu sensibilisieren und die Stadtgesellschaft zum Umgang mit Fake News, Desinformationskampagnen und Verschwörungserzählungen zu schulen.
  2. Die Fachstelle für Demokratie erarbeitet außerdem den Entwurf für ein städtisches Konzept der politischen Bildungsarbeit, das insbesondere auf die Bekämpfung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, verfassungsfeindlicher Bestrebungen sowie der Delegitimierung des Staates und seiner Organe abzielt. Das Konzept beantwortet auch die Frage, inwieweit zusätzliche Strukturen in den Bereichen Extremismusprävention bei Jugendlichen und zivilgesellschaftliche Dokumentation aller relevanten Formen extremistischer, rassistischer oder antisemitischer Umtriebe notwendig erscheinen und aufgebaut werden können.
  3. Ein Projekt „Demokratie-Verteidigerinnen und -Verteidiger“ soll jährlich bis zu zehn Studierende verschiedener Fachrichtungen durch Gewährung eines kleinen Forschungsstipendiums dazu motivieren, sich im Rahmen ihrer Abschlussarbeiten mit Themen aus Bereichen wie z.B. Extremismusprävention, Antidiskriminierungsarbeit oder Demokratiestärkung auf lokaler Ebene zu beschäftigen und ihre Forschungsergebnisse im geeigneten Rahmen auch interessierten städtischen Stellen wie bspw. der Fachstelle Demokratie, der Zentralen Antidiskriminierungsstelle, dem Büro für Kommunale Prävention, dem Büro für gesellschaftliche Integration, dem Friedensbüro etc. zur Verfügung zu stellen. Die Kleinstipendien sollen sich am Aufwand für Bücher, empirische Erhebungen, Archivrecherche, Software usw. orientieren.
  4. Mit der Umsetzung eines Projekts “Demokratie-Paten und -Patinnen” wird die Wichtigkeit der Demokratie in geeigneter Weise in die Zivilgesellschaft multipliziert.
  5. Die Stadtverwaltung stellt dar, welches Übergangskonzept für das Projekt „Lernort Rathaus” für die Zeit vorgesehen ist, während der das Rathausgebäude infolge der Sanierung vorübergehend nicht zur Verfügung steht.
  6. Die Stadt Augsburg intensiviert (im Zusammenwirken mit dem Bezirk und anderen öffentlichen Akteurinnen und Akteuren) ihre Aktivitäten im Bereich der Erinnerungskultur und Gedenkorte und würdigt so die langjährige Arbeit der bürgerschaftlichen Initiativen und Bürgerinnen und Bürger. In diesem Zusammenhang wird als zeitnahes Ziel die Etablierung eines Trägervereins für den Erinnerungs- und Gedenkort Halle 116 für wichtig erachtet. Die Verwaltung stellt in diesem Zusammenhang dar, welchen Anklang die Halle 116 als Lernort seit Eröffnung gefunden hat.
  7. Die Stadt Augsburg verstetigt das Projekt Heroes, um der Verbreitung islamistisch motivierten Extremismus entgegenzuwirken.

Begründung:

Politische Bildung ist heute notwendiger denn je. Zwar können politische Bildungsprozesse Stereotypen, Chauvinismus und Hass weder vollständig entgegenwirken noch die Politik aus ihrer Verpflichtung entlassen, Rahmenbedingungen für eine Akzeptanz unserer freiheitlich-demokratisch-rechtsstaatlichen Ordnung durch die Bevölkerung zu schaffen. Empirische Studien belegen allerdings eindeutig, dass präventiv ansetzende politische Bildungsarbeit die Anfälligkeit für totalitäre und autoritäre Einstellungs- und Verhaltensmuster verringert. In Ergänzung zur schulischen politischen Bildung und der Arbeit der Akademien, Gedenkstätten, Dokumentationszentren und der Landes- und Bundeszentralen für politische Bildung ist daher auch die Stadt Augsburg gefordert, ihre diesbezüglichen Aktivitäten auszubauen und auf die relevanten Formen extremistischer, rassistischer oder antisemitischer Bedrohung hin auszurichten.

Mit freundlichen Grüßen

grüne fraktion und csu fraktion

 

Beteiligte Personen