Klimagerechtigkeit hat im Bildungsbereich zwei Dimensionen: In den Lernräumen kann direkt klimafreundlich gehandelt werden. Aber die Vermittlung von Wissen über Naturzerstörung und darüber, wie wir nachhaltiger leben können, ist ein noch wichtigerer Aspekt von Klimagerechtigkeit an Schulen. Am meisten lernt man beim Versuch, anderen selbst etwas beizubringen. An der Werner-von-Siemens-Grundschule wurde in den letzten drei Jahren ein besonderes Projekt der Umweltbildung umgesetzt: Die Papierwende-Ausstellung des Arbeitskreises “Papierwende” der Lokalen Agenda 21 wurde zusammen mit Grundschüler*innen kindgerecht aufbereitet und ist nun für alle Schulen in Bayern ausleihbar. Dafür gewann die Schule den Prima-Klima-Preis des Kommunalen Energiemanagements der Stadt Augsburg (KEM). Wir GRÜNEN freuen uns sehr über diese Initiative! Auch für uns spielt das Thema eine bedeutende Rolle. In unserem schwarz-grünen Koalitionsvertrag haben wir uns vorgenommen, den Papierverbrauch an Augsburger Schulen und in der Stadtverwaltung nachhaltiger zu gestalten und können hier bereits messbare Erfolge verbuchen.

Biance Hepe ist Lehrkraft und Fachberaterin für Umweltbildung an Augsburger Grund- und Mittelschulen. In dieser Funktion leitet sie seit vielen Jahren wertvolle Projekte. Wir haben mit ihr und den beiden ehemaligen Schülern der Werner- von-Siemens-Grundschule Linus Grieshaber und Vincenz Kaschel, die am Prima-Klima- Projekt mitgearbeitet haben, über die Papierwende und das Projekt gesprochen.

Marie Rechthaler: Was sollte denn wirklich JEDE*R über Papier wissen?

Vincenz: Jeder sollte wissen, dass es ziemlich schädlich ist, neues Papier herzustellen, weil dabei mit giftiger Bleiche gearbeitet wird.

Linus: Papier wird aus Bäumen hergestellt. Bei der Abholzung wird der Lebensraum von vielen Tieren zerstört.

Biance Hepe: Deutschland hat weltweit mit den höchsten Papierverbrauch pro Kopf und kann seinen ungeheuren Bedarf nur zu einem Drittel selbst decken. Mehr als die Hälfte des Zellstoffs für Papier kommt immer noch aus Urwäldern oder Plantagen mit Monokultur. Das sollte jedem bewusst sein! Viele Leute denken noch immer: Recyclingpapier = grau und hässlich, Frischfaserpapier = schön und weiß. Natürlich ist die dunkle Farbe umweltfreundlicher, aber grundsätzlich gibt es Recyclingpapier auch in strahlendem Weiß. Wenn man für den Einzelfall wirklich ein ganz weißes Papier braucht, muss man also keine Abstriche machen.

Marie Rechthaler: Das sind spannende Hintergründe, die jeder kennen sollte! Woher kommt eigentlich Ihr Interesse für das Thema “Papier”, Frau Hepe?

Bianca Hepe: Zum ersten Mal wurde ich mit dem Thema „Papier“ im Jahr 2008 im Rahmen einer Fortbildung konfrontiert. Die dort gezeigte Papierausstellung prägte sich mir ein – ganz besonders die Frage „Ist der Urwald für den A…?“, die mit einer aufgestellten Toilette veranschaulicht wurde. Mir wurde klar, wie wenig wir normalerweise über Papier und dessen Herkunft wissen. Ich freute mich über die Initiative der Lokalen Agenda 21!

Martina Wild: Der Arbeitskreis „Papierwende“ hat 2010 unter der Leitung von Ute Michalik eine Wanderausstellung zur Papierwende aus elf Roll-ups entwickelt. Den Arbeitskreis gibt es seit 2008. Seit 2009 ist er Teil der Lokalen Agenda 21. Er setzt sich für eine umwelt- und klimafreundliche Papierwende in Augsburg ein. Frau Hepe, wie sind Sie auf den Gedanken gekommen, diese Ausstellung mit Ihren Schüler*innen zu adaptieren?

Bianca Hepe: 2019 rief ich eine Papier-AG an unserer Schule ins Leben. Die theoretischen Grundlagen rund um die Papierherstellung, die damit verbundene Umweltzerstörung und die Möglichkeiten, im Alltag gegenzusteuern, haben wir für Kinder verständlich auf Plakatwänden zusammengefasst. Die Lokale Agenda 21, die Medienstelle Augsburg, das KEM und die Umweltstation Stadt Augsburg unterstützten uns dabei sehr. So ist eine ausleihbare Mitmach-Ausstellung entstanden. Unser Film dazu mit dem Titel „Augsburger Kinderrundfunk“ hat 2020 sogar den „Sonderpreis Demokratie“ beim Kinderfilmfest „Kifinale“ gewonnen!

Marie Rechthaler: Das ist natürlich eine sehr schöne Würdigung für Ihre und eure Arbeit! Linus und Vincenz, wie habt ihr das Projekt erlebt?

Linus: Mir hat vor allem der Film, den wir gedreht haben, gut gefallen. Ich war sehr oft hinter der Kamera. Die Premiere, die im Thalia Kino stattgefunden hat, war toll! Außerdem habe ich an einer großen Toilette aus Pappmaché gearbeitet. Mich macht stolz, dass wir eine ganze Ausstellung und einen Film auf die Beine gestellt haben!

Vincenz: Und mich macht stolz, dass wir im Kino mit unserem Film Leute erreicht haben, die jetzt vielleicht auch Papier sparen.

Martina Wild: Bestimmt war das für viele Zuschauer*innen und Ausstellungsbesucher*innen ein Anstoß, über den eigenen Papierverbrauch nachzudenken. Frau Hepe, haben Sie den Eindruck, dass sich durch das Projekt die Einstellungen in den Köpfen von Kolleg*innen, Schüler*innen und Eltern verändert haben?

Bianca Hepe: Auf jeden Fall! Viele Kinder und Eltern haben die Informationen mit nach Hause genommen und manche Eltern berichteten mir, sie hätten schon Veränderungen an ihrer Arbeitsstelle bewirkt. Sogar das örtliche Pfarramt hat seine Papierbestellung gleich umgestellt und ebenso eine ganze Gemeinde in Augsburg-Land! Erfreulicherweise hat das Bildungsreferat 2020 festgelegt, dass Schulen nur noch Recyclingkopierpapier bestellen können. Davon sollte der Anteil 75% betragen. Laut Papieratlas waren es 2018 an Augsburger Schulen aber gerade mal knapp 38% – damit lagen wir weit unter dem Durchschnitt! Der Recyclingpapieranteil lag 2020 dann schon bei knapp 73%. An den Schulen hat sich in letzter Zeit auch aufgrund veränderter Vorgaben viel getan.

Martina Wild: Ich setze mich sehr für die Verwendung von Recyclingpapier ein. In den Schulen haben wir eine Quote von 100% erreicht. Jetzt arbeiten wir daran, auch die städtische Verwaltung gänzlich auf. Recyclingpapier mit Blauem Engel umzustellen und die Arbeit des Stadtrats möglichst papierlos zu gestalten. Jegliche Möglichkeiten zur Senkung des Papierverbrauchs sollten genutzt werden! Auch ein digitales Dokumentenmanagementsystem (E-Akte) spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Welche Ideen haben Sie für die Zukunft, Frau Hepe?

Bianca Hepe: Vor ein paar Jahren hörte ich auf der „Augsburger Zukunftstagung“ einen Referenten, der sagte, dass wir aufhören sollten, hehre Ziele für die Zukunft zu formulieren, denn wir haben nur unser Handeln heute in der Hand. „Niemand von uns hat eine Zukunft über sein Leben hinaus. Was zählt, ist das, was wir heute tun – und wie wir es tun“ (Richard Häusler). Das ver- suche ich umzusetzen: im Heute nachhaltig zu handeln und andere dazu zu ermutigen, dies auch zu tun. Mit der Papierausstellung haben wir viele Menschen dazu gebracht, über ihr eigenes Verhalten nachzudenken. Es ist wichtig, Papier zu schätzen und nicht sinnlos zu verschwenden. Der Löwenanteil unseres Papierverbrauchs rührt übrigens von Verpackungen her, weil wir uns so gerne Dinge in Paketen zuschicken lassen – und ein Drittel bis die Hälfte danach wieder zurückschicken. Lokal einkaufen und regionale Anbieter unterstützen schafft hier Abhilfe und hält nebenbei unsere Stadt lebendig und attraktiv.

Marie Rechthaler: Vincenz und Linus, was habt ihr aus dem Projekt mitgenommen und welche Tipps könnt ihr uns mit auf den Weg geben?

Linus: Wenn Bäume für Papier gefällt werden, dann trägt man zur Klimaerwärmung bei, weil sie dann keine Photosynthese mehr betreiben können. Man sollte lieber Stoffhandtücher oder Stofflappen benutzen statt Küchenpapier und mehr Produkte mit dem Blauen Engel kaufen.

Vincenz: Außerdem kann man beim Zeichnen oder Malen beide Seiten des Papiers verwenden, um Papier zu sparen. Es gibt wenig, das mich motiviert, Papier zu sparen. Trotzdem mache ich es. Weil wir nur einen Planeten haben!

Beteiligte Personen