Peter Rauscher, im Gespräch mit Christine Kamm und Dr. Deniz Anan über eine Freiflächengestaltungssatzung für Augsburg

Peter Rauscher: Ich bin neulich an einem „Garten“ ohne jeglichen Bewuchs vorbeigelaufen – die reinste Steinwüste. Als Imker blutet mir da das Herz! Als GRÜNER, dem die ökologische Vielfalt wichtig ist, auch! Die Grüne Stadtratsfraktion hat 2016 einen Antrag bei der Verwaltung gestellt, der die Ausarbeitung einer sogenannten „Freiflächengestaltungssatzung“ anbahnen sollte, die uns u.a. den nötigen Handlungsspielraum eröffnet, umweltfeindliche Anlagen wie diese auch im privaten Raum zu unterbinden. In Abstimmung mit den betroffenen Fachämtern hat das Amt für Grünordnung, Naturschutz und Friedhofswesen inzwischen einen Entwurf erarbeitet, der momentan mit der Bauverwaltung abgestimmt wird und schließlich dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt werden soll. Mit einer Freiflächengestaltungssatzung hätten wir ein Instrument bei der Hand, um Augsburg an gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen anzupassen. Die Durchgrünung der Stadtviertel spielt in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle.

Dr. Deniz Anan: Ja, eine Freiflächengestaltungssatzung sollte in Augsburg unbedingt kommen. Wir müssen aber gut erklären, warum eine solche Satzung notwendig und sinnvoll ist. Immerhin wird damit in die Gestaltungsfreiheit der Grundstücksbesitzer*innen eingegriffen. Diese sollten das aber nicht als Gängelung missverstehen, sondern den großen Mehrwert für die gesamte Stadtgesellschaft erkennen. Manche sagen vielleicht, diese paar Schottergärten fallen doch nicht ins Gewicht, aber in der Summe stellen sie eben schon ein Problem dar!

Peter Rauscher: Es geht bei der Freiflächengestaltungssatzung ja nicht in erster Linie um ein Verbot von Schottergärten, sondern um ganzheitliche Stadtentwicklung. München macht seit 1996 gute Erfahrungen mit diesem Instrument. Der Augsburger Entwurf ist am Münchner Vorbild orientiert. Es geht insbesondere um die „Gestaltung und Ausstattung der unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke“ und um die „Begrünung baulicher Anlagen“. Die Satzung soll u.a. gewährleisten, dass eine standortgerechte Bepflanzung der Grundstücke erfolgt, Bodenbeläge wasserdurchlässig sind und auch geeignete Gebäudeflächen wie Flachdächer oder Fassaden begrünt werden – und zwar nach einheitlichen und verbindlichen Standards!

Christine Kamm: Schottergärten bringen Insekten und andere Tiere um potenzielle Lebensräume. Viele Wildbienenarten haben nur einen Aktionsradius von 80 Metern, um ausreichend Nahrung für ihren Nachwuchs zu finden und als Art überleben zu können. Städte sind Lebensräume für viele teils bedrohte Tier- und Pflanzenarten, die auf zusammenhängende Biotope angewiesen sind – strukturreiche Grünflächen fungieren als ökologische Trittsteine. Schottergärten stören den Biotopverbund. Auch wenn die meisten Gärten keine Schottergärten sind, darf der problematische Barriere-Effekt nicht unterschätzt werden!

Peter Rauscher: Das stimmt natürlich! Aber auch über den Extremfall der Steingärten hinaus brauchen wir Gestaltungsmöglichkeiten für eine ambitionierte und planvolle Stadtbegrünungsoffensive. Du sprichst von „strukturreichen Grünflächen“ – auf die kommt es an! Mit einem kurzgemähten englischen Rasen ist im Hinblick auf die Artenvielfalt auch nicht viel gewonnen. Und wenn diese Grundstücke dann auch noch von zwei Meter hohen geschlossenen Betonmauern oder Plastikzäunen umgeben sind, hat kein Igel eine Chance.   

Christine Kamm: Klar ist: Wir brauchen so viel urbanes Grün wie möglich – auf städtischen UND privaten Grundstücken und eine Durchlässigkeit für Insekten. Zwei Meter hohe Plastik- oder Betonwände gewährleisten dies sicher nicht. Es gibt übrigens einen Kausalzusammenhang zwischen Freiflächengestaltung auf der einen und Stadtklima, Rückhaltung und Pufferung von Niederschlagswasser und Gesundheit auf der anderen Seite. Die Sommer werden infolge des Klimawandels heißer und trockener. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Starkregenereignisse zu. Städte sind davon besonders betroffen. Wegen ihres hohen Anteils an versiegelter Fläche gelten sie als Wärmeinseln mit erhöhten Oberflächen- und Lufttemperaturen und haben ein gesteigertes Hochwasserrisiko. Vegetation hat durch Verdunstung einen kühlenden Effekt auf die unmittelbare Umgebung, einen sogenannten “Oaseneffekt”, unversiegelte Flächen nehmen Regenwasser auf und entlasten dadurch die Kanalisation – das Prinzip Schwammstadt ist in diesem Zusammenhang ein vielversprechender Ansatz! Außerdem werden durch Vegetation Luftschadstoffe gefiltert. Also kurz gesagt: Urbanes Grün wirkt sich positiv auf die Lebensqualität und die Gesundheit aus!

Dr. Deniz Anan: Die Bedeutung von Grünflächen für eine nachhaltige Stadtentwicklung ist essenziell. Gleichzeitig sagen wir aber auch: „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“. Nachverdichtung, etwa durch das Schließen von Baulücken, ist ein viel besserer Weg, um neuen Wohnraum zu schaffen, als zusätzliche Flächen zu versiegeln. Damit eine dichte Bebauung nicht zu den von Christine Kamm genannten Problemen führt, also Wärmeinseln und Hochwasser vermieden werden, müssen auch Dächer und Fassaden als potenzielle Grünflächen berücksichtigt werden – was sich übrigens auch auf die Gebäudedämmung positiv auswirkt. Ein ganzheitliches Grün- und Freiflächenentwicklungskonzept trägt dazu bei, diese auf den ersten Blick widersprüchlichen Ansätze in Einklang zu bringen und gute Lösungen für ein zukunftsfähiges Augsburg zu finden!

Beteiligte Personen