Status: in Bearbeitung, Ältestenrat hat ein externes Historiker-Gutachten vorgeschlagen, Beschlussvorlage wird momentan erarbeitet

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

in den letzten Jahren gab es in verschiedenen Städten Diskussionen über den Umgang mit strittigen Straßen- und Platznamen. Auch in der unmittelbaren Nachbarschaft von Augsburg, in Friedberg, wird darüber diskutiert, ob das Gymnasium einen Namenspatron wie Wernher von Braun haben sollte. An der Frage, ob Straßen und Plätze nach Personen benannt werden oder benannt bleiben sollen, deren persönliche Lebensgeschichte und auch ihr Verhalten diese besondere öffentliche Ehrung, nicht rechtfertigen, da sie beispielsweise eine kritikwürdige Rolle während der NS-Diktatur einnahmen, scheiden sich oft die Geister.

Wichtig ist aus Sicht unserer Fraktion jedoch, dass gerade in der Friedensstadt Augsburg sowohl in der Stadtgesellschaft als auch im Stadtrat überhaupt über eventuell problematische Personen, die eine Ehrung durch die Benennung einer Straße oder eines Platzes mit ihrem Namen erhalten haben, diskutiert wird.

Ob daraus am Ende die Umbenennung von Straßen resultiert oder nur die Anbringung eines entsprechenden Hinweisschildes nötig ist, muss für jeden Einzelfall untersucht werden.

Damit jedoch überhaupt eine entsprechende Diskussionsgrundlage in der Friedensstadt Augsburg entsteht, stellt die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN folgenden

Antrag:

Die Stadt Augsburg richtet eine „Kommission Straßennamen“ ein, die untersucht, welche Straßen- und Platznamen auf Personen zurückgehen, die möglicherweise eine NS-Vergangenheit oder eine andere nicht ehrenhafte Vergangenheit aufweisen. Die problematischen Benennungen werden dann dem Stadtrat zur Behandlung vorgelegt.

Begründung:

Angesichts der Verpflichtung mit unserer (Stadt) -Geschichte kritisch, differenziert und offen umzugehen, muss sich die Stadt unserer Ansicht nach auch mit den entsprechenden Straßen- und Platzbenennungen auseinandersetzen. Die Benennung einer Straße oder eines Platzes nach einer Person, gibt dieser Person eine öffentliche Wertschätzung und Anerkennung ihrer Lebensleistung. Diese Personen sollen damit auch als Vorbild geehrt und dargestellt werden. Ob diese Ehrung aus heutiger Sicht und Erkenntnis gerechtfertigt ist, muss überprüft werden können. Dies ist auch ein Anliegen engagierter und interessierter Bürger/innen, die sich mit entsprechenden Hinweisen auf kritikwürdige Benennungen an unsere Fraktion gewendet haben.

Beispiele:

1.    Bürgermeister-Widmeier-Straße in Haunstetten

So haben zum Beispiel BürgerInnen darauf hingewiesen, dass die Benennung der Bürgermeister-Widmeier-Straße in Haunstetten, die auf den ehemaligen Bürgermeister von Haunstetten zurückgeht, problematisch ist.
Xaver Widmeier wurde 1919 zum Bürgermeister von Haunstetten ernannt. Im Jahr 1933 entschloss sich Widmeier, aus der SPD auszutreten und fortan als Kandidat der NSDAP sein Amt auszuüben. (Martin Broszat: Bayern in der NS-Zeit – Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt).

Xaver Widmeier hat während der NS-Zeit laut angehängter Kopie die Erweiterung und den Ausbau des KZ-Außenlagers auf Grund seiner Funktion mitbetrieben. In der Nachkriegszeit hat er dann wieder als demokratisch gewählter Bürgermeister gearbeitet und wurde 1952 zum Ehrenbürger Augsburgs ernannt. Gerade dieses Beispiel zeigt die bestehende Problematik auf und macht deutlich, dass eine genaue Untersuchung und differenzierte Befassung mit den einzelnen Straßennamen notwendig ist.

2.    Hans-Watzlik-Straße in Lechhausen

Ebenso wird immer wieder die Hans-Watzlik-Straße in Lechhausen diskutiert.

„So war Hans Watzlik bis in der Nachkriegszeit ein Erfolgsautor aus Böhmen und populärer »Heimatdichter«. Heute ist Watzlik ein weitgehend vergessener Autor. Nicht als Schriftsteller steht er heute im Mittelpunkt, sondern als Gegenstand aktueller Debatten – so um die Benennung von Straßennamen nach einem »Nazidichter«. Die Verstrickung des Autors geht über das bisher Bekannte weit hinaus und umfasst u. a. die Mitgliedschaft in der NSDAP, die Tätigkeit für den Völkischen Beobachter, die »Führer«-Verherrlichung im Gedicht“ (aus: Hans Watzlik ein Nazidichter? Walter; Maidl, Vaclav Koschmal (Herausgeber).

Dieser als „heimatverbunden“ geltende Dichter wurde auch schon in verschiedenen Fernsehdokumentationen auch auf Grund von folgenden Lobliedern auf den Führer Adolf Hitler als kritisch eingestuft. „Wir wissen, wem wir unsere Freiheit zu danken haben. Wir wollen darum immer in Treue ihm gehören, unserem Befreier, dem größten deutschen Willensmenschen, dem flammendsten deutschen Herzen, das Gottes Erde je hervorgebracht hat, gleich fruchtbar im Kampf wie in der begütenden Hilfe, einzigartig, einmalig in der Geschichte der Völker: Adolf Hitler!“ (Rede über Stifter, Oberplan, 28.1.1939, gedruckt 1940: „Sudetendeutsche Reden und Aufrufe“).

(Fundstelle: Mittelbayerische Zeitung 15.1/16.1.2000, S. 58).
Im Adressbuch der Stadt Augsburg wird Hans Watzlik lediglich als Verfasser von Dichtungen des Böhmerwaldes bezeichnet.

3.    Doktor-Mack-Straße in Kriegshaber

Anlässlich der geplanten Anbringung einer Gedenktafel am ehemaligen Hauptkrankenhaus für die Opfer der nationalsozialistischen „Gesundheitsmaßnahmen“ erhielt der Kulturausschuss einen Bericht zur Geschichte des Hauptkrankenhauses Augsburg. Im Kapitel über Zwangsarbeit und Zwangssterilisationen wurden die Verstrickungen des Krankenhauses und insbesondere seiner damaligen ärztlichen Direktoren deutlich. Einer dieser Direktoren war Dr. Mack. (siehe schriftlicher Bericht im Kulturausschuss vom 26.11.2012). Auch ihm zu Ehren ist eine Straße benannt, die Doktor-Mack-Straße in Kriegshaber.

In der Erläuterung zu diesem Straßennamen wird im Adressbuch der Stadt Augsburg nur seine Zeit als Chefarzt im Hauptkrankenhaus ab 1948 bis 1966 erwähnt.

Mit freundlichen Grüßen

Verena von Mutius     Reiner Erben                                 Martina Wild
Stadträtin                          Fraktionsvorsitzender             stv. Fraktionsvorsitzende

Eva Leipprand                                Dieter Ferdinand         Christian Moravcik
stv. Fraktionsvorsitzende         Stadtrat                             Stadtrat

Anlage 1

Anlage 2

Beteiligte Personen