“Wenn selbst in der ewigen Stadt Rom Solarmodule nicht stören, wieso sollten sie dann in Augsburg keinen Platz auf den Dächern finden?!”

Augsburg hat ein Solarenergiepotenzial von rund 325 Mio. kWh Strom und 340 Mio. kWh Wärme pro Jahr – das sind beachtliche Zahlen! Dieses Potenzial müssen wir ausschöpfen, wenn die Energiewende vor Ort gelingen soll. Inwieweit kann eine Solarpflicht den Ausbau fördern? Und was gilt es dabei zu beachten?

2021 wurde – basierend auf unseren Antrag– im Stadtrat ein Grundsatzbeschluss zur Solarpflicht verabschiedet, der in erster Linie städtische Liegenschaften und Tochtergesellschaften aber auch Privatpersonen betrifft, indem er sich auf die Ausgestaltung künftiger Bauleitplanungen und städtebaulicher Verträge auswirkt. In einigen Monaten folgt ein Ausführungsbeschluss, der das Verfahren genauer regeln und zum Beispiel festlegen wird, wie viel Dachfläche mit Solarmodulen belegt werden muss, um eine gute Ausbeute an Sonnenenergie zu erzielen. In Marburg wurde schon 2010 eine Solarpflicht eingeführt. Die Marburger Solarpflicht schreibt vor, dass solar gebaut werden muss, wo es möglich und verhältnismäßig ist. Grundsätzlich muss bei der Sanierung oder Modernisierung von Dächern oder Heizungsanlagen durch eine*n Architekt*in oder eine*n Handwerker*in geprüft werden, ob eine Photovoltaik-Anlage installiert werden kann bzw. ob der Nutzen den Aufwand rechtfertigt. Dabei können verschiedene Förderprogramme auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene parallel in Anspruch genommen werden. Bei allen neuen Bebauungsplänen müssen mindestens 30% der Dachflächen solar genutzt werden. Das Marburger Modell ist eine Erfolgsgeschichte und spielt inzwischen in der “Solarbundesliga” – als nördlichste Kommune mit dem stärksten Photovoltaik-Zubau pro Kopf.

Für den Architekten Andreas Matievits ist es wichtig, dass nicht nur über die Gewinnung und Nutzung von Energie, sondern vor allem auch über die Reduzierung des Energieverbrauchs nachgedacht wird. Mit Blick auf Solarenergie ist für ihn nicht so sehr die Quantität der Anlagen, sondern v.a. die Qualität der Standorte entscheidend. Aus seiner Sicht ist es kein Gewinn, wenn wahllos und ohne Rücksicht auf das Erscheinungsbild überall Solarmodule installiert werden (müssen) – egal, wie viel Ertrag am jeweiligen Standort erzielt werden kann. Er plädiert deshalb dafür, dass eine Solarpflicht nur dann greifen soll, wenn eine Mindestdachfläche vorhanden ist. Darüber hinaus sollten auch Architekt*innen verstärkt in politische Gestaltungsprozesse einbezogen werden und die Entwicklung baurechtlicher Vorgaben begleiten. Neben den Architekt*innen spielen auch Handwerker*innen eine Schlüsselrolle, denn ob sich ein*e Bauherr*in für oder gegen eine Photovoltaikanlage entscheidet, hängt maßgeblich davon ab, was die beteiligten Fachleute ihm / ihr raten. Folglich ist es ganz entscheidend, diese Gruppen zu beteiligen und für den Solarausbau zu gewinnen. Und schließlich müssen auch die Denkmalschutzbehörden mitgenommen werden, denn eines ist klar: der nötige Zuwachs an Solaranlagen wird das Erscheinungsbild unserer Städte verändern – insbesondere in historischen Stadtteilen. Franz Kahle ist davon überzeugt, dass der Charme der Städte trotzdem erhalten bleibt und für jeden Einzelfall gute Lösungen gefunden werden können.

Gute Lösungen sind mit Blick auf den gesamten Lebenszyklus gefragt. Nach ein bis zwei Jahren hat ein Solarmodul so viel Energie erzeugt wie zu seiner Herstellung nötig war. Die Laufzeit beträgt i.d.R. 30 bis 40 Jahre. Bislang fehlt jedoch ein funktionierendes Recycling-System. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, denn bald werden große Mengen an Photovoltaik-Schrott anfallen. Nur wenn wir ganzheitlich nachhaltig agieren, können wir unseren Lebensstandard halten. Für Andreas Matievits ist es elementar wichtig, bis zum Schluss zu denken und auch diesen Aspekt in einer Augsburger Solarpflicht zu verankern.

 

 

 

 

Beteiligte Personen