Status: beantwortet

Antwort des Umweltreferats vom 21.10.2021

Ausführungsbeschluss des Wirtschaftsreferats vom 6.4.2023

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,

die Stadt Augsburg hat sich durch den Stadtratsbeschluss zum Klimaschutz-Sofortprogramm vom 17.12.2020 zu ihrer Verantwortung zum Pariser Klimaschutzabkommen bekannt und beschlossen, ihre Anstrengungen zum Klimaschutz weiter zu verstärken. Sie hat sich durch Stadtratsbeschluss vom 28.1.2021 durch Übernahme der Empfehlungen des Klimabeirats der Stadt Augsburg dazu verpflichtet, ein ihr ab dem 1.1.2021 verbleibendes CO²-Restbudget von 9,7 Millionen Tonnen als ihren Beitrag, die Erderwärmung mit einer 2/3-Wahrscheinlichkeit auf 1,5-Grad zu begrenzen, einzuhalten. Als einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels hat der Stadtrat am 11.5.2021 u.a. den Augsburger Standard für energieeffizientes Bauen und Sanieren beschlossen, um verbindliche Effizienzziele für die Neuerrichtung und die Sanierung von Gebäuden vorzugeben.

Die Nutzung von Solarstrom und Solarwärme bildet einen weiteren wichtigen Beitrag zur Erreichung der städtischen CO²-Reduktionsziele in den Bereichen Wärme und dezentrale Energieerzeugung. Die Verwaltung hat dem Umweltausschuss in der Sitzung vom 15.3.2021 einen Bericht über die bereits laufenden Aktivitäten zum Ausbau der Solarenergie vorgelegt und hierbei insbesondere auf die seit Sommer 2019 laufende Solaroffensive und das Solardachflächenkataster hingewiesen, mit denen Grundstückseigentümer*innen über die Eignung ihrer Gebäude, die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen und die Möglichkeiten der Installation und der Förderung von Photovoltaik und Solarenergie informiert werden. Auch nimmt die Stadt Augsburg seit dem 21.1.2021 am „Wattbewerb“ (vormals StädteChallenge 2021) teil, dessen Ziel es ist, im Wettbewerb mit zahlreichen weiteren Kommunen als erste eine Verdoppelung ihrer installierten kWpeak-Leistung / Einwohner*in gegenüber dem Startzeitpunkt zu erreichen.

In der Folge des Stadtratsbeschlusses zum Klimaschutz-Sofortprogramm vom 17.12.2020 hat die Verwaltung in der Sitzung des Umweltausschusses am 15.3.2021 weiterhin einen Bericht zur Solarpflicht mit Erkenntnissen aus anderen Kommunen vorgelegt. Darin bringt die Verwaltung zum Ausdruck, dass bei der Solarenergie im Augsburger Stadtgebiet noch ein großes ungenutztes Potenzial vorhanden ist, das nicht allein durch Beratungsangebote wie die Solaroffensive sondern vor allem durch den Einsatz rechtlicher Regelungen fruchtbar gemacht werden kann. Der Bericht beschreibt unterschiedliche Ansätze in deutschen Kommunen und stellt am Beispiel der Beschlusslage in der Stadt Ludwigsburg dar, wie ein gutes Zusammenspiel verschiedener regulatorischer Instrumente zu einer weitestmöglichen Ausschöpfung des vorhandenen Potenzials der Solarenergie führen kann.

Dies aufgreifend stellen die Stadtratsfraktionen von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN und CSU folgenden

Antrag:

  1. Die Stadt Augsburg wird ab sofort bei allen Neubau- und Sanierungsmaßnahmen auf städtischen Liegenschaften Photovoltaik- und/oder solarthermischen Anlagen installieren und betreiben. Ausnahmen, die sich aus der Lage der Liegenschaften und der darauf vorhandenen oder zu errichtenden Gebäude, oder die sich aus dem vorhandenen oder zu begründenden Baumbewuchs oder der vorhandenen oder anzustrebenden Dachbegrünung, oder die sich aus technischen Gründen oder aus Gründen des Denkmalschutzes oder der Wirtschaftlichkeit ergeben können, sind zu begründen und von den zuständigen Gremien des Stadtrats (Bauausschuss, Umweltausschuss) zu beschließen.
  2. Bei allen Neubau- und Sanierungsmaßnahmen der Wohnbaugruppe Augsburg und von sonstigen Rechtsträgern der Stadt Augsburg (rechtsfähige Stiftungen, Eigenbetriebe, Treuhandvermögen, etc.) ist die Installation und der Betrieb von Photovoltaik- und/oder solarthermischen Anlagen zu prüfen und soweit möglich unter Abwägung der damit verbundenen sozialen Auswirkungen umzusetzen. Ausnahmen, die sich aus der Lage der Liegenschaften und der darauf vorhandenen oder zu errichtenden Gebäude, oder die sich aus dem vorhandenen oder zu begründenden Baumbewuchs oder der vorhandenen oder anzustrebenden Dachbegrünung, oder die sich aus technischen Gründen oder aus Gründen des Denkmalschutzes oder der Wirtschaftlichkeit ergeben können, sind zu begründen und von den zuständigen Gremien des Stadtrats (Bauausschuss, Umweltausschuss, Sozialausschuss) zu beschließen.
  3. Bei allen städtischen Grundstücksüberlassungsverträgen (Veräußerungen oder Vergabe in Erbpacht), bei denen die geplante Bebauung einen Strombedarf bedingt oder die Sanierung der vorhandenen Bebauung einen weitergehenden als den bisherigen Strombedarf auslöst, ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Auswirkungen die Installation und der Betrieb von Photovoltaik- und/oder solarthermischen Anlagen zu vereinbaren. Ausnahmen, die sich aus der entsprechenden Anwendung von Ziffer 1 Satz 2 im Einzelfall ergeben können, sind in den Vertrag aufzunehmen.
  4. Bei städtebaulichen Verträgen ist unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 S. 1 BauGB die Installation und der Betrieb von Photovoltaik- und/oder solarthermischen Anlagen zu vereinbaren. Ausnahmen, die sich aus der entsprechenden Anwendung von Ziffer 1 Satz 2 oder aus der konzeptionellen Einbindung der den städtebaulichen Verträgen zugrundeliegenden Baugebiete in zentrale Formen der Energieversorgung (z.B. Fernwärme) ergeben können, sind in den Vertrag aufzunehmen.
  5. Bei dem Erlass und der Änderung von Bebauungsplänen ist die Installation und der Betrieb von Photovoltaik- und/oder solarthermischen Anlagen unter Beachtung des bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebots und der örtlichen Situation des Baugebiets nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 b) BauGB festzusetzen. Ausnahmen, die sich aus der entsprechenden Anwendung von Ziffer 1 Satz 2 oder aus der konzeptionellen Einbindung der Bebauungsplangebiete in zentrale Formen der Energieversorgung (z.B. Fernwärme) ergeben können, können im Bebauungsplan gemäß § 31 Abs. 1 BauGB ausdrücklich vorgesehen werden.
  6. Die Verwaltung wird beauftragt, bis zum 31.12.2021 Kriterien für die Anwendung und die Überprüfung der Umsetzung der unter den Ziffern 1. bis 5. genannten Regelungen zu erarbeiten und den zuständigen Gremien des Stadtrats zur Beschlussfassung vorzulegen. Sie wird weiterhin dazu beauftragt, die bestehenden Konzepte zur Beratung privater und gewerblicher Bauherr*innen zu harmonisieren und auszubauen. Die Verwaltung soll jährlich, erstmals zum 1.10.2022, über die Umsetzung und ggf. bestehenden Änderungsbedarf der in den Ziffern 1 bis 5 genannten Regelungen berichten.

Begründung:

zu 1.

Die Entscheidung der Stadt Augsburg, bei Neubau und Sanierung der städtischen Liegenschaften stets eine Photovoltaik- und/oder solarthermische Anlage zu installieren und zu betreiben, reicht über die derzeit geltenden gesetzlichen Vorgaben hinaus und erfolgt als Selbstverpflichtung, um der städtischen Vorbildfunktion zur Erreichung der CO²-Reduktionsziele gerecht zu werden. Von der aus dem Beschluss erwachsenden Solarpflicht können im Einzelfall Ausnahmen erforderlich sein, wenn der Einsatz von Photovoltaik- und/oder solarthermischen Anlagen aufgrund der in Ziffer 1. genannten Gründe, z.B. aus Gründen des Denkmalschutzes, um anderweitige Konzepte der Dach- oder Fassadenbegrünung zu verfolgen oder aus wirtschaftlichen Erwägungen, nicht in Betracht kommt. Ziffer 1. beinhaltet jedoch ein klares Regel-Ausnahme-Verhältnis, sodass Ausnahmen nur im begründeten Einzelfall zulässig sind. Soweit eine Kombination von Photovoltaik / Solarenergie z.B. mit Konzepten der Dach- oder Fassadenbegrünung in zumutbarer Weise möglich ist, ist diese gegenüber einer vollständigen Ausnahme vorrangig.

zu 2.

Die Solarpflicht soll soweit möglich auch bei allen Neubau- und Sanierungsmaßnahmen der Wohnbaugruppe Augsburg sowie der sonstige Rechtsträger der Stadt wie Eigenbetriebe und rechtsfähige Stiftungen gelten. Da die Baumaßnahmen in diesen Fällen jedoch regelmäßig aus sozialen Gründen erfolgen, ist eine Abwägung mit den wirtschaftlichen Implikationen der Installation und des Betriebs von Photovoltaik- und/oder solarthermischen Anlagen und ihren Auswirkungen etwa auf die Entwicklung der Mietpreise bereits im Vorfeld der Entscheidung durchzuführen. Führt diese Abwägung zu einer Bestätigung der Solarpflicht, gelten für die mögliche Erteilung einer Ausnahme die bei 1. beschriebenen Grundsätze des Regel-Ausnahme-Verhältnisses.

zu 3.

Die Stadt kann eigene Grundstücke bei der Weiterveräußerung oder bei der Bestellung von Erbbaurechten mit einer Bauverpflichtung belegen und in diesem Rahmen auch die Verpflichtung regeln, eine Photovoltaik- oder solarthermische Anlage auf dem Neubau zu installieren und zu betreiben oder, z.B. über Pachtmodelle, betreiben zu lassen. Diese gesetzlich bestehende Möglichkeit wird durch Ziffer 3. der Beschlussvorlage im Hinblick auf die Installation und den Betrieb einer Photovoltaik- und/oder solarthermischen Anlage zu einer verbindlichen Verpflichtung weiterentwickelt. Ausnahmen sind nur aus den im Beschlusstext genannten Gründen zulässig. Die Verpflichtung zur Errichtung der Anlagen kann durch dingliche Sicherung oder die Vereinbarung von Vertragsstrafen sichergestellt werden.

zu 4.

Die Pflicht zur Installation und zum Betrieb von Photovoltaik- oder solarthermischen Anlagen kann für Neubauten durch städtebauliche Verträge vereinbart werden. Gegenstände eines städtebaulichen Vertrags können nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 und 5 BauGB sein:

  • die Errichtung und Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung,
  • die Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden.

Bei Abschluss eines städtebaulichen Vertrags ist zu gewährleisten, dass die vereinbarten Leistungen den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken entsprechen und den gesamten Umständen nach angemessen sind. Voraussetzung für den Abschluss eines städtebaulichen Vertrags und die dort vereinbarte Verpflichtung zur Installation und zum Betrieb von Photovoltaik- und/oder solarthermischen Anlagen ist daher, dass die/der Bauträger*in neues Planungsrecht zur Realisierung des Vorhabens benötigt und dass die Solarpflicht städtebaulichen Zielen und Zwecken der Stadt Augsburg entspricht. Ausnahmen sind nur aus den im Beschlusstext genannten Gründen zulässig, wobei hier insbesondere auch die konzeptionelle Einbindung der den städtebaulichen Verträgen zugrundeliegenden Baugebiete in zentrale Formen der Energieversorgung (z.B. über Fernwärme) in Betracht kommen kann.

zu 5.

Durch Ziffer 5. der Beschlussvorlage gibt sich die Stadt die Selbstverpflichtung, bei dem Erlass neuer und der Änderung bestehender Bebauungspläne Festsetzungen zur Installation und zum Betrieb von Photovoltaik- und/oder solarthermischen Anlagen nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 b) BauGB zu treffen. Da diese Festsetzungen dem Gebot der Örtlichkeit und der ordnungsgemäßen bauleitplanerischen Abwägung unterliegen, ist die Stadt bei der Aufstellung bzw. Änderung von Bebauungsplänen in besonderer Weise gehalten, die Eignung entsprechender Festsetzungen zu prüfen und zu begründen. Bzgl. der sonstigen Festsetzungen des Bebauungsplans, z.B. zu Dach- und Fassadenbegrünungen als landschaftspflegerische Maßnahmen, ist auf Konfliktfreiheit zu achten. Eventuelle Ausnahmen von der Solarpflicht sind nach § 31 Abs. 1 BauGB im Bebauungsplan vorzusehen, sofern diese sich insbesondere aufgrund der Lage, der Örtlichkeit oder der konzeptionellen Einbindung des Gebiets in zentrale Formen der Energieversorgung (z.B. Fernwärme) im Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans als einschlägig erweisen können.

zu 6.

Die Verwaltung wird aufgefordert, einen Kriterienkatalog für die Anwendung der in den Ziffern 1. bis 5. aufgestellten Vorgaben zu entwickeln, um eine einheitliche und anhand objektiver Kriterien erfolgende Handhabung des Beschlusses zur Solarpflicht zu erreichen. Die Verwaltung soll überdies prüfen, ob die z.B. im Rahmen der Solaroffensive bestehenden Beratungsangebote zur Solarenergie mit weiteren städtischen Beratungs- und Unterstützungsangeboten in diesem sowie generell im Bereich der Energieberatung (Energiekarawane, Beratung auf der Grundlage der Beschlussfassung zum Augsburger Energiestandard, etc.) harmonisiert und ausgebaut werden können. Die Verwaltung soll schließlich künftig jährlich dem Stadtrat in geeigneter Weise zum Umsetzungstand dieser Beschlussvorlage berichten und ggf. bestehenden Änderungs- und Anpassungsbedarf mitteilen.

Mit freundlichen Grüßen

grüne fraktion
  • Verena von Mutius-Bartholy, Fraktionsvorsitzende
  • Peter Rauscher, Fraktionsvorsitzender
  • Dr. Deniz Anan, stv. Fraktionsvorsitzender
  • Dr. Pia Haertinger, stv. Fraktionsvorsitzende
  • Franziska Wörz, stv. Fraktionsvorsitzende
csu fraktion
  • Leo Dietz, Fraktionsvorsitzender
  • Peter Schwab, stv. Fraktionsvorsitzender
  • Peter Uhl, stv. Fraktionsvorsitzender
  • Sabine Slawik, Stadträtin
  • Josef Hummel, Stadtrat

Beteiligte Personen