Status: beantwortet

Antwort des Kulturreferats vom 24.03.2021

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,

die Auseinandersetzung mit Straßenbenennung und im Stadtteil präsenten Kunstwerken ist ein wichtiger Teil einer kritischen Erinnerungs- und Stadtkultur. Anlässlich des 125. Geburtstags des Augsburger Bildhauers Fritz Koelle zeigen die Kunstsammlungen und Museen Augsburg aktuell eine kleine Ausstellung im Grafischen Kabinett des Höhmannhauses. Präsentiert wird ein konzentrierter Überblick über das schillernde Lebenswerk des mit dem Saarland eng verbundenen Bildhauers und Plastikers. Im Rahmen der Ausstellungsvorbereitung zeichnete sich für die Kunstsammlungen & Museen ab, dass die Skulpturen des in Augsburg geborenen Künstlers Fritz Koelle (1895-1953) im öffentlichen Raum einer Kontextualisierung bedürfen. Er schuf Werke zur Zeit dreier politischer Systeme, der Weimarer Republik, der Diktatur des Nationalsozialismus und des sozialistischen Unrechtsstaates der sowjetischen Besatzungszone und späteren Deutschen Demokratischen Republik. Seine Werke fanden jeweils die Akzep-tanz des politischen Regimes und erfolgten teils als öffentliche Auftragsarbeiten. Dabei war Fritz Koelle nicht nur dem jeweiligen Regime untertan, sondern hat sich aktiv an die jeweiligen Machtstrukturen angenähert.

Daher stellen Bündnis 90/DIE GRÜNEN und die CSU-Stadtratsfraktion folgenden Antrag:

  1. Die Verwaltung wird beauftragt zu prüfen, wie in geeigneter Weise die Straßenbenen-nung Fritz-Koelle-Straße im Stadtviertel Herrenbach kontextualisiert werden kann.
  2. Die Verwaltung wird beauftragt, lokale Kunst von Fritz Koelle auf dessen historische Brisanz zu untersuchen und auch ggf. zu kontextualisieren. Hier geht es z.B. um den Be-tenden Saarbergmann.
  3. Dabei soll die Einbindung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Historike-rinnen und Historiker sowie der Kommission für Erinnerungskultur erfolgen.
  4. Die Verwaltung wird beauftragt anderen Städten, die Skulpturen im öffentlichen Raum haben, ihre Forschungsergebnisse zu Fritz Koelle mitzuteilen und den Augsburger Weg der geplanten Kontextualisierung darzustellen. Das wären konkret: Neusäß, Schwabmünchen, Bobingen, München, Penzberg, Peißenberg, Nürnberg und St. Ingbert.

Begründung:

Fritz Koelle zeichnet von sich ein Selbstbild als Opfer der Umstände, blendet dabei aber Fakten aus. Gleichzeitig scheint er stets von den jeweiligen Machthabern überzeugt. In einem Brief an Goebbels im Jahr 1933 schreibt er z.B. von „jüdischem Kunsthandel“, von dem er „von Anfang an boykottiert“ wird. Er hoffe, dass „die neue Zeit größeres Verständnis“ für die „erdverbundene Art“ seines Schaffens aufbringen würde. Mehrere Figuren und Kunstwerke gelten als Paradebeispiel nationalsozialistischer Kunstpropaganda. Im Jahr 1945 dann der Gesinnungswandel – er tritt der KPD bei und wird Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Die Forschung attestierte ihm zuletzt eine „labile Persönlichkeitsstruktur“, die ihn als „gezielt taktierenden Opportunisten“ enttarne, „der sich bereitwillig und bedenkenlos den jeweiligen (politischen) Situationen und Lagern anpasste“ (Eva Pasche 2008).

Die Auseinandersetzung mit Straßenbenennung und im Stadtbild präsenten Kunstwerken ist ein wichtiger Teil einer kritischen Erinnerungs- und Stadtkultur. Deshalb begrüßen wir diesen Vorstoß der Augsburger Kunstsammlungen und Museen sehr, sich kritisch mit der eigenen Kunst zu beschäftigen und diese auch weiterhin zu kontextualisieren. Dieser Anspruch der Reflexion und zeithistorische Auseinandersetzung muss in Zukunft auch für die Kommunalpolitik, die Stadtverwaltung und für andere Bildungseinrichtungen in Bezug auf Straßen, Kunstwerke und andere öffentliche Würdigungen gelten.

 

Beteiligte Personen