Status: vorläufig beantwortet
Antwort Referat 6 vom 12.08.2019

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

Das Angebot an preisgünstigem Wohnraum in Augsburg ist äußerst knapp. Augsburg wird auch für Arbeitnehmer*innen aus der Region, insbesondere aus München und im Hinblick auf die Universitätsklinik und die medizinische Fakultät mit vielen zusätzlichen Arbeitsplätzen und Student*innen immer interessanter. Die Nachfrage nach Wohnraum wird weiter daher weiter steigen, sodass der Wohnungsdruck in der Stadt Augsburg noch weiter zunimmt. Das ruft auch Investoren und Sanierungsunternehmen  auf den Plan, die versuchen, älteren Gebäudebestand zu erwerben und zu sanieren und diesen dann teurer zu vermieten oder als Eigentumswohnungen wieder zu veräußern. Auch dies führt zu Verlust von günstigem Wohnraum und trägt zu Verdrängungseffekten (Gentrifizierung) bei.

Eine mögliche planungsrechtliche Maßnahme, diesem Prozess entgegenzuwirken, stellt das Instrument der sog. Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB dar, hier insbesondere der Abs. 1 Nr.2.  Eine Erhaltungssatzung soll die gebietsansässige Bevölkerung vor Verdrängung aus ihrem Viertel schützen. Dies geschieht dadurch, dass alle baulichen Maßnahmen oder Modernisierungen abgelehnt werden, die zu einem überdurchschnittlichen Standard der Wohnungen führen würden. Zudem besteht für die Begründung von Wohnungs-/oder Teileigentum eine Genehmigungspflicht (sogenanntes „Umwandlungsverbot“). Im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung besteht bei Grundstücksverkäufen für die jeweilige Kommune ein Vorkaufsrecht.

Unsere Fraktion stellt daher folgenden

   Antrag

Die Verwaltung wird beauftragt die Möglichkeiten und Voraussetzungen einer Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB darzulegen.
Die Verwaltung wird beauftragt zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer Erhaltungssatzung für die Jakober Vorstadt vorliegen, um ggf. einen entsprechenden Entwurf für dieses Quartier zu erarbeiten und zur Beschlussfassung vorzulegen.

Begründung

In einigen Stadtvierteln Augsburgs besteht die Gefahr, dass alteingesessene Bewohner*innen durch die stetig steigenden Mieten verdrängt werden, dass bezahlbarer Wohnraum weiter verloren geht und dass die Stadtviertel ihren ursprünglichen Charakter verlieren.
Eines der wichtigsten und bedeutsamsten Instrumente, das den Kommunen zur Gegensteuerung dieser städtebaulich sowie sozial unerwünschten Entwicklung an die Hand gegeben ist, ist der Erlass von Erhaltungssatzungen. Dadurch können zum Beispiel Luxusmodernisierungen verhindert werden und die Stadt erhält ein Vorkaufsrecht.
Dieses kommt immer dann zum Einsatz, wenn infolge der Veräußerung eines Hauses mit Mietwohnungen die Gefahr besteht, dass der für die gebietstypische Bevölkerung bislang geeignete Wohnraum aufgrund unangemessener Modernisierung oder Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen verloren geht. Die Erhaltungssatzung allein ermöglicht es nicht, eine derartige Umwandlung mit ihren Konsequenzen für die Wohnbevölkerung zu verhindern.
Das Vorkaufsrecht zeigt außerdem über seine Ausübung hinaus noch eine weitreichendere Wirkung: In der überwiegenden Zahl der Fälle, in denen in einem Erhaltungssatzungsgebiet die städtebaulichen Voraussetzungen eines Vorkaufsrechts an sich gegeben sind, wenden die Käufer das Vorkaufsrecht der Stadt durch die Abgabe einer entsprechenden Erklärung ab. Mit einer solchen Abwendungserklärung verpflichten sich die Käufer, Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen sowie unangemessene Modernisierungsmaßnahmen für eine bestimmte Zeit zu unterlassen. So bleibt schützenswerter Bestand ebenso erhalten wie bei der direkten Ausübung des Vorkaufsrechts.

Mit dem Erlass einer Erhaltungssatzung kann erreicht werden

·         Rückstellung der Bauanträge nach Aufstellungsbeschluss
·         Beschränkung der Baumaßnahmen – keine Luxussanierungen
·         Anwendung des Vorkaufrechts
·         Verbot der Umwandlung für 7 Jahre
·         Abschluss städtebaulicher oder privatrechtlicher Verträge
·         Kontrolle durch die Verwaltung

Die Stadt muss alle Möglichkeiten ergreifen, die eine weitere Vernichtung günstigeren Wohnraums und die Verdrängung von Mietern entgegen wirken können. Deshalb muss aus unserer Sicht das Instrument der Erhaltungssatzung, wie es auch andere Städte schon anwenden, geprüft werden und ggfs. eingeführt werden. Die Stadt München hat bereits langjährige Erfahrungen mit Erhaltungssatzung, aktuell existieren insgesamt 23 Erhaltungssatzungen mit rund 155.000 Wohnungen, in denen etwa 279.000 Einwohner*innen leben. Unsere Fraktion schlägt die Jakober Vorstadt als erstes Gebiet für die Prüfung und ggf. Einführung einer Erhaltungssatzung in Augsburg vor, da hier bereits der Verdrängungseffekt tagtäglich zu beobachten ist.

Mit freundlichen Grüßen

Martina Wild                    Antje Seubert                                  Verena von Mutius
Fraktionsvorsitzende   stellv. Fraktionsvorsitzende    stellv. Fraktionsvorsitzende

Dr. Pia Haertinger               Matthias Lorentzen           Eva Leipprand
Stadträtin                                 Stadtrat                                     Stadträtin

Beteiligte Personen