Grüner Kulturempfang im Rathaus: Stadtgeschichtserzählung muss vielfältiger werden 

 

“Was heute nicht gesammelt wird, kann morgen nicht mehr vom Gestern erzählen.”

Martina Wild, 2. Bürgermeisterin und Referentin für Bildung und Migration

“Das Museum der Zukunft wird partizipativ sein oder es wird nicht sein!” 

Dr. Karl Murr, Leitung Staatliches Textil- und Industriemuseum

“Wir sind auf dem richtigen Weg, es liegt aber noch viel vor uns!” 

Verena von Mutius-Bartholy, Fraktionsvorsitzende und kulturpolitische Sprecherin

 

Das Thema des diesjährigen Kulturempfangs von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Augsburger Rathaus lockte bei schönstem April-Wetter an die 150 Gäste: “Wie wollen wir die Augsburger Stadtgeschichte erzählen. Von den Römern bis heute.”

Verena von Mutius-Bartholy machte in ihrer Begrüßung deutlich: “Die inklusive Stadt ist der Rahmen, in dem wir uns heute bewegen. Jede*r hat ein Recht auf Zuhause, auf Heimat und eine eigene Geschichtserzählung, die wiederum die Stadtgeschichte prägt. Deshalb bedeutet die Teilhabe und der Einbezug von Menschen in der Stadtgeschichtserzählung – egal mit welcher Herkunft, Religion, sozialem Status, sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität – erstmal die Würdigung und die Anerkennung jeder persönlichen Geschichte!”

Martina Wild betonte in ihrem Grußwort, dass die Vielfalt der Stadt Augsburg Bereicherung sowie Chance bedeute und die Geschichte der Migration bisher kaum im Stadtarchiv und damit im “Gedächtnis der Stadt” verankert ist. Vonseiten des Referats für Bildung und Migration wurde vor allem mit dem EU-finanzierten Projekt DIWA (Das inklusive Wir) Vieles vorangetrieben. Das migrantische Leben in Augsburg, welches mittlerweile fast 50% ausmacht, soll damit mehr in den Fokus rücken und Geschichte sowie Orte, Museen und Sammlungen auch unter postmigrantischen und postkolonialen Blickwinkeln bewerten. Eine Weiterführung des Projekts ist in Aussicht.

Für einige Überraschungen sorgte der kurzweilige Vortrag von Dr. Sebastian Gairhos, dem Leiter der Stadtarchäologie. Er räumte mit einigen Klischees auf, denn im politisch-gesellschaftlichen Umfeld des 19. Jhs. waren Themen wie Militarismus, Kolonialismus, Nationalismus oder patriarchale Systeme prägend. Was also für uns heute “typisch römisch” ist, wird in hohem Maß durch die Vorstellung und Ideale des 19. Jhs. bestimmt. Das römische Reich aber umfasste hunderte von Völkern und Stämmen, womit es nicht nur eine enorme ethnische Vielfältigkeit aufwies, sondern auch kulturell überaus divers war.

In der prominent besetzten Podiumsdiskussion von Dr. Pia Haertinger, Stadträtin, moderiert und mit Claudia Roth, Kulturstaatsministerin, Jürgen K. Enninger, Referent für Kultur, Welterbe und Sport, Yeliz Taşkoparan, die lange Zeit im Arbeitskreis “Vielfalt in Augsburg” mitgewirkt hat, Susanne Reng, Leitung des Jungen Theaters und Dr. Karl Murr, Leitung des Staatlichen Textil- und Industriemuseums wurde anschließend intensiv darüber diskutiert, an was wir erinnern, in welcher Form wir erinnern, an was wir uns nicht erinnern und wie es grundsätzlich um unser kollektives Gedächtnis steht. Dazu Claudia Roth: “Am Beispiel der 2000-jährigen Augsburger Geschichte sieht man, Einwanderung und Vielfalt haben unsere Stadt immer schon geprägt und tun dies bis heute. Dies auch in unseren Museen, Theatern und sonstigen Institutionen sichtbar werden zu lassen, ist die Herausforderung für eine Kultur der Anerkennung, die wir politisch fördern und umsetzen wollen.”

Die Schilderung von Yeliz Taşkoparan über ihre Zeitzeugenberichte wird noch länger nachhallen: “Du hast mich zur Geschichte gemacht”, war eine Aussage eines mittlerweile 91jährigen türkischen Textilarbeiters, der in den 50er Jahren nach Augsburg kam und dessen Geschichte heute noch in der Dauerausstellung im tim vorzufinden ist.

Mit der von Jürgen K. Enninger kürzlich eingerichteten Stabstelle für Stadtgeschichte, die von der grünen Stadtratsfraktion im Stadtrat ganz wesentlich vorangetrieben wurde, soll zukünftig Stadtgeschichte vielfältiger erzählt werden. Dies wird in Form von partizipativen Ausstellungsformaten, im Austausch mit den migrantischen Communities und den Initiativen aus den Stadtteilen stattfinden, um letztendlich eine Sammlung anzulegen.

Susanne Reng machte an einigen ihrer Theaterstücke deutlich, dass Stadtgeschichte nicht nur über Museen vermittelt werden kann. Mit “Das kleine Engele”, “Der Wasserdrache” oder “Home is where the heart is” nimmt sie ihr Publikum immer ein Stück weit in die Augsburger Geschichte.

Dr. Karl Murr betonte, wie notwendig die Zusammenarbeit der Museen mit den Communities ist und sieht eine große Verantwortung im Umgang mit Geschichte.

Verena von Mutius-Bartholy: “Mit dem diesjährigen Kulturempfang wollten wir Menschen zusammenbringen, die sich mit Stadtgeschichte und Vielfalt auseinandersetzen. Wir brauchen eine neue und diversere Geschichtserzählung, darin waren wir uns heute alle einig. Dies geht nur auf Augenhöhe und in der Zusammenarbeit mit den jeweiligen Communities und Initiativen. Wir sind auf dem richtigen Weg, es liegt aber noch viel vor uns!”

Beteiligte Personen