Status: in Bearbeitung

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

die Polarisierungen in unserer Gesellschaft und extremistisch motivierter Gewaltverbrechen nehmen zu. Insofern sind wir der Meinung, dass politische Bildung vor Ort ausgeweitet werden muss. Deshalb beantragen wir, in Augsburg eine kommunale Fachstelle für Demokratie und politische Bildung einzurichten.
Als Standort erscheint uns die Halle 116 auf dem Sheridan-Gelände besonders geeignet, weil hier das Gedenken und Erinnern an die totalitäre Vergangenheit mit der aktuellen Aufklärung über extremistische Tendenzen auch örtlich verbunden werden kann. Die Fachstelle ergänzt aus unserer Sicht das Gassert Konzept der Halle 116 als Erinnerungs- und Lernort in sinnvoller Weise und füllt es mit Leben. Dies gilt auch für die geplante Außenstelle der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. Die Integration der drei Einrichtungen unter einem Dach ermöglicht die Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen Bestrebungen aus zeithistorischer und gesellschaftswissenschaftlicher Perspektive und integriert die Funktionen Gedenken – Erinnern – Lernen – Bilden.
Die GRÜNE Fraktion stellt folgenden

 Antrag:

1. Die Verwaltung erarbeitet ein Konzept für eine am Standort Halle 116 (Sheridan-Gelände) zu verwirklichende, kommunale Fachstelle für Demokratie und politische Bildung, mit folgender Aufgabenstellung:
– Unterstützung von Stadtverwaltung / Stadtrat in der Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen Tendenzen in Augsburg
– Koordination des Verwaltungshandeln in diesem Bereich
– Vernetzung mit der Zivilgesellschaft
– allgemeine politische Bildungsarbeit
– Fortentwicklung der Informationen über die Aufgaben der Stadt Augsburg und deren Aufbau wie z.B. der Lernort Rathaus
– Mitarbeiterschulung
– Informationskampagnen für eine erhöhte demokratische Beteiligung und Verständnis der kommunalen Strukturen insbesondere auch für Neuaugsburger*innen mit Migrationshintergrund

2. Die Verwaltung stimmt sich über die institutionelle Arbeitsgruppe AG zur Konzeption einer Außenstelle der Landeszentrale für politische Bildung mit dem Freistaat Bayern über die bereits bestehenden Strukturen ein gemeinsames Konzept für die integrierte Entwicklung der Halle 116 ab, um dort nach der Maxime “Gedenken – Erinnerung – Lernen – Bilden” einen neuen Bildungsort für Augsburg entstehen zu lassen.

Begründung:

Unsere Gesellschaft zeichnet sich durch eine steigende Polarisierung aus: Die Hassreden in den sozialen Netzen nehmen zu. Rechtsextremismus und Salafismus wachsen. In Deutschland gibt es wieder rechtsextremistisch und antisemitisch motivierte Mordanschläge, auch auf engagierte Politiker der Mitte. Die traditionellen Medien erleiden einen Bedeutungs- und Glaubwürdigkeitsverlust. Kräfte, die sich durch Fundamental- und Systemopposition auszeichnen, erschweren die Mehrheitsbildung in den Parlamenten. Demokratiefeindliche Gruppierungen nutzen effektiv modernste Mittel (z.B. zielgruppenspezifische Videoclips und Kanäle) für ihre Zwecke. Diese Tatsachen unterstreichen die Notwendigkeit, die politische Bildung auszubauen. Dies betrifft insbesondere die außerschulische politische Bildung und die Erwachsenenbildung. Denn politische Gebildete, die über gute Kenntnisse unseres politischen Systems verfügen, die Vorzüge von Demokratie, Grundrechten und Gewaltenteilung kennen, politische Urteile bilden können sowie zum politischen Handeln befähigt sind, sind gegenüber extremistischen Bestrebungen widerstandsfähiger und engagieren sich in stärkerem Ausmaß vor Ort.  Viele Kommunen haben daher in letzter Zeit eigene Einrichtungen für die Politische Bildung ins Leben gerufen. Die Kommunen sind das Fundament der Demokratie und sind deswegen im Rahmen der politischen Bildungsarbeit ein wichtiger Akteur.  Die Stadt München hat bereits seit 2010 eine kommunale Fachstelle für Demokratie. Eine solche Fachstelle erfüllt gleich mehrere, wertvolle Funktionen für Stadt und Bürgerschaft:

  • Unterstützung/Beratung von Oberbürgermeister, Referenten, Stadtverwaltung und Stadtrat in der Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen Tendenzen in Augsburg, v.a. Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Frauenhass und weiteren Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit sowie dem dschihadistischen Salafismus und Erstellung von Informationskampagenen zu diesem Thema
  • Koordination des Verwaltungshandelns in diesem Bereich
  • Vernetzung und Zusammenarbeit mit engagierten Bürgern, Vereinen und Initiativen wie z.B. dem Bündnis für Menschenwürde
  • allgemeine politische Bildungsarbeit in Ergänzung der schulischen und hochschulischen politischen Bildung mit der besonderen Zielgruppe Personen ohne akademischen Hintergrund (z.B.: Ziel schulischer Exkursionen, Beratungsstelle für Lehrer, Akteure der Jugendarbeit und sonstige Mittler politischer Bildung)
  • politische Bildung und Schulung der städtischen Mitarbeiter
  • Vorbereitung und Durchführung gezielter Informationskampagnen (z.B. im Vorfeld von Wahlen), mit dem Ziel, den Kenntnisstand der Bürger zu verbessern sowie die Beteiligung an Wahlen und Abstimmungen zu erhöhen

Der Anspruch der Stadt Augsburg, Friedensstadt zu sein, die Notwendigkeit, die große Zahl in den vergangenen Jahren zugezogenen und mit den Strukturen vor Ort oft nicht voll vertrauten Personen und der im bundesweiten Vergleich hohe Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund unterstreichen die Notwendigkeit, hier aktiv zu werden. Wie bereits das von Prof. Gassert erarbeitete Konzept ausdrücklich dargelegt hat, eignet sich die Halle in besonderer Weise als Zeitgeschichte mit aktueller politischer Bildungsarbeit verbindender Lern- und Erinnerungsort. Der Lern- und Erinnerungsort und die kommunale Fachstelle für Demokratie sollten mit der vom Freistaat Bayern angekündigten Landeszentrale für politische Bildung verbunden werden. Durch die gemeinsame Konzeption und örtliche Bündelung der Fachstelle für Demokratie mit der bereits beschlossenen Erinnerungsstätte und der Außenstelle der Landeszentrale für politische Bildung entsteht ein echter Mehrwert, in der Form einer Integration von Gedenken – Erinnern – Lernen – Bilden: Bürgerinnen und Bürger können sich an einem Ort über die Geschichte von Krieg und Totalitarismus und über aktuelle Herausforderungen der freiheitlich-demokratischen Ordnung informieren. Die räumliche Einheit ermöglicht zudem Projekte, Ausstellungen und Schulungen, die Phänomene wie Meinungsfreiheit, Boykott, Migration oder die vermeintliche „Lügenpresse“ aus Perspektive der Zeitgeschichte und der gegenwärtigen Gesellschaftswissenschaften beleuchtet.

Beteiligte Personen