— von Martina Wild, Antje Seubert und Pia Haertinger

Um rund 5.000 Menschen wächst die Augsburger Bevölkerung jedes Jahr. Das ist erfreulich, spricht es doch für die Attraktivität unserer Stadt. Auf der anderen Seite bringt der Zuzug auch Veränderungen mit sich: Viele Wohnungssuchende haben es schon heute schwer, etwas Passendes zu finden. Denn Nachfrage und Angebot – insbesondere an bezahlbaren Mietwohnungen – klaffen immer stärker auseinander. Für Haushalte mit geringem Einkommen, für Alleinerziehende, für Menschen mit Behinderung, für BezieherInnen von Regelleistungen und für Familien mit Kindern ist es mittlerweile schwierig, eine Wohnung zu einem bezahlbaren Preis zu bekommen. Dass alle Augsburgerinnen und Augsburger adäquaten Wohnraum finden und angemessen leben und wohnen können, ist aber die Voraussetzung für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und am Arbeitsleben und Grundlage für ein soziales und gutes Zusammenleben in unserer Stadt. Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen ist daher ein zentrales Ziel GRÜNER Wohnungspolitik.

Günstigen Wohnraum schaffen und erhalten

Das Eduard-Pestel-Institut stellte in seiner aktuellen Wohnungsmarktanalyse für Augsburg fest, dass 3,2-mal mehr Wohnungen geschaffen werden müssten, um den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum decken zu können. Das wäre für 2015 ein Gesamtwohnungs- (neu)bedarf von rund 3.960 Wohnungen gewesen. Im Schnitt wurden jedoch nur rund 1.240 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt. Gleichzeitig sinkt der Bestand an Sozialwohnungen auch in Augsburg kontinuierlich. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft alleine kann diesen hohen Bedarf an geförderten Wohnungsneubau nicht leisten, weshalb auch private Investoren hier einbezogen werden müssen. Da Bauland knapp und deshalb teuer ist, steht der geförderte Wohnungsbau aber regelmäßig in Konkurrenz mit hochpreisigem Wohnungsbau, den Investoren bevorzugen. Eine Möglichkeit der Kommune, hier entsprechend lenkend einzugreifen, ist die Festlegung von Flächen für geförderten Wohnungsbau in Bebauungsplänen. Aufgrund des hohen (Nachhol-) bedarfs setzen wir GRÜNE uns im Sinne einer gemeinwohlorientierten Wohnungsbaupolitik dafür ein, dass bei der Neuausweisung von Wohngebieten grundsätzlich eine Quote von 30 % für den geförderten Wohnungsbau ausgewiesen wird. Natürlich sollte dabei das Wohnumfeld berücksichtigt werden, um eine vielfältige und ausgewogene Bevölkerungsstruktur zu erhalten. Dies wird bei 30 % gefördertem Wohnungsbau in der Regel der Fall sein. In Ausnahmefällen kann aber aus stadtentwicklungs- und aus sozialpolitischen Gründen eine niedrigere Quote von bis zu 20 % festgelegt werden. Allerdings muss dann das Instrument der mittelbaren Belegung (§ 22 Landeswohnraumförderungsgesetz) geprüft werden; das heißt, es ist zu prüfen, ob beispielsweise die fehlenden 10 % im Bestand außerhalb des neuen Wohnbaugebiets nachgewiesen werden können (beispielsweise durch eine Verlängerung der Sozialbindung). Eine weitere wichtige Rolle kommt zudem der Sicherung des vorhandenen Bestands an Sozialwohnungen zu. Hier muss die Stadt zumindest beim Wohnungsbestand der städtischen Wohnungsbaugesellschaft – der Wohnbaugruppe Augsburg – auf eine Verlängerung der jeweiligen Sozialbindungen hinwirken (ggfs. mit einem finanziellen Ausgleich für entstehende Mietausfälle).

Wohnraum für besondere Zielgruppen fördern

Eine sozial nachhaltige Stadt spiegelt sich auch in der Vielfalt der Wohnformen und Lebensweisen wider: Wir GRÜNE unterstützen daher alternative Finanzierungsformen, experimentelle Bauformen und Baugemeinschaften, Mehrgenerationenprojekte und das gemeinsame Wohnen von Menschen mit und ohne Behinderung. In diesem Bereich sehen wir in Augsburg nicht nur Bedarf, sondern gerade auch große Potentiale. Auch hier besteht die Möglichkeit entsprechende Flächen im Bebauungsplan für bestimmte Projekte auszuweisen (z.B. für genossenschaftlichen Wohnungsbau) oder diese beim Verkauf von städtischen Grundstücken gezielt zu berücksichtigen (Konzeptausschreibung). Die steigende Zahl der Wohnungslosen (75% sind Männer) – mit und ohne Suchtproblematik, mit und ohne Fluchthintergrund zwingt die Politik in Augsburg zum Handeln. Wir GRÜNE treten dafür ein, dass für Menschen in prekären Wohnverhältnissen, die notdürftig in Pensionen, bei Freunden und Bekannten oder im Übergangswohnheim der Stadt Augsburg unterkommen oder gar auf der Straße schutzlos Kälte und Übergriffen ausgeliefert sind, ausreichend Wohnraum vorgehalten wird. Darüber hinaus gilt es, den Betroffenen bei Bedarf eine psychosoziale Betreuung und Begleitung zukommen zu lassen, um ihre Mietfähigkeit zu verbessern bzw. zu erhalten. Wir halten es für wichtig, dass pflegebedürftige Menschen möglichst lange eigenständig und selbstbestimmt in einem eigenen Wohnbereich bleiben können. Daher müssen Wohnformen wie Gruppenwohnungen für Senioren, Wohngemeinschaften und Mehrgenerationenhäuser auch mit Hilfe der Stadt weiter ausgebaut werden. Auf diese Weise lässt sich Einsamkeit und Isolation im Alter entgegenwirken. Nicht vergessen werden dürfen auch Studierende, Auszubildende und Berufsanfänger*innen. Auf dem Augsburger Wohnungsmarkt ist es für die überwiegende Anzahl dieser jungen Menschen schwer, geeigneten und bezahlbaren Wohnraum zu finden. Konkret setzen wir uns deshalb für geförderte Wohnprojekte ein, die speziell auf diese Zielgruppe zugeschnitten sind. Wir GRÜNE sind zudem der Meinung, dass auch in Augsburg viel stärker noch die Bedarfe und Problemlagen von Frauen beim Wohnen berücksichtigt werden müssen. Deshalb braucht es mehr Wohnprojekte, die auf diese Frauen zugeschnitten sind. Wir unterstützen daher insbesondere das Anliegen, ein Wohnprojekt für Frauen in schwierigen Lebenslagen (z.B. Obdachlosigkeit) umzusetzen. Aber auch Wohnprojekte, die speziell Wohnraum für Frauen schaffen wollen, um andere Formen des Zusammenlebens zu ermöglichen, sind zu fördern.

Konzeptausschreibungen einführen

Konsequent machen wir uns dafür stark, beim Verkauf von städtischen Grundstücken zukünftig neue Wege zu gehen und Konzeptausschreibungen einzuführen. Städte wie München, Nürnberg und Köln entscheiden beim Verkauf kommunaler Grundstücke bereits heute nach der Qualität des eingereichten Konzepts und nicht allein nach dem zu erzielenden Kaufpreis. Die Vergabekriterien könnten beispielsweise sein: eine Mindestquote (geförderter) Mietwohnungen, eine Verlängerung der Mietbindung für geförderte/gebundene Mietwohnungen, Konzepte zum Wohnungsmix oder zur Grundrissvielfalt, die Energieeffizienz, die Unterstützung bestimmter Zielgruppen wie Studierende, Menschen mit Behinderungen oder anerkannte Flüchtlinge, das Mobilitätskonzept oder auch die Unterstützung von Genossenschaften, Baugruppen und Baugemeinschaften. Derjenige Investor soll den Zuschlag erhalten, der die beste Idee, das aus- gereifteste Konzept oder auch die beste Lösung zur Entwicklung des jeweiligen Grundstücks hat. Zugleich wird das Verfahren transparenter und nachvoll- ziehbarer.
Darüber hinaus möchten wir mehr Anreize für private Investitionen schaffen. Dazu wollen wir Baugemeinschaften oder genossenschaftlichen Wohnungsbau fördern, denn genossenschaftliche Eigeninitiativen haben einen positiven Effekt auf die Stadtentwicklung. Auf den städtischen Flächen sollte dafür ein bestimmter Anteil von beispiels- weise zehn oder auch 20% reserviert werden.

Wohnraum nutzen und Schützen

Viele Menschen leben in Wohnungen, die eigentlich für ihre Bewohner*innen zu groß sind, beispielsweise weil die Kinder ausgezogen sind, weil sich ein Paar getrennt hat oder der Partner verstorben ist. Wir wollen Beratungsstrukturen aufbauen für umzugswillige Menschen, für Wohnungssuchende und für von Wohnungsverlust bedrohte Menschen. Wir unterstützen die Einrichtung von Wohnungstauschbörsen und neue Konzepte wie das Gemeinschaftswohnen oder Mehr-Generationen-Häuser. So schaffen wir passende Angebote für veränderten Wohnraumbedarf etwa im Alter oder durch die wachsende Zahl von Ein-Personen-Haushalten. Wichtig ist aus unserer Sicht dafür zu sorgen, dass Wohnraum auch zum Wohnen genutzt wird. Ein grundsätzlich sinnvolles Regulierungsinstrument für diese Aufgabenstellung ist unserer Ansicht nach eine Zweckentfremdungssatzung. Diese verhindert, dass dem Wohnungsmarkt Wohnraum etwa durch gewerbliche Nutzung, Vermietung als Ferienwohnung oder auch längeren Leer- stand entzogen wird. Die Stadt München hat beispielsweise eine solche Satzung.
In Augsburg wird zunächst versucht über den Aufbau eines Leerstandsmanagements Wohnraum wieder verfügbar zu machen. Ana- log zu dem bereits laufenden „Leerstandsmanagement von Gewerbeimmobilien“ sollen Eigentümer leerstehenden Wohnraums bei der Wiedervermietung bzw. der Wiedernutzbarmachung beraten und unterstützt werden.

Mietpreissteigerung bremsen

Nicht zuletzt setzen wir GRÜNE uns dafür ein, dass die Mieten nicht weiter so stark steigen wie in den letzten Jahren und dadurch Wohnungsnot und Gentrifizierung weiter vorangetrieben werden. Die 2015 beschlossene Mietpreisbremse ist der Versuch dafür zu sorgen, dass künftig insbesondere in begehrten Wohnlagen die Miete bei einer Neuvermietung maximal zehn Prozent über der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ liegen darf. Wir sehen darin ein sinnvolles Instrument, wenngleich hier auf Bundesebene eine Weiterentwicklung erreicht werden muss, damit die Bremse ihre Wirkung besser entfalten kann. Grundlage der Mietpreisbremse ist ein qualifizierter Mietspiegel, der im November dieses Jahres – auch auf unsere Initiative hin – endlich auch in Augsburg eingeführt wurde.

SOZIALGERECHTE BODENNUTZUNG Die aktuellen Planungen für ein neues Stadtquartier im Südwesten von Haunstetten sehen wir als große Chance, auch in Augsburg ein nachhaltiges und soziales Stadtviertel mit Modellcharakter zu entwickeln. Wir GRÜNE sprechen uns dafür aus, in Haunstetten-Südwest alle Möglichkeiten des Baurechts zu nutzen, um Grundstücksspekulationen zu verhindern, gestalterische, aber vor allem auch soziale Aspekte berücksichtigen und umsetzen zu können. München weist mit dem Modell der „sozialgerechten Bodennutzung“ den Weg: Über städtebauliche Verträge werden die vom neuen Baurecht Begünstigten an den Planungs- und Infrastrukturkosten beteiligt, die das neue Baugebiet verursacht, an den Kosten für den Ausbau von Straßen, Kindergärten und öffentlichen Grünflächen und ein Pflichtanteil (derzeit von 30%) für geförderten Sozialwohnungsbau festgeschrieben. Dieses Instrument des städtebaulichen Vertrages muss daher grundsätzlich zur Anwendung kommen.

GRUNDSTÜCKSSPEKULATIONEN VERHINDERN IM NEUBAUQUARTIER HAUNSTETTEN-SÜDWEST
Eine weitere Möglichkeit ist die Anwendung des Instruments “Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme”. Im Wesentlichen geht es hierbei darum, eine am Gemeinwohl orientierte Planung mit der notwendigen Infrastruktur in einem Entwicklungsgebiet zügig durchzuführen und umzusetzen. Grundgedanke ist dabei, dass die Stadt sämtliche für die Entwicklung benötigten Grundstücke zu einem Preis erwerben kann, der noch nicht durch Bodenspekulationen in die Höhe getrieben wurde. Dieses Vorgehen gibt der Stadt eine starke Verhandlungsposition, entzieht Grundstücksspekulation den Boden und bietet die Chance, für breite Bevölkerungsschichten Wohnraum in einem guten Umfeld zu schaffen. Ob diese Vorgehensweise auch für das Neubauquartier Haunstetten-Südwest geeignet und rechtlich möglich ist, soll die Verwaltung auf Antrag von uns GRÜNEN nun prüfen.

 

dieser Artikel und mehr im neuen Stadtgrün

 

Beteiligte Personen