— von Martina Wild und Eva Leipprand

Im August 2019 ist der verstörende Sonderbericht des Weltklimarats IPCC erschienen mit der klaren Botschaft, dass wir auf dieser Erde nicht weitermachen können wie bisher. Überraschend war das nicht. Die Botschaft von den Grenzen des Wachstums hören wir seit den 70er Jahren; seit damals wissen wir, dass wir die Weichen neu stellen müssen für ein gutes Leben innerhalb der planetaren Grenzen. Aber warum handeln wir nicht?

Wir brauchen mehr Handeln

Es gibt eine Kluft zwischen Wissen und Handeln, und diese Kluft ist ganz wesentlich eine kulturelle. Kultur kann man als ein Rahmensystem verstehen, das eine Gesellschaft gemeinsam geschaffen hat und das dafür sorgt, dass die Einzelnen in der Gruppe gemeinsame Ziele verfolgen, ohne sich des kollektiven Rahmens bewusst zu sein. Wir Menschen nehmen also unsere Umgebung und unser eigenes Handeln nicht objektiv wahr, sondern durch die Brille unserer kulturellen Vorstellungen. Diese Vorstellungen haben wir entwickelt, um als Gemeinschaft besser überleben zu können. Ändern sich allerdings die Umweltbedingungen, taugen die alten Rezepte nicht mehr. Kulturelle Setzungen wie „Seid fruchtbar und mehret euch“ oder „Macht euch die Erde untertan“ können heute keine Richtschnur mehr sein. Die Gesellschaft muss sich anpassen. Oft verstellt aber die kulturelle Brille den Blick auf das, was zu tun ist. Der Mythos, der heute die westlichen Gesellschaften prägt, ist das immerwährende Wachstum – dass es immerfort aufwärts geht und dass sich Fortschritt am materiellen Zugewinn ablesen lässt. Es ist dieser Mythos, der es so schwer macht, auf das Klimaproblem adäquat zu reagieren.

Nachhaltige Gesellschaft

Die Transformation unserer Gesellschaft Richtung Nachhaltigkeit wird meist in den drei Dimensionen der Ökologie, Ökonomie und des Sozialen formuliert. Ohne einen tiefgreifenden kulturellen Wandel wird diese Transformation aber nicht gelingen. Wir brauchen die Kultur als vierte Dimension. Wir brauchen einen kulturellen Wandel; eine offene Auseinandersetzung mit den Denkmustern, die hinter dem Wachstumsmythos stehen, mit seiner einseitigen Überhöhung von Wettbewerb, Konsum, Beschleunigung, Innovation. Das westliche Wirtschaftssystem ist keine allgemeingültige Wahrheit, sondern ein kulturelles Phänomen unserer Zeit und somit veränderbar, im Prozess einer kulturellen Evolution. Die gegenwärtige Sicht der Dinge ist nicht die einzig mögliche. Ein nachhaltiger Lebensstil verlangt eine andere Haltung zur Welt.

Wie kann Kulturpolitik den kulturellen Wandel befördern?

Das Aufbrechen alter Deutungssysteme ist das Kerngeschäft der Kulturschaffenden. Sie wirken mit an den gesellschaftlichen Narrativen, an den Bildern, die unsere Vorstellungen bestimmen; sie öffnen die Gesellschaft für Veränderungen, indem sie überkommene Mythen und Symbole hinterfragen und neue schaffen. Wie kann die Kulturpolitik den kulturellen Wandel befördern? Sicher nicht, indem sie Künstler*innen instrumentalisiert im Dienste politischer Botschaften. Die Kunst ist frei und muss frei bleiben, damit sie die transformierende Kraft behält, die die Gesellschaft von ihr erwartet. Echte Kreativität lässt sich nicht in den Dienst des Bestehenden nehmen, sie will das ganz Andere denken. Die Kulturpolitik kann aber eine Moderatorenrolle einnehmen. Sie kann für das Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit sensibilisieren; Diskurse anregen in den ihr anvertrauten Einrichtungen wie Theatern und Museen; Projekte aller Art fördern, auch im Bereich kulturelle Vielfalt und Migration, wo ja Ressourcenausbeutung und Klimawandel immer mitschwingen. Sie kann Lust machen zur Mitarbeit am Bild vom guten Leben in der Zukunft.

 Der Augsburger Nachhaltigkeitsweg

Mit der Lokalen Agenda 21 ist Augsburg hier auf einem guten Weg. Im Augsburger Nachhaltigkeitsprozess wird die Kultur bereits mitgedacht, als vierte Dimension der Zukunftsleitlinien. Jeder Stadtratsbeschluss kann somit als Ausdruck einer Haltung zur Welt verstanden werden: hat er das Klima im Blick, die Endlichkeit der Ressourcen, die Zukunft unserer Kinder? Erleichtert er einen nachhaltigen Lebensstil? Mit ihrer Nachhaltigkeitseinschätzung befindet sich die Stadt im weltweiten Kontext der 17 Nachhaltigkeitsziele, die die UN 2015 beschlossen hat.

Augsburg Wasserweltkulturerbe

Und nichts ist besser geeignet, diese Gedanken in der Stadt darzustellen und zu bekräftigen, als der UNESCO-Welterbetitel für unser Wassermanagementsystem. Der Titel belohnt Augsburg für jahrhundertelangen intelligenten und vorausschauenden Umgang mit der kostbaren Ressource Wasser. Die Liebe zum Wasser hat in der Stadt auch kulturell wunderbaren Ausdruck gefunden, von den Prachtbrunnen in der Maximilianstraße über das grandiose Wasserwerk am Hochablass bis zu Brechts Wassergedichten, und fördert auch heute noch Stadtklima und Lebensqualität. Die Projekte Wertach Vital und Licca Liber weisen den Weg zu einem guten Leben in der Zukunft. Das Wasserthema steht nicht nur der Umweltstadt, sondern auch der Friedensstadt gut zu Gesicht. Schon 2007 fand das Friedensfest unter dem Motto „Frieden und Wasser“ statt. Die Sorge um das Wasser eint alle Religionen und Kulturen und ist unerlässlich für den Erhalt des Friedens in der Welt.

 

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