Kultur ist viel mehr als ein gesellschaftlicher Luxus für gute Zeiten – das haben wir alle und vor allem die Kunst- und Kulturschaffenden während der Pandemie erfahren. Kultur ist unverzichtbar für unsere Demokratie, die offene Gesellschaft und unsere Persönlichkeitsbildung. Kunst und Kultur öffnen Diskurs- und Möglichkeitsräume für Kritik und für neue Perspektiven. Eine moderne und diverse Gesellschaft muss die kulturelle Vielfalt schützen und fördern – und sie muss der verfassungsmäßigen Bedeutung der Kunstfreiheit gerecht werden.

Kunst und Kultur bewegen Herz und Verstand. Ob freie Kunst- und Kulturszene oder städtische Formate, Modular auf dem Gaswerk oder Brechtfestival in Lechhausen, ob „dem HipHop sein Haus“ in der Kresslesmühle oder Ballett im Staatstheater, ob Gaming im Juze oder Welterbe Wasser, Design aus der Hochschule oder Kunstwerke aus Kinderhänden, ob Sub-, Pop-, Club- oder Erinnerungskultur, ob Stadtgeschichte oder Stadtteilgespräche, ob Stadtteilbibliotheken oder Römisches Museum: Wir GRÜNE in Augsburg stellen mit dem Referat für Kultur, Welterbe und Sport die Vielfalt in und Teilhabe an der Kultur ins Zentrum unserer Kulturpolitik. Kunst und Kultur müssen für alle Menschen zugänglich und erschwinglich sein!

Voraussetzung für ein pulsierendes Kulturleben ist kulturelle Vielfalt in den Stadtteilen, eine stabile Förderstruktur, eine progressive Museumslandschaft und Räume und Sichtbarkeit für Kultur. In den letzten drei Jahren ist dahingehend trotz der Pandemie einiges umgesetzt worden. Da Politik sowie Kultur sich am Puls der Zeit bewegen müssen, Stillstand nicht in Frage kommt und Debatten, Diskurse und neue Perspektiven immer wieder neue Themen aufwerfen, werden wir dementsprechend weiter vorangehen.

Welterbetitel als Bildungsauftrag

Im Juli 2019 wurde das weltweit einzigartige historische Wassermanagement-System von Augsburg zum UNESCO-Welterbe ernannt und ist seither ein wesentlicher Arbeitsinhalt unseres Referats für Kultur, Welterbe und Sport. Uns GRÜNEN ist es wichtig, dass mit dem damit verbundenen Bildungsauftrag Kulturgeschichte erlebbar gemacht wird und der nachhaltige Umgang mit der Ressource Wasser in die städtische Umweltbildung einfließt. Schon jetzt gibt es z.B. eine sich gegenseitig befruchtende Zusammenarbeit mit dem im April 2023 eröffneten Umweltbildungszentrum. Aktuell wird außerdem an einem E-Learning-Tool gearbeitet, um das Thema “Welterbe Wassermanagement-System” in den bayerischen Lehrplan zu integrieren. Mit der neuen Leiterin des Welterbebüros wird das Thema auch zukünftig umfangreich, öffentlichkeitswirksam und interaktiv in die Stadtgesellschaft getragen.

Stadtteilkultur

Stadtteilkultur ist generationsoffen, milieuübergreifend und inklusiv. Sie ist eine Grundlage unseres Zusammenlebens – unverzichtbar für das Individuum wie für das Gemeinwesen. Sie bietet durch ihre Verankerung im unmittelbaren Wohnumfeld und durch bewusste Bezüge zur Lebenswelt der Anwohner*innen Chancen zu kultureller Teilhabe, zur Mitgestaltung, für ein Miteinander zwischen Bevölkerungsgruppen, für eine Identifikation mit der eigenen Stadt und dem eigenen Stadtviertel und steigert die Attraktivität der Viertel.

Das Brechtfestival 2023 hat zum 125. Geburtstag von Bertolt Brecht nicht nur Lechhausen eine Bühne gegeben. Mit viel Mut und auf Augenhöhe mit den Kulturakteur*innen aus Lechhausen wurde die Vielfalt Augsburgs gefeiert und Augsburg hat überregional geleuchtet. Doch neben den Leuchttürmen findet auch auf anderen Ebenen genauso wichtige Kulturarbeit statt.

Um die Stadtteile individuell zu betrachten und um nach der Pandemie-Zwangspause wieder in den Austausch mit der Kulturszene zu kommen, hat Kulturreferent Jürgen K. Enninger Kultur-Stadtteilgespräche geführt. Die Beteiligung in den Stadtteilen war sehr hoch und die Ergebnisse sprechen eine klare Sprache: Es braucht mehr Unterstützung in den Stadtteilen. Wie diese aussehen kann, haben wir in einem kürzlich eingereichten Antragspaket skizziert. Darin geht es u.a. um mehr Sichtbarkeit von Kulturorten in den Stadtteilen (Kulturmap), einen besseren Dialog mit der Kulturverwaltung, eine verstärkte Vernetzung unter den Kulturakteur*innen (Kulturstammtische), eine Evaluierung der bisherigen Budgetverteilung in die Stadtteilkultur, damit ggf. nachgesteuert werden kann, sowie um die Möglichkeiten von Sharing Equipment und Raumvermittlung insbesondere bei Leerständen.

Wichtig ist uns, dass schon etablierte Kulturorte in den Stadtteilen, wie z.B. das Abraxas, das auch im kulturellen Bildungskontext einen wichtigen Auftrag erfüllt, oder das Gaswerk gestärkt werden. Das Abraxas erfüllt als Ort für Kinder- und Jugendtheater, aber auch als Bühne für Livemusik und Tanz eine wichtige Funktion für den Stadtteil Kriegshaber, aber auch für die angrenzenden Stadtteile. Eine ähnliche Idee eines Kulturzentrums schwebt uns für den Stadtteil Lechhausen vor, um eine niedrigschwellige Bespielung für den Augsburger Nordosten zu erreichen. Aktuell gibt es dort noch nichts Vergleichbares, obwohl im Gewerbepark schon einige Kreativschaffende ansässig sind.

Die Augsburger Museumslandschaft

Unsere Gesellschaften wandeln sich und so sollte sich auch das Anforderungsprofil der Museen anpassen. Museen sind schon lange nicht mehr nur Archivierungsanstalten, die sammeln und bewahren. Sie sind mittlerweile besucherorientierte Lern- und Erlebnisorte, die sich im Dialog mit der Stadtgesellschaft befinden, sich kritisch und reflektiert mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Das ist unsere grüne Meinung, aber auch das Ergebnis eines Beteiligungsprozesses zum Museumsentwicklungsplan in den Jahren 2017 – 2019. Auf dieser Basis wurden zehn Empfehlungen formuliert, deren Umsetzung für eine nachhaltige Entwicklung der Augsburger Museen nicht nur wünschenswert, sondern auch dringend notwendig ist, um aus den Einrichtungen zukunftssichere, publikumsorientierte Dienstleistungsunternehmen mit einem wichtigen kulturellen Auftrag für die Stadt Augsburg zu entwickeln. Hier wollen wir auch zukünftig ansetzen und den Museumsentwicklungsplan – zusammen mit den Museen – weiterdenken.

Wir GRÜNE wollen eine Museumslandschaft, die einen Bildungsanspruch erfüllt und zugleich ein Angebot für die ganze Augsburger Stadtgesellschaft ist. Das ist für uns das Leitbild einer Museumsarbeit der Zukunft: Die Augsburger Museen sollen niedrigschwellig, bürgernah, partizipativ und zugleich attraktiv für Besucher*innen sein. Um dies zu verdeutlichen, können wir uns durchaus vorstellen, auf Namenssuche zu gehen – weg vom sperrigen Begriff der “Kunstsammlungen und Museen Augsburgs”.

Seit 1. Januar ist der Eintritt in die Dauerausstellungen für alle Personen unter 27 Jahren und an den Sonntagen für alle Besucher*innen frei! Mit dem neuen Eintrittskonzept für die städtischen Museen in Augsburg hat unser Kulturreferent Jürgen K. Enninger ein von uns lang erkämpftes Thema umgesetzt. Die Erfolgsbilanz erfreut nicht nur die Museen, sondern zeigt, an welchen Stellschrauben man drehen muss, um Kulturangebote niedrigschwelliger zugänglich zu machen: Wo im gesamten Jahr 2019 am 1€-Sonntag 4900 Besucher*innen kamen, sind im ersten Quartal 2023 an den kostenfreien Sonntagen schon 7500 in die städtischen Museen geströmt!

Im Geburtshaus von Bertolt Brecht kann man nicht mehr nur in die Brecht’sche Welt eintauchen; seit Anfang des Jahres bietet ein Artist-In-Residence-Programm geflüchteten Künstler*innen vorübergehend ein Atelier und Zuhause. Damit wird der Wirkungshorizont des Brechthauses sinnvoll erweitert. Mit dem Kulturreferat haben wir die Voraussetzungen geschaffen, sich auf Bundesmittel für die Sanierung des Brechthauses zu bewerben.

Kulturorte sind Bildungsorte. Kultureinrichtungen, Räume für kulturelle Bildung und auch Kulturinitiativen sind Teil der Augsburger Bildungslandschaft. Die Wissens- und Geschichtsvermittlung z.B. in Museen ist uns deshalb ein wichtiges Anliegen. Dabei ist ein postmigrantischer und postkolonialer Blickwinkel dringend notwendig und sollte mittlerweile in keinem Museumskonzept mehr fehlen. Unsere Ausstellungen erfüllen ihren Bildungsauftrag erst, wenn sie auch diese Dimension berücksichtigen!

Mit den spektakulären Römerfunden in Oberhausen wurde zum einen die Vermutung bestätigt, dass Augsburg der älteste römische Stützpunkt im heutigen Bayern war. Zum Anderen erlauben die Funde neue wissenschaftliche Aussagen über die damalige durchaus sehr diverse Bevölkerungsstruktur. Neben den ersten beiden Schritten – der digitalen Präsentation der Römerfunde sowie der Überarbeitung der Römerausstellung in der Toskanischen Säulenhalle – sieht der Plan als dritten Schritt einen Museumsneubau vor. Um die dafür nötigen Finanzierungsmittel auf Bundes-, Landes- und Europaebene zu beschaffen, soll ein Konzept erarbeitet werden, das die besondere Bedeutung des römischen Erbes der Stadt herausstellt. Uns ist dabei wichtig, dass das Museum für römische Geschichte ein Ort wird, an dem die Bereiche Kultur und Bildung eng miteinander verzahnt werden und unsere Stadtgeschichte eine Korrektur dessen erfährt, was bisher als “typisch römisch” angenommen wurde, denn schon damals – entgegen früherer Annahmen – war die Bevölkerungsstruktur sehr divers gestaltet.

Museen erzählen immer auch Migrationsgeschichte. Jede*r Kunstschaffende, jeder Gegenstand, jede Zeit erzählt Migrationsgeschichte. Während andere Städte Stadtmuseen haben, präsentiert Augsburg mit seinen zahlreichen Museen Stadtgeschichte über die Epochen und Kunstgattungen hinweg in mehreren Häusern. Menschen mit Migrationserfahrung sollen sich in den Ausstellungen wiederfinden.

Dort setzt auch das von unserer Bildungsbürgermeisterin Martina Wild und dem Büro für gesellschaftliche Migration zum vierten Mal erfolgreich beantragte EU-Projekt DIWA (Das inklusive Wir in Augsburg) an (mehr zu den DIWA-Projekten auf S. 11). Durch 16 Teilprojekte soll der Vielfaltsgedanke soll ausgebaut und strukturell verankert werden – z.B. mit Teilprojekten in den städtischen Kunstsammlungen oder mit 32 fremdsprachigen Stadtführer*innen.

Auch die neue Stabsstelle für Stadtgeschichte, für die wir GRÜNE uns lange stark gemacht haben, ist ein wichtiger Schritt hin zu einer diversen Geschichtserzählung. In Form von partizipativen Ausstellungsformaten, im Austausch und auf Augenhöhe mit migrantischen Communities und Initiativen aus den Stadtteilen soll eine Sammlung angelegt werden, die Migrationsaspekte in der Augsburger Stadtgeschichtserzählung verankert.

Staatstheater

Die Theatersanierung ist ein Jahrhundertprojekt und etliche Generationen nach uns werden noch davon profitieren. Zentral ist dabei, dass unser neues Staatstheater kulturelle Vielfalt fördert und als gesellschaftlicher Taktgeber für eine kulturelle Weiterentwicklung des gesamten Theaterviertels steht. Trotz Baupreissteigerung und Materialknappheit stehen wir weiterhin zur Sanierung des Staatstheaters. Dies ist uns angesichts der Kosten nicht leicht gefallen, auch wenn wir aktuell noch im vor drei Jahren beschlossenen Kostenrahmen liegen. Die konkrete Umsetzung des Bauteils 2 ist für uns GRÜNE hierbei essenziell. Die von uns maßgeblich eingeforderte und breit angelegte Bürger*innenbeteiligung und die in diesem Rahmen eingebrachten Wünsche sollen nämlich vor allem im Bauteil 2 realisiert werden. Das Theater der Zukunft ist für uns ein offenes Haus, das mit der freien Szene kooperiert, Angebote für kulturelle Bildung bietet und einen niedrigschwelligen Ansatz verfolgt. Gerade durch die offene Architektur wird dies symbolhaft nach außen getragen.

Die Sanierung des Staatstheaters ermöglicht eine Neuorientierung des Quartiers hin zu einem Theaterviertel. Deshalb begrüßen wir die Initiative “Theaterviertel jetzt!” ausdrücklich und sehen hier großes Stadtentwicklungspotenzial. Das Theaterviertel soll zukünftig auch vor und nach den Theatervorstellungen eine attraktive Aufenthalts- und Verweilmöglichkeit bieten. Voraussetzung dafür ist, dass über eine transparente und kontinuierliche Kommunikation und den Einbezug der Akteur*innen im Viertel ein gemeinsamer Prozess angeschoben wird, von dem alle Beteiligten profitieren.

Fotos Brechtfestival: © Bruno Tenschert

Beteiligte Personen