— von Verena von Mutius-Bartholy und Dr. Pia Haertinger

Kunst und Kultur sind für eine offene Gesellschaft unverzichtbar und können in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche Orientierung geben und neue Perspektiven eröffnen. Kunst und Kultur ist ein wesentlicher Bestandteil einer lebendigen Demokratie. Allerdings bedingt eine lebendige und wehrhafte Demokratie auch die Einbeziehung der verschiedensten Menschen in unserer Gesellschaft in die kulturellen Angebote und Kultureinrichtungen. Deshalb bedeutet der Weg der partizipativen Öffnungsprozesse in Kultureinrichtungen auch gleichzeitig die Stärkung der Demokratie.

Strukturelle Öffnung

Erste Schritte für die Öffnung der Augsburger Kulturszene sind gegangen worden. Nun ist es unsere Aufgabe die Öffnung der Augsburger Kulturszene strukturell zu verankern und – weg von einer Projektitis – zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zu machen. Für eine dauerhafte Öffnung der Augsburger Kulturszene ist sowohl die Öffnung der Kulturinstitutionen als auch der sogenannten freien Szene notwendig. Die kulturelle Vielfalt muss sich in den Programmangeboten, im Personal und im Publikum von Kultureinrichtungen widerspiegeln. Weder bei den Entscheidungspositionen noch im Publikum entspricht bisher der Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte ihrem Anteil an der Bevölkerung. Eine konsequente Diversitätsentwicklung geht allerdings noch weiter. Bei der Förderung von Vielfalt geht es um die Inklusion unter anderem von Menschen mit Behinderung, Menschen mit Rassismuserfahrung, aber auch um Menschen mit ökonomischen Problemen und/oder fehlendem Bildungszugang.

Partizipative Programmgestaltung!

Augsburg geht voran! Für eine Öffnung ist es entscheidend, dass die Geschichten, die erzählt werden, Anknüpfungspunkte für alle Augsburger*innen bieten. Deswegen müssen wir die Bürger*innen – ohne die Kunst- bzw. Museumsfach- perspektive auszublenden – als Expert*innen des Alltags begreifen und über partizipative Prozesse miteinbeziehen. In Augsburg haben sich einige Kultureinrichtungen auf den Weg gemacht eine partizipative Programmgestaltung zu ermöglichen. Das Junge Theater hat mit seinen Bürgerbühnenstücken – z.B. auch im Verwaltungsgebäude “an der Blauen Kappe” – vorbildliche Arbeit geleistet. Auch das Friedensfest ist ein partizipatives Format, das mit Community-Vertreter*innen arbeitet und sich der Vielfalt unserer Stadtgesellschaft angenommen hat.

Vielfalt als strategische Aufgabe begreifen!

Wie wichtig die strategische Ausrichtung und die Verinnerlichung der gesellschaftlichen Veränderung ist, zeigt das staatliche Textilmuseum. Das Museumsteam hat sich konsequent der Diversitätsentwicklung verpflichtet. Es ist zu einem Ort des Miteinanders und des Mitgestaltens geworden. Die Geschichte der Textilindustrie bietet auch für viele Menschen mit Migrationsgeschichte Anknüpfungs- und Identifikationspunkte, da sie diese Geschichte entscheidend mitgeprägt haben. Das Museum hat diese Chance erkannt und die Menschen zu ihren Geschichten befragt und in die Erarbeitung von Ausstellungen mit einbezogen. Die Diversitätsentwicklung wird im TIM als Führungsaufgabe wahrgenommen, ein entscheidender Punkt für einen gelingenden Diversitätsprozess. Wie lebendig, offen und partizipativ ein Museum sein kann, zeigt die diesjährige Ausstellung “Augsburg 2040 – Utopien einer vielfältigen Stadtgesellschaft”. Das Ausstellungsformat ist auf Beteiligung angelegt, d.h. es wurde gemeinsam entwickelt mit Menschen aus den Communitys und der Zivilgesellschaft. Die Ausstellung war bis zum Schluss ein Prozess und hat von der aktiven Teilnahme der Besuchenden gelebt.

Zugänge schaffen!

Für eine dauerhafte Öffnung der städtischen Kulturinstitutionen müssen Zugangsbarrieren abgeschafft werden. Ein Museum in dem die Dauerausstellung mit freiem Eintritt besucht werden kann, ermöglicht eine leichte Kontaktaufnahme und macht neugierig auf unsere kulturellen Vermächtnisse. Vorbild müssen hier die englischen Museen sein. Dort geht die Familie nach dem Einkaufsbummel kurz in das Victoria & Albert Museum in London und schaut sich um. Damit verliert der Aufenthalt seine Exklusivität sichert aber eine stetige Auseinandersetzung mit dem kulturellen Gedächtnis. Wichtig ist vor allem die bauliche Öffnung und somit der Abbau von baulichen Barrieren. Die stattfindende Theatersanierung muss dafür genutzt werden, nicht nur direkte sondern auch indirekte Zugangsbarrieren abzubauen. Ein offenes und modernes Haus lädt ein Kontakt zu knüpfen.

Kunst und Kultur darf alles – auch auf Spurensuche gehen!

Wie anschlussfähig sind die bisher geprägten Ausdrucksformen der Augsburger Kulturszene? Bietet ein Brechtfestival einen Narrativ für viele? Wichtig ist, dass wir mehr Verknüpfungen und Austausch schaffen. Dafür müssen wir die Soziokultur in den Stadtteilen stärker fördern und mit den Kultureinrichtungen in die Stadtteile gehen. Denn wenn Menschen sich nicht für bestehende Kulturangebote interessieren, bedeutet dies nicht, dass sie keine kulturellen Interessen haben, sondern eben andere. Die Herausforderung für Augsburg ist es, mehr auf die kulturellen Interessen unserer vielfältigen Stadtgesellschaft einzugehen. Kunst darf alles, auch auf Spurensuche gehen!

 

WAS BEDEUTET DIVERSITÄTSENTWICKLUNG?
Wenn wir von Diversitätsentwicklung reden, dann meinen wir Veränderungen in der Ausrichtung der Institution, des Personals, der Art und Weise des Organisationsablaufs, der Methoden und Arbeitsweisen, der Darstellungen, sowie der Abbau von Zugangsbarrieren und struktureller Diskriminierung. Keinesfalls soll davon die konkrete Freiheit der Kunst eingeschränkt werden. Wir wollen die Rahmenbedingungen und strategische Ausrichtung setzen und damit die kulturellen Möglichkeiten erweitern. 

 

WIR SETZEN UNS EIN FÜR:

  • einen barrierefreien Zugang aller Bürger*innen zu Kultur und Kunst
  • eine bessere Förderung der freien Kulturszene, wenn partizipativ mit der Stadtgesellschaft gearbeitet wird
  • das im Museumsentwicklungsplan vorgesehene Zentrum für Audience Development in den Augsburger Kunstsammlungen zur Erschließung von neuen Besucher*innen und Ausbau der kulturellen Bildung einzurichten
  • die im Museumsentwicklungsplan vorgesehene Task Force Stadtgeschichte in den Augsburger Kunstsammlungen einzurichten, um eine stärkere Vernetzung mit der Stadtgesellschaft zu erreichen (mehr Infos auf den Seiten zwei und drei)
  • die Förderung der Stadtteilkultur
  • die Sanierung des Staatstheaters auf der Basis des Beteiligungsprozesses und der Idee des offenen Hauses
  • freien Eintritt in Dauerausstellungen von Museen

 

Weiterlesen in Stadtgrün 8: Kultur

Beteiligte Personen