Stadtplanung und Stadtentwicklung betreffen alle Augsburger*innen ganz direkt. Damit sie dabei bestmöglich informiert werden und auch mitreden und mitplanen können, wollen wir eine städtische Anlaufstelle für Partizipation in der Stadtentwicklung schaffen. Vorbild ist dabei auch der Münchner PlanTreff. Dessen Leiterin Anna-Maria Hogeback traf unsere Fraktionsvorsitzende Verena von Mutius-Bartholy zum Gespräch.

Im Koalitionsvertrag haben wir die Idee eines PlanTreff als wichtiges Instrument der Bürger*innenbeteiligung an der Stadtplanung verankert. Er soll eine „analoge” und digitale Plattform für Ausstellungen, Workshops und Öffentlichkeitsarbeit bilden, damit Planungsprozesse für alle Bürger*innen transparent werden und sie sich an der baulichen Gestaltung ihrer Stadt beteiligen können. Was ein PlanTreff leisten kann, haben wir in unserer 10. Stadtgrün-Ausgabe bereits dargestellt. Konkrete Tipps und Erfahrungen für den Aufbau und Einblicke in die Potenziale einer solchen Stelle haben wir nun aus erster Hand erhalten – im Gespräch mit Anna-Maria Hogeback, Leiterin des PlanTreff München.

Verena v. Mutius-Bartholy (VMB): Sie sind seit rund 20 Jahren beim PlanTreff dabei. Gab es in dieser Zeit mal ein besonders prägendes Erlebnis, von dem Sie uns berichten können?

Anna-Maria Hogeback (AH): Es gab immer wieder besondere Erlebnisse, vor allem auch mit Schülerinnen und Schülern. Es ist immer wieder bereichernd, zu sehen wie ernsthaft und engagiert junge Leute über lange Zukunftsräume nachdenken. An unsere ersten Gehversuche mit Online-Beteiligung denke ich auch oft zurück. Ich kann mich genau erinnern, wie froh wir waren, dass das erfolgreich lief und sich bis heute als große Bereicherung für unsere Diskussionsprozesse zeigt.

VMB: Die letzten Jahre sind geprägt durch vielfältige, mitunter einschneidende Veränderungen. Inwiefern hat sich Ihre Arbeit dadurch verändert?

AH: Schon sehr. Die Gesellschaft hat sich verändert, aber vor allem der Anspruch der Gesellschaft an Beteiligung und damit auch unsere Tools. Sie sind viel breiter geworden – durch Soziale Medien und das Internet generell. Es gibt aber auch Formate, die nahezu gleich geblieben sind wie unsere Ausstellung. Der Bogen, der sich über alle unsere Themen spannt, ist die Frage nach der Zukunft der Stadt. Wie kann München in 20 Jahren lebenswert und nachhaltig sein? Die Fragen bleiben zwar gleich, die Antworten ändern sich aber immer wieder. Für den PlanTreff ist es außerdem ein wichtiger Auftrag vom Stadtrat, uns um die Perspektiven von Kindern und Jugendlichen zu kümmern. Unsere Jugendworkshops sind immer echte Highlights. Da bekommen wir die kreativsten, unvoreingenommensten Inputs.

VMB: Wissen Sie inzwischen schon im Vorfeld, wie ein Beteiligungsprozess ablaufen wird, oder ist es jedes Mal eine Überraschung?

AH: Jedes Projekt ist so individuell, dass man nie genau weiß, wie es ablaufen wird. Für die Planbarkeit ist es wichtig, sich im Vorfeld Gedanken zum Beteiligungsgegenstand zu machen und zum Beteiligungsspielraum. Wie offen oder besetzt ist das Projekt schon, was sind die Rahmenbedingungen? Es geht um klare Kommunikation, Transparenz, Glaubwürdigkeit. Wichtig ist dabei die Information als Grundlage für eine Kommunikation auf Augenhöhe.

VMB: Wenn Sie einen Beteiligungsprozess planen, welche Gedanken machen Sie sich im Vorfeld?

AH: Wir orientieren uns an der Checkliste der Stadt und den „Beteiligungsgrundsätzen” der Allianz für vielfältige Demokratie. Bei komplexen Projekten muss man aber immer rechts und links schauen, was für den konkreten Fall passt. Da kommt unser großes Erfahrungswissen ins Spiel.

VMB: Welche Instrumente haben sich in Ihrer Arbeit bewährt und was hat sich als nicht zielführend erwiesen?

AH: Es gibt eigentlich kein Format, das sich gar nicht bewährt hat. Im Gegenteil: Ich glaube, dass die Angebote durch die Vielzahl neuer Kanäle und den Trend zur cross-medialen Kommunikation noch breiter werden. Wir wollen ja Menschen in ihren Kommunikationsgewohnheiten begegnen, um möglichst viele zu erreichen.

VMB: Für Augsburg planen wir eine ähnliche Informations- und Beteiligungsplattform. Was sollten wir beim Aufbau dieser Plattform berücksichtigen?

AH: Wichtig für den Aufbau sind auf jeden Fall ausreichende Ressourcen – sowohl personeller als auch finanzieller Art. Und man muss so einem Projekt auch ein bisschen Zeit geben. Es braucht eine Weile, bis die Idee angenommen wird, bis sich der Ort etabliert hat im Bewusstsein einer Stadt. Auch die individuelle Note muss man herausfinden – mit Experimentierfreude, Mut und Gelassenheit.

VMB: Wo sehen Sie für den PlanTreff München noch Entwicklungspotenzial?

AH: Entwicklungspotenzial gibt es sicher bei der Ansprache von unterrepräsentierten Zielgruppen. Wir versuchen das gerade mit dem sogenannten „Zufalls-Bürger*innen“. Man wählt aus dem Einwohnermelderegister zufällig Menschen aus, die man einlädt, sich zu beteiligen. Wir haben das schon einmal in einem kleineren Rahmen versucht und sehr gute Erfahrungen gemacht. Man erreicht Personen, die sich zum Teil zum ersten Mal mit planerischen Fragestellungen auseinandersetzen und die dann feststellen, wie spannend das ist und wie viel Spaß es machen kann.

VMB: Für dem Münchner Nordosten gab es ja den mehrjährigen und sehr komplexen Beteiligungsprozess. Dennoch gibt es Kritik an der Planung. Gibt es bewährte Mittel, um gezielt auch die kritischen Stimmen mit ins Boot zu holen?

AH: Der Schlüssel liegt, glaube ich, im Dialog. Man wird bei vielen Entwicklungen die unterschiedlichen, oft sogar unvereinbaren Interessen nie ganz auflösen können, aber man muss im Gespräch bleiben. Noch wichtiger als zu erklären und zu vermitteln ist es, zuzuhören, Interesse zu zeigen, Sorgen ernst zu nehmen. Ich erlebe immer wieder, dass Leute sagen: Ich bin zwar nicht Ihrer Meinung, aber ich verstehe jetzt den Prozess und finde den Ablauf fair, deswegen kann ich das Ergebnis akzeptieren. Es geht um Verständnis und ein faires Miteinander.

VMB: Herzlichen Dank das für das Gespräch!

 

 

 

Beteiligte Personen