Dringlichkeitsantrag für den Stadtrat am 29.04.2010

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Gribl,

für die Stadtratssitzung am kommenden Donnerstag stellen wir folgenden Dringlichkeitsantrag zur Abstimmung:

Resolution:

Menschenwürdige Unterbringung und Versorgung für Flüchtlinge in Augsburg

1. Schließung der Gemeinschaftsunterkunft Calmbergstraße

In den letzten Wochen wurde auch in Augsburg über die Unterbringung von Flüchtlingen intensiv diskutiert.
Zum einen muss die Unterkunft in der ehemaligen Flakkaserne an der Neusässer Str. bis Oktober 2010 geräumt werden, weil die Flächen von der Stadt Augsburg anderweitig verwertet werden sollen.
Zum anderen waren sich Vertreter/innen von Initiativen und Parteien bei einem Vor-Ort-Termin in der Gemeinschaftsunterkunft in der Calmbergstraße mit den anwesenden Flüchtlingen einig, dass dieses Lager umgehend geschlossen werden muss, da die hygienischen Verhältnisse, der Zustand der Räume und die Unterbringung der Flüchtlinge in 4- bis 6-Bett-Zimmern nicht hinnehmbar seien.

Der Stadtrat der Stadt Augsburg fordert deshalb die Bayerische Staatsregierung auf, die Massenunterkunft Calmbergstraße in Augsburg umgehend zu schließen.

2. Dezentrale Unterbringung

Insgesamt hat sich die Situation der Flüchtlinge in Augsburg in den letzten Monaten weiter verschlechtert. Fast die Hälfte der 1200 Asylbewerber/-innen Schwabens leben in den vier Augsburger Unterkünften, und diese sind aufgrund vermehrten Zuzugs in den vergangenen Monaten aus den Krisengebieten Iran, Irak, Afghanistan und Somalia randvoll belegt. Auf die besonderen Schutzbedürfnisse von Familien, Frauen und Mädchen sowie von Behinderten, Kranken, Traumatisierten kann in diesen Unterkünften wenig Rücksicht genommen werden. Ein erfolgreicher Schulbesuch der Kinder in solchen Wohnsituationen ist schwer denkbar.

Der Stadtrat der Stadt Augsburg fordert die Abgeordneten des Bayerischen Landtags auf, bei den anstehenden Entscheidungen im Sozialausschuss des Landtages die zwangsweise Unterbringung von Asylbewerbern/-innen in Gemeinschaftsunterkünften abzuschaffen und den Weg frei zu machen für die dezentrale Unterbringung in Privatwohnungen oder in kleinen dezentralen Einheiten.

3. Lebensmittelversorgung der Flüchtlinge

In den letzten Wochen protestierten die Flüchtlinge auch gegen das in Bayern gültige Sachleistungsprinzip bei der Versorgung. Danach bekommen Asylbewerber/-innen in Bayern u.a. sogenannte Essenspakete.

Der Stadtrat der Stadt Augsburg unterstützt die Forderung der Flüchtlinge nach Abschaffung der Essenspakete und fordert die Staatsregierung auf, für die Lebensmittelversorgung der Flüchtlinge – wie in anderen Bundesländern üblich – Bargeld zur Verfügung zu stellen.

Begründung:

Die in Bayern praktizierte dauerhafte Unterbringung von Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften ist seit Jahren umstritten. Katastrophale hygienische Verhältnisse haben dazu geführt, dass der Landtag vor zwei Jahren einstimmig die Schließung von zwei Containerlagern in München durchgesetzt hat. Eine Expertenanhörung, die der Landtag durchführte, förderte massive Defizite und soziale Probleme in der bayerischen Flüchtlingspolitik zu Tage.

Der Sozialausschuss des Landtags informierte sich in Nordrhein-Westfalen über das so genannte „Leverkusener Modell“, das eine dezentrale Unterbringung in Privatwohnungen vorsieht. Diese Unterbringung ist nicht nur die humanere Lösung, sondern auch deutlich preiswerter. Die Praxiserfahrungen in Leverkusen haben gezeigt, dass bis zur Hälfte der Kosten gespart werden können, wenn Flüchtlinge nicht dazu gezwungen würden, über Jahre hinweg in Gemeinschaftsunterkünften zu wohnen.

Gemeinschaftsunterkünfte sollen nur noch in einer kurzen Anfangsphase der Ankunft erforderlich sein, und bei diesen sind dann bessere Rahmenbedingungen einzuhalten. Bei der Unterbringung sind Mindeststandards zu beachten, die für die Personengruppe mit besonderen Schutzbedürfnissen unter Berücksichtigung der Richtlinie 2003/9/EG gesetzlich festgeschrieben sind. So müssen jeder Person mindestens acht Quadratmeter Wohnraum zustehen. Weiter sollen die Gemeinschaftsunterkünfte aus kleinen, dezentralen Einheiten bestehen. Familien mit Kindern, Ehepaaren und Lebenspartnern muss eine gemeinsame Unterbringung ermöglicht werden, getrennt von anderen Wohneinheiten.

Selbsthilfe muss Vorrang vor staatlicher Hilfe haben. Die Menschen sollen nicht nur berechtigt, sondern angehalten werden, selbst für ihre Unterbringung und soweit möglich für die soziale Versorgung zu sorgen.

Mit freundlichen Grüßen

Grüne Fraktion
  • Reiner Erben, Fraktionsvorsitzender
  • Verena von Mutius, Stadträtin
spd fraktion
  • Ulrike Bahr und Stefan Kiefer
die linke fraktion
  • Benjamin Clamroth

Beteiligte Personen