Martina, die Ukrainer*innen suchen Schutz vor Putins Angriffskrieg und der grausamen Zerstörung ihrer Heimat. Bis zu vier Millionen von ihnen könnten laut UN-Flüchtlingshilfswerk bald Sicherheit in anderen Ländern suchen, ein großer Teil davon ist bereits auf der Flucht. Auch in Augsburg kommen immer mehr Ukrainer*innen an. Wie geht die Stadt, wie geht dein Referat für Bildung und Migration, das ja auch zentral mit dieser Aufgabe beschäftigt ist, damit um?

Martina Wild: Der Krieg und die Zerstörung in der Ukraine machen uns sehr betroffen. Die Bilder von den Gräueltaten der russischen Armee sind schockierend. Wir wollen die Geflüchteten in Augsburg bestmöglich aufnehmen und sie in unserer Friedensstadt ausdrücklich willkommen heißen und ein gutes Zuhause bieten.

Gleich in den ersten Tagen des Krieges haben wir in der Stadtspitze einen Krisenstab eingerichtet. Federführend sind unsere Oberbürgermeisterin Eva Weber, Sozialreferent Martin Schenkelberg und ich. Wir wollten schnell und professionell auf die ja doch vielfältigen Herausforderungen und Aufgaben reagieren, die die Ankunft der Geflüchteten mit sich bringt. Ich denke, das ist uns auch sehr gut gelungen. Aufgrund der Vorgabe des Freistaates Bayern haben wir aktuell für 1.100 Menschen Unterkünfte vorbereitet. Weitere sind bereits in Planung. 

Das Büro für gesellschaftliche Integration in meinem Referat koordiniert zum Beispiel die Angebote von Vereinen und Organisationen. Es ist beeindruckend, wie schnell und unkompliziert so viele tolle Angebote auf die Beine gestellt wurden. Die Stadt plant übrigens aktuell einen gemeinsamen Infopoint am Königsplatz einzurichten, an den sich Geflüchtete wie auch Helfer*innen wenden können.

Viele Ukrainer*innen kommen fast mittellos am Bahnhof oder mit Bussen an. Wo und wie bekommen sie direkte Hilfe?

Martina Wild: Wer am Bahnhof ankommt, kann sich an die Bahnhofsmission wenden, die 24/7 vor Ort ist. Sie können dann zunächst in einer von der Stadt eingerichteten Notunterkunft unterkommen. Für die Erstversorgung können Geflüchtete einen Antrag auf Asylbewerberleistungen beim Amt für Soziale Leistungen der Stadt stellen.

Müssen sich die Menschen irgendwo zentral melden?

Martina Wild: Unsere Empfehlung ist, sich als Geflüchtete*r aus der Ukraine so bald wie möglich bei der städtischen Ausländerbehörde zu melden und sich dort registrieren zu lassen. Ein Antrag auf Asylbewerberleistungen kann z.B. erst nach erfolgter Registrierung gestellt werden. Beides ist übrigens ganz unkompliziert online möglich. Außerdem ist eine vollständige Registrierung am Ankerzentrum Schwaben notwendig.  

Und wie geht es dann für die Geflüchteten weiter, bekommen sie auch mittelfristig Leistungen und Versorgung in Augsburg?

Martina Wild: Durch die “Massenzustrom-Richtlinie”, die auf EU-Ebene beschlossen wurde, erhalten Geflüchtete aus der Ukraine sofortigen Schutz. In der Richtlinie ist unter anderem verankert, dass in Not geratene Ukrainer*innen in den EU-Mitgliedsstaaten einen sicheren Aufenthaltsstatus erhalten. Sie haben auch Zugang zu Sozialhilfe und medizinischer Versorgung, können also zum Arzt bzw. zur Ärztin gehen, wenn ihnen etwas fehlt. Erwachsene können die Hochschule besuchen oder arbeiten.

Mir als Referentin für Bildung und Migration ist besonders wichtig: Kinder können in die Kita und zur Schule gehen. Dazu haben wir im Stadtrat am 31. März auf Initiative meines Referats die Einrichtung von fünf WillkommensKITAs noch in diesem Jahr beschlossen. Dort werden Kinder im Krippen- und Kindergartenalter bis zu neun Stunden pro Woche betreut, Eltern werden einbezogen und begleitet. Auch Schulkinder sollen möglichst schnell und gut am Unterricht in unseren Schulen teilnehmen können. Dazu werden Schüler*innen in Regelklassen, in Ingym- oder auch Sprint-Klassen aufgenommen,Deutschklassen an Grund- und Mittelschulen sowie DK-BS-Klassen (Deutschklassen an Berufsschulen für Personen mit Alphabetisierungsbedarf) ausgeweitet und zudem sogenannte Willkommenklassen schulartübergreifend eingerichtet. All diese und weitere Maßnahmen werden gerade mit Hochdruck organisiert.

Wo können sich Augsburger*innen, die helfen wollen und Ukrainer*innen selbst über Hilfsangebote informieren?

Martina Wild: Auf der Website der Stadt gibt es natürlich viele Infos, z.B. auch bzgl. Dolmetscher*innen und Wohnungssuche: www.augsburg.de/ukraine.

Besondere Erwähnung verdient die Integreat App, die es nun auch auf ukrainisch gibt. Wie effektiv die App ist, zeigen die aktuellen Abrufzahlen: Wurde die App bis Kriegsbeginn ca. 8.000 Mal heruntergeladen, stieg diese Zahl bis Ende März auf über 62.000! Großes Kompliment an die Entwickler*innen von Tür an Tür – Digitalfabrik und an das Büro für gesellschaftliche Integration, das die App täglich mit aktuellsten Informationen versieht. Die App hilft den Menschen ganz direkt, sich in ihrer neuen Umgebung zurecht zu finden.

Zudem möchte ich hier natürlich auch auf den Ukrainischen Verein Augsburg verweisen. Auf dessen Website www.ukr-verein-augsburg.org/de gibt es vielfältige Informationen auf deutsch und ukrainisch. Wir sind im ständigen Austausch mit dem Verein, der viele Hilfsaktionen durchgeführt. Er ist nun übrigens vorübergehend in der Kresslesmühle zu finden. 

Das Büro für Gesellschaftliche Integration, das in meinem Referat angesiedelt ist, hat eine Hotline eingerichtet, die täglich von 9 – 12 Uhr und von 13 – 16 Uhr besetzt ist. Sie richtet sich sowohl an Augsburger*innen, die Hilfe anbieten wollen, als auch an Ukrainer*innen (auf ukrainisch): 0821 324 3016.

Wer seiner Heimat so unvermittelt und unter traumatischen Bedingungen entrissen wurde, dem kann der Austausch mit Anderen in der gleichen Lage helfen. Gibt es Angebote in Augsburg, die sich explizit an Geflüchtete aus der Ukraine richten, Ort an denen sie sich finden, vernetzen und austauschen können?

Martina Wild: Ja, die gibt es und darüber bin ich besonders froh. Teilweise wird dort auch kostenloses Mittagessen angeboten, teilweise gibt es spezielle Angebote für Frauen und Kinder, z. B. mit Bastelworkshops. Die Initiativen haben ihre Angebote sogar eigens nach Ukrainischen Orten umbenannt, um ihre Solidarität auszudrücken. Beim Grandhotel Cosmopolis gibt es das “Cafè Lwiw-Aleppo”, beim Verein Tür an Tür das “Cafe Kyjiw”, in der AuMida den “Odessa – Mal- und Bastelort für ukrainische Geflüchtete” und bei IN VIA die Aktion “Dnipro”. Ausführliche Infos zu diesen Angeboten kann man auf der Website der Stadt Augsburg unter www.augsburg.de/ukraine finden. 

Beteiligte Personen