Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

Seit 26.03.2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention auch in Deutschland in Kraft getreten und hat damit den Rang eines Bundesgesetzes erlangt. In Bayern wurden im Sommer 2011 Gesetze dazu verabschiedet. Zur konkreten Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention hat die Bundesregierung einen Nationalen Aktionsplan erarbeitet, der die Ziele und Maßnahmen der Bundesregierung in einer Gesamtstrategie für die nächsten zehn Jahre zusammenfasst. Ziel ist es, Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe am politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen, Chancengleichheit in der Bildung und in der Arbeitswelt herzustellen und allen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit auf einen selbstbestimmten Platz in einer barrierefreien Gesellschaft zu geben. Die UN-Behindertenrechtskonvention richtet sich an alle staatlichen Stellen und verpflichtet sie zur Umsetzung. Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung soll deshalb ergänzt werden durch weitere Aktionspläne insbesondere der Länder und Kommunen.

Auch der Freistaat Bayern hat inzwischen einen Aktionsplan Inklusion erarbeitet; zahlreiche Gesetze wurden angepasst. Im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz wurden zentrale Aussagen zu den Rechten behinderter Schülerinnen und Schüler neu gefasst. An erster Stelle ist hier das deutlich gestärkte Elternwahlrecht zu nennen. Die Eltern behinderter Kinder haben nun stärkere Rechte bei der Wahl des Schulortes. Sie können nun wählen zwischen der Beschulung des behinderten Kindes in der Regelschule oder in einer Schule mit dem Schulprofil Inklusion oder in einer Förderschule; in Art. 2 Abs. 2 ist nun festgelegt: „Inklusiver Unterricht ist Aufgabe aller Schulen“.

Das Thema „Inklusion“ wird zurzeit auf vielen Ebenen diskutiert. So haben schon einige Kommunen eine Aktionsplan Inklusion erarbeitet, der Landkreis Augsburg hat ebenfalls mit der Erarbeitung eines Inklusionsplans begonnen. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, wie unsere Gesellschaft das Ziel einer inklusiven Gesellschaft erreichen kann.

Unsere Fraktion beantragt daher:

  1. Die Verwaltung wird beauftragt einen kommunalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) zu erarbeiten. Der zuständige Ausschusslegt hierfür einen Zeitrahmen fest.
  2. Zur Erarbeitung dieses Aktionsplans soll ein Lenkungsgremium eingesetzt werden, in dem u.a. Verwaltung, Stadträte und entsprechende Fachleute, betroffene Mitbürger/innen und Bürgerinnen und Bürger vertreten sind.
  3. Der kommunale Aktionsplan sollte insbesondere folgende Themenbereiche umfassen:
    • Bildung und Erziehung (Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen)
    • Bauen und Wohnen (Bau barrierefreier Wohnungen, Barrierefreiheit für Rathaus und öffentliche Einrichtungen)
    • Freizeit, Kultur und Sport (barrierefreie Kultureinrichtungen, Vereinsheime, Schwimmbäder und Sportanlagen, Möglichkeit der Teilhabe von behinderten Menschen in regulären Sportvereinen oder Musikvereinen)
    • Mobilität, Verkehr, ÖPNV (Leitsysteme, Signalanlagen, barrierefreier ÖPNV)
    • Bewusstseinsbildung, Öffentlichkeitsarbeit, Interessenvertretung (Inklusionsbeirat), barrierefreie Kommunikation

Begründung

Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle Menschen Teilhabe an der Gesellschaft und Zugang zu allen Einrichtungen und Institutionen haben. Dazu braucht es nicht nur einige kleine Reformen und kleine Maßnahmen, sondern eine umfassende Veränderung aller Bereiche hin zu einer inklusiven Gesellschaft.
Inklusion ist beileibe nicht auf Bildung zu reduzieren, wie dies derzeit in der öffentlichen Diskussion den Anschein hat, sondern bezieht sich zum Beispiel auch auf die Bereiche Wohnen, Arbeiten, Sport, Kultur, Freizeitgestaltung und Verkehr. Wichtig ist zudem: Inklusion ist kein Thema von Menschen mit Einschränkungen (oder deren Angehöriger), sondern eines das die ganze Gesellschaft angeht.

Mit dem Begriff Inklusion wird ein Perspektivwechsel im Zusammenleben von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen beschrieben, der über Integration hinausgeht. Es geht nicht mehr „nur“ darum, Menschen mit Behinderung in unsere bestehenden gesellschaftlichen Strukturen zu integrieren, also von außen nach innen zu bringen. Es geht vielmehr darum den Blick auf die Möglichkeiten zur Teilhabe neu auszurichten: Wie müssen die Strukturen in unserer Gesellschaft umgestaltet werden, damit sich Menschen mit Beeinträchtigungen am Alltagsleben beteiligen können ohne auf Hindernisse zu stoßen?

Es geht grob gesagt nicht um die „Beeinträchtigung“ des einzelnen Menschen, sondern darum, dass er durch die vorhandenen Barrieren behindert wird am gesellschaftlichen Leben gleichberechtigt teilnehmen zu können: „Behinderung ist heilbar“ (www.gemeinsam-einfach-machen.de/).

Auch der demografische Wandel und der zunehmende Anteil älterer Menschen in unserer Stadt sind zusätzliche Gründe sich mit dem Thema Inklusion in Augsburg zu befassen.

Die Stadt Augsburg sollte daher unter Beteiligung aller relevanten Akteure und der Stadtgesellschaft einen „kommunalen Aktionsplan Inklusion“ erarbeiten, also ein Konzept, wie der Anspruch „Inklusion“ in allen städtischen Handlungsfeldern umgesetzt werden kann. Der Inklusionsplan sollte dabei nicht nur Maßnahmen benennen, sondern auch regelmäßig überprüft und weiterentwickelt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Martina Wild
Fraktionsvorsitzende

Beteiligte Personen