Wer steuert den Wagen und wer kommt unter die Räder?

Warum eigentlich Klimagerechtigkeit? Der Klimawandel ist ein globales Phänomen. Alle Menschen sind von der Klimakrise betroffen – aber nicht alle gleichermaßen. Wohlhabende Personen bzw. Staaten tragen mehr zur Erderwärmung bei als arme und sind gleichzeitig weniger stark von den Folgen des Klimawandels betroffen. Heute lebende Menschen zerstören wissentlich die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen, weil ein Leben im Überfluss als Grundrecht missverstanden wird. Der vorliegende Beitrag rückt die Ungleichheiten in der Klimakrise in den Fokus.

 

Eine alleinerziehende Mutter, die in einer kleinen, schlecht isolierten Wohnung in einem dicht bebauten Stadtteil wie Kriegshaber lebt, ist stärker von der Klimakrise betroffen als eine Familie, die ein schmuckes Reihenhaus mit Garten im wohlhabenden Spickel bewohnt. Gleichzeitig ist der ökologische Fußabdruck dieser Familie vermutlich wesentlich größer, denn sie hat mehr Wohnraum zur Verfügung, reist wahrscheinlich häufiger und weiter und konsumiert insgesamt mehr. Diese Ungerechtigkeit existiert auch auf globaler Ebene. Deutschland trägt als reiche Industrienation viel mehr zur Erderwärmung bei als – zum Beispiel – Uganda oder Tansania. Gleichzeitig sind die afrikanischen Staaten südlich der Sahara signifikant stärker von den Folgen des Klimawandels betroffen. Hitze und Ernteausfälle, Überschwemmungen und Erdrutsche treffen die Menschen dort mit voller Wucht. In vielen Ländern des globalen Südens hat sich der Klimawandel heute schon zu einer verheerenden Klimakatastrophe ausgewachsen, denn ihre Mittel reichen nicht aus, um den dramatischen Umweltveränderungen etwas entgegenzusetzen – Schutzvorkehrungen zu treffen und den Schaden anschließend zu beheben. Wenn wir also vom Klimawandel sprechen, müssen wir immer auch über Klimagerechtigkeit nachdenken und dabei auch nachfolgende Generationen im Blick haben, an deren Ast wir sägen, wenn es uns nicht gelingt, den Klimawandel aufzuhalten. Wie können wir die Klimakrise sozial gerecht bewältigen? Welche Möglichkeiten haben wir hier vor Ort in Augsburg? Zunächst müssen wir zentrale Fragen offen ansprechen und gemeinsam diskutieren. Wer kann sich, wenn die Temperaturen in den Städten auf ein un- erträgliches Maß steigen, klimatisierte Wohnungen leisten? Wer ist dann von kühlen- der Vegetation umgeben oder verbringt die Sommer gleich ganz im wohltemperierten Norden? Wer leidet wie stark unter steigenden Energiekosten und Lebensmittelpreisen? Und wer bezahlt erforderliche Klimaschutz- maßnahmen? Wenn wir beispielsweise Förderprogramme für energetische Sanierung auflegen, profitieren davon tendenziell eher vermögende Immobilienbesitzer*innen. Trotzdem stellen solche Programme ein sinn- volles Instrument dar, um positive Anreize für klimafreundliche Investitionen zu setzen. Allerdings wollen wir GRÜNE auch gezielt darauf achten, dass die ergriffenen Maßnahmen insgesamt v.a. denjenigen zugutekommen bzw. diejenigen am wenigsten belasten, die besonders verwundbar sind – also etwa ältere Menschen, Kinder und Geringverdienende.

Dieser Ansatz soll anhand verschiedener Beispiele erläutert werden:

Gezielte Begrünung

Pflanzen schützen das Klima direkt, denn sie binden effektiv CO2. Gleichzeitig verbessert Vegetation durch Verdunstungskälte und Verschattung messbar das Mikroklima eines Standorts. In unserem schwarz-grünen Koalitionsvertrag haben wir u.a. vereinbart, jährlich etwa 300 neue Bäume zu pflanzen, Frischluftschneisen festzulegen und “Kühle Meilen” zu gestalten (z.B. vom Kennedyplatz bis zum Jakobertor). Unser Grüner Umwelt- und Klimareferent Reiner Erben hat im März 2022 ein Baumkonzept für die nördliche Innenstadt präsentiert, das ein umfassendes Gutachten über potenzielle Baumstandorte an allen Straßen, Wegen und Plätzen beinhaltet. Diese Baumstandorte sollen mit Fachdienststellen und Behörden der Stadt Augsburg sowie den Stadtwerken Augsburg abgestimmt und bei sämtlichen künftigen Planungen in der nördlichen Innenstadt berücksichtigt werden. Zusammen mit anderen Fraktionen haben wir uns dafür eingesetzt, diesen Ansatz auf die gesamte Stadt anzuwenden. Bei Neupflanzungen müssen v.a. Gegenden in den Blick genommen werden, die einerseits sehr dicht besiedelt sind und in denen sich andererseits viele verwundbare Personen aufhalten – z.B. im Umfeld von Pflegeheimen oder Kindertageseinrichtungen. Kleinräumige Hitzelandkarten können dieses Vorhaben sinnvoll unterstützen.

Förderung von Sharing-Angeboten

Das klimafreundlichste Auto ist das, das nie produziert wurde. Der Verzicht auf ein eigenes Auto und andere Besitztümer spart Ressourcen und Emissionen. Zudem muss dieser Verzicht nicht schmerzlich sein, sondern kann als sehr gewinnbringend empfunden werden, wenn es Alternativen gibt – also etwa passende Sharing-Angebote vorhanden sind wie in Augsburg das swa Carsharing. Ein eigenes Auto ist teuer im Unterhalt, v.a wenn es die meiste Zeit nur rumsteht. Ein Carsharing-Auto kann punktuell genutzt werden und stellt darüber hinaus keine nennenswerte (finanzielle) Belastung dar. Insofern ist es auch für einkommensschwache Haushalte eine gute Möglichkeit, das Klima zu entlasten, Kosten zu sparen und trotzdem mobil zu sein. Das gilt natürlich ebenso für andere Güter wie Bohrmaschinen oder Teppichreinigungsgeräte: Je mehr Personen ein Ge- rät nutzen, desto besser fällt seine Ökobilanz aus. Sharing-Angebote machen für Geringverdienende außerdem Güter verfügbar, die sie sich selbst nicht leisten könnten. Sie sind oft Teil von alternativen Wohnformen, die wir GRÜNEN über Konzeptvergaben wie im Sheridan-Park auch künftig weiter fördern wollen.

Bio-Essen in Kitas und Schulen

Auch die Ernährung spielt im Klimakontext eine zentrale Rolle. Wer ausschließlich Bio- Lebensmittel konsumiert, spart damit 100 kg CO2 im Jahr. Nun sind bekanntlich gerade Bio-Lebensmittel relativ teuer und für viele Geringverdienende daher kaum erschwinglich. Eine Maßnahme, die allen unabhängig von ihrem Einkommen zugute kommt, ist die Erhöhung der Bioquote auf mittlerweile 31,2 Prozent bei der Verpflegung in städtischen Kitas, die unsere Grüne Bildungsbürgermeisterin Martina Wild durchsetzen konnte. Die Bioquote wurde seit 2007 kontinuierlich erhöht. So können alle Kinder, auch jene aus finanzschwächeren Familien, gesund und klimaverträglich genießen.

Teilhabe

Grundsätzlich gelingt die große Transformation nicht als Projekt einer privilegierten „Öko-Elite“. Stattdessen müssen möglichst viele Menschen einbezogen werden und die notwendigen Veränderungen mittragen – sie zu ihrem persönlichen Ziel erklären. Bürger*innen müssen mitreden, mitgestalten und mitwirken dürfen bei vielen größeren und kleineren Fragen der konkreten Klimaproblematik. Dadurch wird nicht nur eine offene Debatte in breiteren Schichten befördert, sondern auch die Entwicklung ganz neuer und eigener Ideen und Lösungen unterstützt. Mitsprache schafft Akzeptanz – das gilt für den Verlauf der großen Stromtrasse ebenso wie für den kleinen Radweg. Vor diesem Hintergrund spielt auch das Augsburger Beteiligungsbüro, für das wir uns sehr eingesetzt haben und das noch in diesem Jahr in Betrieb geht, eine entscheidende Rolle. Unsere Grüne Vision für Augsburg ist ein gerechter Klimaschutz, der soziale Ungleichheiten abbaut und damit langfristig auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Stadt stärkt.

 

 

Beteiligte Personen