Status: behandelt im Stadtrat am 27.02.14 | Bericht der Ausländerbehörde (pdf)

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

Die von unserer Fraktion aufs schärfste verurteilte Abschiebung einer tschetschenischen Familie unter Verletzung des Kirchenasyls ist inzwischen aus der Presse bekannt. Vergangene Woche wurde eine 38-jährige Tschetschenin mit ihren vier Kindern im Alter von 4 bis 14 Jahren am 18.02.2014 morgens um 6.00 Uhr, aus einer katholischen Pfarrgemeinde in Oberhausen, in der ihr am Tag zuvor Kirchenasyl gewährt worden war, von der Polizei im Auftrag des Augsburger Ausländeramtes, abgeholt worden und dann an die polnischen Behörden übergeben. Sie war aus einem kriegsgeschüttelten Land zunächst nach Polen geflüchtet und von dort weiter nach Deutschland, da sie und ihre Kinder in Polen wegen rassistischer Übergriffe nicht sicher, bzw. stark gefährdet waren.

Oberbürgermeister Dr. Gribl gab laut einem Zeitungsartikel in der AZ an, von dem Vorgehen der Ausländerbehörde nichts gewusst zu haben. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass die Ausländerbehörde nicht angewiesen ist, sich in einem solch heiklen Fall beim OB oder wenigstens beim Ordnungsreferenten Rückendeckung zu holen.

Gleichzeitig ist in der Süddeutschen vom 24.02.2014 zu lesen, dass der Oberbürgermeister „betont, dass die Ausländerbehörde die Polizei nur mit der Maßgabe losgeschickt habe, keinen Zwang anzuwenden“. Die Frage danach, was denn hier unter „Zwang“ und „Freiwilligkeit“ verstanden wird, drängt sich auf.

Der Kommentator in der SZ titelt den Vorgang mit „Gnadenlose Friedensstadt“. Einen solchen Titel wollen und können wir nicht für unsere Stadt akzeptieren, die sich besonders dem Thema „Frieden“ verpflichtet fühlt und dies bei vielen Gelegenheiten auch von der Stadtführung immer wieder hervorgehoben wird.

Kirchenasyl ist heute die vorübergehende Aufnahme von Flüchtlingen durch eine Kirchengemeinde zur Abwendung einer von den Gemeindemitgliedern als für die Schutzsuchenden an Leib und Leben bedrohlich angesehenen Abschiebung. Es bezweckt grundsätzlich eine Wiederaufnahme oder erneute Überprüfung des asyl- oder ausländerrechtlichen Verfahrens der Kirchenasylflüchtlinge durch die dafür zuständigen staatlichen Stellen.

Da die betroffene Frau mit ihren Kindern offenbar auch in Polen rassistischen und lebensbedrohlichen Anfeindungen ausgesetzt war, hätte dies bei einer Überprüfung eventuell eine Rolle spielen können. Eine solche weitere Überprüfung hat wohl im vorliegenden Fall wegen der schnellen Abschiebung nicht gegeben.

Wir fordern daher eine Aufklärung des Stadtrats durch den Oberbürgermeister über die Abschiebung der tschetschenischen Mutter und ihrer Kinder, als auch eine klare Haltung zum Kirchenasyl, nämlich dieses zu dulden und während dessen Dauer nach humanitären Lösungen für eine Beendigung des Kirchenasyls zu suchen.
 
Unsere Fraktion stellt daher folgenden Dringlichkeitsantrag:
 

  1. Die Verwaltung legt dar, wer wann wem welchen Auftrag zur Abschiebung erteilt hat und wann der Oberbürgermeister über das Vorhaben und Vorgehen der Ausländerbehörde informiert war.
  2. Die Verwaltung legt weiter dar, ob und welche Ermessensspielräume im vorliegenden Fall gegeben sind und wenn es Ermessensspielräume gibt, warum diese dann nicht angewandt worden sind.
  3. Die Stadtregierung legt dar, wie sie gedenkt in Zukunft mit dem Thema „Kirchenasyl“ zu verfahren und wie sichergestellt wird, dass die Stadtregierung und der Stadtrat rechtzeitig über geplante Abschiebungen insbesondere aus dem Kirchenasyl informiert werden.
  4. Der Stadtrat bekennt sich zur grundsätzlichen Duldung des Kirchenasyls insbesondere um die Zeit für eine humanitäre Problemlösung nutzen zu können.

Mit freundlichen Grüßen

Reiner Erben                                Martina Wild                                            Eva Leipprand
Fraktionsvorsitzender            stellv. Fraktionsvorsitzende               stellv. Fraktionsvorsitzende

Beteiligte Personen