Für die Stadtverwaltung sind Beteiligungsprozesse ein wichtiges Instrument, um Bürger*innen projektgebunden mitzunehmen. In manchen Bereichen ist Beteiligung gesetzlich vorgeschrieben, in anderen binden die Referate die Bürger*innen eigeninitiativ ein. Unsere grünen Referenten Reiner Erben, Martina Wild und Jürgen Enninger geben Einblicke in Beteiligungsformate aus ihren Bereichen und berichten, warum es ihnen so wichtig ist, dass die Augsburger*innen sich vielfältig einbringen können.

Jürgen K. Enninger:

„Bürger*innenbeteiligung ist für mich echte Mitsprache, wirkliche Einwirkungs- möglichkeiten und das Gefühl, dass dann auch etwas passiert. Es geht darum, ermutigende Angebote zu schaffen, d. h. nicht nur einladende, sondern auch aufsuchende Beteiligung zu gestalten. Wir stehen vor der Herausforderung, dass wir Menschen aktivieren möchten, die sich bislang nicht als wirkmächtig erlebten. Das müssen und wollen wir ändern.“

Welches Projekt hat besonders von der Einbeziehung der Bürger*innen profitiert und warum?

Aktuell arbeiten wir im Grieslepark an Beteiligungskonzepten für die Gestaltung des Parks. Hier kann man ganz konkret mitentscheiden, wie der Park einmal ausgestaltet wird. Konkreter und praxisnäher kann Beteiligung kaum werden. Als Beispiel kann die Ausgestaltung des zweiten Bauabschnittes genannt werden: Im Rahmen eines Onlinefragebogens hatten Bürger*innen die Möglichkeit, ihre Ansicht zu den beabsichtigten Sitzgelegenheiten, dem Bewegungsparcours und den Tischtennisplatten mitzuteilen. Der geplante Pumptrack wurde gemeinsam im Rahmen einer Onlineveranstaltung mit Bürger*innen, Stadtjugendring und Vereinsvertretungen zusammen mit dem Hersteller entwickelt. Verschiedene Ansprüche der Skaterszene, Dirtbikevertretung, aber auch die Anforderungen der Kids aus der Nachbarschaft wurden erörtert und versucht, auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.

Wenn du nicht Referent wärst, wo würdest du als Bürger mitmachen?

Wir starten jetzt in die nächste Phase, die Partizipationsphase, von #augsburgbewegt, unserem Maßnahmenpaket zur Belebung von Kultur und Sport in Augsburg. Im kommenden Jahr haben wir verschiedene Stadtteilgespräche geplant, um noch mehr Menschen für Sport und Kultur und deren Möglichkeiten in Augsburg zu begeistern. Sich hier konkret mit Ideen zu Einzelmaßnahmen (z. B. wo soll die nächste Sportbox hin, wie kann ich mein Umfeld aktivieren, sich an den Aktivitäten der Stadt zu beteiligen) einzubringen und dann an den vorgeschlagenen Ideen aktiv mitzugestalten, würde mir als Bürger großen Spaß machen. Eigentlich waren für 12. und 13. Januar 2022 zwei Stadtteilgespräche zu den Themen Sport und Kultur geplant. Diese Termine mussten wir wegen der hohen Coronazahlen leider absagen, hoffen aber, sie bald nachholen zu können. Alle interessierten Bürger*innen sind dann herzlich eingeladen. Über das ganze Jahr 2022 sind vier weitere Stadtteilgespräche in Augsburgs geplant. Alle aktuellen Infos findet dazu auf www.augsburg.de/augsburgbewegt.

Welche Erkenntnisse ziehst du aus bisherigen Beteiligungsprozessen für künftige Formate? Wie kann Beteligung aus deiner Sicht innovativ gestaltet werden und wie begeistert man viele Menschen dafür, sich einzubringen?

Wichtig ist mir das Erwartungsmanagement. Es gibt bestimmte Rahmenbedingungen und diese muss man offen benennen. Außerdem: viel hinterfragen, z. B.: Was bedeutet netzwerken? Netzwerken kann Inspiration, Miteinander, Geschäftsbeziehung, persönliche Beziehung, Teilung von Ressourcen bedeuten. Wir müssen immer wieder hinterfragen, was tatsächlich hinter Dachbegriffen steht.

Martina Wild:

Bürger*innenbeteiligung ist für mich, dass Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft in den Dialog miteinander treten und gemeinsam unsere Stadt voranbringen. Nötig sind transparente Information, eine gute Kommunikation über die exakten Beteiligungsmöglichkeiten (aber auch deren Grenzen) und das Schaffen institutionalisierter gemeinsamer Entscheidungswege. Ein gut austariertes Mitreden, Mitplanen und Mitentscheiden der Bürger*innen führen in der Regel zu einer tragfähigeren Lösung. Gerade in einer vielfältigen Stadtgesellschaft sind Beteiligungsprozesse eine wichtige Chance, um Gemeinschaft, Identifikation und Akzeptanz zu schaffen und Projekte in unserer Stadt gemeinsam zu diskutieren und weiterzuentwickeln. Das ist zentral wichtig für eine demokratische Stadtgesellschaft.“

Welches Projekt hat besonders von der Einbeziehung der Bürger*innen profitiert und warum?

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir jeden Tag von der Beteiligung von Bürger*innen an unserer Arbeit profitieren. Ich nenne beispielhaft zwei Aktivitäten in meinem Referatsbereich mit unterschiedlicher Form der Beteiligung: Zum einen haben wir unser Schulgutachten bereits in einem Zwischenstadium den Schulen vorgestellt und anschließend intensiv mit ihnen hierüber diskutiert, weil es mir wichtig war, ihre Perspektiven früh mit einzubinden und Transparenz herzustellen. Wir haben nun eine fundierte Grundlage, um am Schulgutachten weiterzuarbeiten.

Zum anderen haben das Büro für gesellschaftliche Integration und ich mit dem „lernenden” Integrationskonzept und dem daraus resultierenden „Aktionsplan Integration” auch einen größeren Beteiligungsprozess. Klar ist: Die gleichberechtigte Teilhabe und der gleichberechtigte Zugang zu Bildung und Ausbildung, zum Arbeits- und Wohnungsmarkt, zu Kultur und Sport müssen wir gemeinsam schaffen, wir brauchen unterschiedliche Sichtweisen und Kompetenzen. Hierfür ist es wichtig, den bestehenden Aktionsplan umzusetzen, ihn aber zugleich auch weiterzuentwickeln. Das Integrationskonzept, das bewusst als lernendes Konzept konzipiert ist, werden wir daher, wie bereits vor einigen Jahren geschehen, erneut mit vielen Menschen aus der Stadtgesellschaft diskutieren und stetig anpassen. Ohne die Verbände, die vielen Initiativen und Engagierten, wäre so etwas nicht möglich. Deshalb ist das für mich ein wirklich gelungener Prozess der Beteiligung der vergangenen Jahre, der nun natürlich auch weitergehen wird.

Wenn du nicht Referentin wärst, wo würdest du als Bürgerin mitmachen?

Ich würde gerne beim Bibliotheksentwicklungskonzept mitmachen, denn von einem guten, vielseitigen Angebot der Stadtbücherei profitiere ich als Bürgerin auf vielfältige Weise – etwa als Mutter, deren Kinder dort Bildungsveranstaltungen besuchen und kostenfrei Medien ausleihen dürfen, als Besucherin diverser Veranstaltungen, auf denen ich mitdiskutieren kann, und natürlich als Kundin ohne den Anspruch, jeden Reise- führer und jedes Hörbuch selber besitzen zu müssen. Die Stadtbücherei und ihre Außenstellen sind Begegnungsorte und Bildungsorte für ALLE. Ihre vielen Aufgaben wie Leseförderung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind ein wichtiger Baustein unserer Augsburger Bildungslandschaft. Es ist mir wirklich ein enorm großes Anliegen, hier mit der Leitung der Stadtbücherei, Tanja Erdmenger, den Mitarbeitenden und der Stadtgesellschaft den Prozess der Weiterentwicklung der Stadtbücherei gemeinsam zu machen und dabei auch konzeptionell voranzugehen. Nach dem Motto „Stadtbücherei findet Stadt”. Je mehr Menschen mitgestalten, desto besser!

Welche Erkenntnisse ziehst du aus bisherigen Beteiligungsprozessen für künftige Formate? Wie kann Beteiligung aus deiner Sicht innovativ gestaltet werden und wie begeistert man viele Menschen dafür, sich einzubringen?

Zentral wichtig sind das frühzeitige Einbeziehen der Bürger*innen und eine gute, transparente Planungsqualität. Den Beteiligten muss klar sein, was die Ziele sind, welche Personen und Organisationen mit dabei sind. Gleichzeitig muss von Beginn an deutlich kommuniziert werden, wie groß die Gestaltungsspielräume sind. Das Erwartungsmanagement ist damit ein zentraler Bestandteil von Beteiligungsprozessen.  Leider hakt es sehr oft an der Zusammensetzung der Teilnehmenden. Statt immer die gleichen Personen sollte die heterogene Stadtgesellschaft abgebildet sein. Genau darin liegt die große Herausforderung. Wir dürfen für Beteiligungsprozesse nicht „nur ins Rathaus” einladen, sondern müssen dorthin gehen, wo Menschen sich aufhalten – in die Vereine, zu den Initiativen vor Ort und gerne auch in die „Kneipe ums Eck”. Gleichzeitig gilt es auch, die Möglichkeit der digitalen Teilhabe auszubauen. Die Corona-Pandemie war eine Herausforderung auch für Beteiligungsprozesse, da wir uns lange nicht mehr persönlich begegnen konnten. Dafür ist die digitale Beteiligung rasch vorangeschritten und hier werden zukünftig auch gute Formate viel mehr Teil von Beteiligung bleiben. Allerdings freue ich mich sehr, wenn wir uns nun wieder mehr im räumlichen Miteinander und im direkten Kontakt austauschen und diskutieren können.

Reiner Erben:

„Bürger*innenbeteiligung ist für mich unter anderem ein Motor für die Bewältigung der Klimakrise. Die Bürger*innen sind da zum Teil viel weiter als manche Parteien und Interessenverbände. Viele Aktive, die jetzt für den Klimaschutz und die Energiewende auf die Straße gehen, engagieren sich schon sehr lange in Umweltverbänden und in der Lokalen Agenda. Mit ihren kreativen Ideen können sie uns helfen, hier vor Ort konkrete Lösungen zu entwickeln, z. B. wie wir mehr Photovoltaik realisieren oder Mobilität in den Wohnquartieren nachhaltig organisieren können.“

Welches Projekt hat besonders von der Einbeziehung der Bürger*innen profitiert und warum?

Viele konkrete Beschlüsse beruhen auf Ideen und Vorarbeiten engagierter Bürger*innen, zum Beispiel aus den Fachforen der Lokalen Agenda. Das gilt für den Beitritt Augsburgs zum Klima-Bündnis, die Ernennung einer*s Radverkehrsbeauftragten genauso wie für das kommunale Energiemanagement und das erste CO2-Minderungskonzept, das Augsburg schon 2001 auf den Weg gebracht hat. Der neue Klimabeirat und die nun beschlossenen ambitionierten Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen gehen auf Initiativen des Nachhaltigkeitsbeirats zurück. Die Klimaaktiven haben als Teil einer neuen gesellschaftlichen Bewegung geholfen, das Thema Klimagerechtigkeit ganz oben auf die politische Tagesordnung zu setzen. Ich habe erfahren, wie gewinnbringend es ist, ihren Schwung in den politischen Prozess mitzunehmen. Dadurch konnten wir auf dem Weg in eine klimagerechte Zukunft ein gutes Stück vorankommen.

Wenn du nicht Referent wärst, wo würdest du als Bürger mitmachen?

Lokale Agenda, klassische Umweltverbände wie Bund Naturschutz und Greenpeace, Fridays for Future – Bürger*innen haben eine breite Auswahl an Möglichkeiten, wenn es darum geht, sich für mehr Umweltschutz, Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit einzubringen. Ich würde auf jeden Fall die jährlich von der Umweltstation Augsburg in Kooperation mit dem Büro für Nachhaltigkeit und der Lokalen Agenda organisierte Zukunftstagung besuchen. Um das Thema Nachhaltigkeit breiter in der Stadtgesellschaft zu verankern, führen wir seit 2017 jedes Jahr die Fachtagung „Wir gestalten unsere Zukunft – Nachhaltige Entwicklung durch bürgerschaftliches Engagement!“ durch. Die Tagung richtet sich an alle, die im Bereich Nachhaltigkeit in Augsburg und Umgebung aktiv sind – sei es als Teilnehmer*innen beim Augsburger Zukunftspreis, als haupt- oder ehrenamtliche Akteur*innen bei Vereinen oder Initiativen, in Unternehmen, in der Verwaltung oder „auf eigene Faust“ als Freiberufliche im Bildungsbereich. Die Tagung selbst ist zwar kein eigentliches Beteiligungsformat, verschafft aber einen guten Überblick über verschiedene Beteiligungsmöglichkeiten, bringt engagierte Bürger*innen zusammen und kann Ausgangspunkt für spannende Beteiligungsprojekte sein!

Welche Erkenntnisse ziehst du aus bisherigen Beteiligungsprozessen für künftige Formate? Wie kann Beteiligung aus deiner Sicht innovativ gestaltet werden und wie begeistert man viele Menschen dafür, sich einzubringen?

Bürger*innenbeteiligung muss v. a. niederschwellig und weitreichend sein. Mit „weitreichend” meine ich, dass es nicht darum geht, Bürger*innen bloß ein bisschen mitreden zu lassen, sondern darum, echte Mitgestaltungsspielräume zu schaffen. Wenn Bürger*innen die Erfahrung machen, dass ihr Engagement sich in politisches Handeln niederschlägt, dass sie nicht alles hinnehmen müssen, sondern ihr Umfeld aktiv mitgestalten können, wirkt sich das positiv auf die künftige Beteiligungsbereitschaft aus. Deshalb ist es ganz entscheidend, dass wir die Beiträge der Bürger*innen aufgreifen und sie damit implizit, aber auch explizit ermutigen, sich als Mitgestalter*innen unserer Stadt zu sehen!

 

Beteiligte Personen