Die Bewältigung der Klimakrise geht einher mit einer ganzen Reihe von Herkulesaufgaben: Energiewende, Verkehrswende, Wirtschaftswende, Ernährungswende etc. Wir haben uns Anfang 2021 im Stadtrat auf ein CO2– Restbudget von 9,7 Mio. Tonnen verständigt, um unseren Beitrag zur Einhaltung der Pariser Klimaziele zu leisten. Wir dürfen dieses Ziel nicht verfehlen – zu viel steht auf dem Spiel! Existenzielle Lebensgrundlagen müssen bewahrt werden. Was wir dafür brauchen? 1. Gute Entscheidungsgrundlagen – also eine solide Datenbasis, 2. mutige Entscheidungen und konsequentes Handeln und 3. neue, tragfähige Narrative. Fangen wir bei uns in Augsburg an und setzen alle Hebel in Bewegung, um unseren Teil zur Bewältigung der Klimakrise beizutragen!

Die Uhr tickt immer lauter: “Die kommenden Jahre werden ent- scheidend sein für den Verlauf des Klimawandels in diesem Jahrhundert”, warnte der Chef des Weltklimarats Hoesung Lee im Februar 2022. Der aktuelle IPCC-Bericht zeigt, dass dramatische Veränderungen bereits stattfinden und sich die Lage in den folgen- den Jahren zuspitzen wird. Tiefgreifende Veränderungen sind dringend notwendig – und zwar sofort! Wir brauchen klare Lösungen und eindeutige Prioritäten! Je später die erforderlichen Hebel bewegt werden, desto dramatischer werden die Maßnahmen später sein müssen. Und irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft wird es zu spät sein. Wenn es so weit kommt, wenn die kritischen Schwellen (Kippelemente im globalen Klimasystem) überschritten wurden, haben wir und unsere Kinder keine Möglichkeit mehr, die Krise noch abzuwenden bzw. in ihrem Ausmaß zu begrenzen. Noch haben wir es in der Hand! Augsburg soll klimafreundlichste Stadt Bayerns werden und dafür setzen wir alle Hebel in Bewegung. Das ist auch deshalb möglich, weil wir nicht bei Null anfangen, sondern in der Vergangenheit bereits zentrale Weichen gestellt und Strukturen etabliert wurden und auch innerhalb der Bevölkerung wichtige Bildungsprozesse stattgefunden haben. Augsburg hat heute eine starke Klimaschutzszene, die den öffentlichen Diskurs mitgestaltet und wertvolles Wissen in die diversen Gremien einbringt. Gemeinsam müssen wir nun den eingeschlagenen Klimakurs halten – besonnen, beherzt und unbeirrt!

Rückblick

Maßnahmen zur Bewältigung der Klima- krise finden heute breiteren Rückhalt als noch vor wenigen Jahren – davon zeugt auch die mediale Berichterstattung. Die Grenzen der Akzeptanz sind zwar nach wie vor nicht immer im Einklang mit den Erfordernissen, aber dennoch ist heute vieles möglich, was noch vor ein paar Jahren undenkbar schien. Heute ist Augsburg etwa Teil der “Städte- initiative Tempo 30”, die sich für eine vereinfachte Ausweisung von Tempo-30-Zonen stark macht und so „lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ erreichen möchte. 2015 titelte die Augsburger Allgemeine noch: “Zu viele Tempo-30-Zonen- Autofahrer können sich wehren”. Die von uns GRÜNEN seit ihrer Einführung scharf kritisierte “Semmeltaste”, die kostenfreies Kurzzeitparken ermöglichte, ist neuerdings Vergangenheit. 2011 wurde die Begrenzung der „Semmeltaste“ von 30 auf 20 Minuten von der Augsburger Allgemeinen noch in einer “Liste der Grausamkeiten” anlässlich eines Sparpakets infolge der Finanzkrise geführt. Nichtsdestoweniger gab es auch bereits frühe Erfolge für den Klimaschutz in Augsburg. Die Stadt ist beispielsweise schon seit 1998 Mitglied im „Klima-Bündnis europäischer Städte mit indigenen Völkern der Regenwälder“ (Alianza del Clima e.V.) – verbunden mit einer kontinuierlichen Reduk- tion der CO2-Emissionen. 2001 wurde die Fachkommission CO2-Minderung der Stadt Augsburg eingerichtet, in der verschiedene städtische Dienststellen sowie Klimaschutzakteur*innen vertreten sind – darunter die Abteilung “Klimaschutz“ des städtischen Umweltamtes, die seit 2003 unterschiedliche Aktivitäten im Klimakontext initiiert und begleitet. Von 2008 bis 2013 wurde der “9-Punkte-Plan”, ein erstes systematisches Klimaschutzprogramm für Augsburg, umgesetzt. Im Klimaschutzbericht von 2015 wurden dann die Evaluationsergebnisse vorgestellt. Seit 2011 liegt das “Regionale Klimaschutzkonzept für den Wirtschaftsraum Augsburg” (Stadt Augsburg, Landkreis Augsburg und Landkreis Aichach-Friedberg) vor, das 2016 bis 2020 über ein Regionales Klimaschutzmanagement vorangetrieben wurde und 2021 in eine Vereinbarung der Gebietskörperschaften über eine wechselseitige Unterstützung zur Erreichung der Klimaziele mündete. Die Augsburger Klimaziele wurden zwischenzeitlich neu definiert. Noch bis 2020 wurde eine Halbierung der CO2-Emissionen bis 2030 angestrebt. Auf Empfehlung des Augsburger Klimabeirats, der sich aus Vertreter*innen aus Stadtrat, Stadtverwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammensetzt, eine beratende Funktion erfüllt und im November 2020 erstmals tagte, hat der Stadtrat Anfang 2021 ein CO2-Restbudget von 9,7 Mio. Tonnen für Augsburg festgelegt. Man kann also feststellen: In den letzten Jahrzehnten hat sich einiges getan. Es ist gelungen, die Reduktion des CO2-Ausstoßes nach den Vorgaben des Europäischen Klima- bündnisses zu erreichen. Die neuen Leitplanken im Blick beschreiten wir nun jedoch einen höchst anspruchsvollen Klimaschutzpfad. Jetzt müssen alle an einem Strang ziehen!

Gute Entscheidungsgrundlagen

Die definierten Augsburger Klimaziele zu erreichen ist eine ambitionierte Querschnittsaufgabe, die eine genaue Kenntnis von Ausgangslagen und Einsparpotenzialen sowie ein Maximum an Weitsicht erfordert. Ohne solide Datenbasis kann nicht planvoll gehandelt werden. Aus diesem Grund hat das Umweltreferat bei KlimaKom, einem externen Unternehmen, das Kommunen bei der Erreichung ihrer Klimaschutzziele unterstützt, eine Klimastudie in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse der Studie liegen seit November 2021 vor und bilden eine gute Grundlage für weitsichtige Entscheidungen. Seither arbeiten wir an einem tragfähigen Klimaschutzprogramm für Augsburg und konzentrieren uns dabei auf die Bereiche mit den größten Einsparpotenzialen: Verkehr, Wärmeerzeugung und Energiegewinnung. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass die Stadt  nicht alle entscheidenden Bereiche direkt beeinflussen kann. Das individuelle Mobilitätsverhalten lässt sich etwa nur indirekt steuern, indem z.B. die Rahmenbedingungen für den Radverkehr verbessert werden. Teilweise steht uns auch die Landes- bzw. Bundesgesetzgebung im Weg. Hier hoffen wir auf weitreichende Verbesserungen und damit eine Erweiterung unseres Hand- lungsspielraums in absehbarer Zeit – z.B. im Hinblick auf die 10H-Regelung oder mehr Flexibilität bei der Einrichtung von Tempo- 30-Zonen und Fahrradstraßen. Angesichts dieser Einschränkungen können wir aus eigener Kraft laut KlimaKom realistisch ein Restbudget von etwa 20 Mio. Tonnen erreichen. Je nach Verbesserung der Rahmenbedingungen ist auch mehr möglich. Um diese Rahmen- bedingungen zu verändern, nutzen wir unsere Einflussmöglichkeiten – etwa über den Bayerischen sowie den Deutschen Städtetag.

Mutige Entscheidungen und konsequentes Handeln

Basierend auf den Ergebnissen der Klimastudie entwickelte das Umweltreferat unter Berücksichtigung der Impulse verschiedener Umweltgruppen das “Blue City Klimaschutz- programm”, welches als “7-Säulen-Modell” den weiteren Fahrplan mit Einsparzielen beinhaltet. Es benennt 26 neue Beschlussvorschläge, die schnell umgesetzt werden sollen. So können etwa durch eine energetische Optimierung der Straßenbeleuchtung 4.050 Tonnen CO2-e-Emissionen (von insgesamt 4.500 Tonnen CO2-e-Emissionen) eingespart werden. Insgesamt konzentriert sich das Programm v.a. auf Bereiche, die besonders ins Gewicht fallen – wie die Wärmewende. Deshalb wurde ein Konzept für ein intensives quartiersorientiertes Sanierungsprogramm erarbeitet. Auch ein umfassendes Stromkonzept, das den Ausbau der erneuerbaren Energien in Augsburg und Umgebung voranbringen wird, ist enthalten. Das “Blue City Klimaschutzprogramm” schafft die strukturell notwendigen Grundlagen für mehr Klimaschutz in Augsburg, wobei Ziele und Vorgehensweisen kontinuierlich überprüft und ggf. nachjustiert werden müssen. Begleitend zu diesem Prozess wurden in dieser Wahlperiode bereits einige konkrete Klimaschutzmaßnahmen auf den Weg gebracht. So hat etwa die “Klima-Taskforce” der Stadt Augsburg, die inzwischen als zentrale Klima-Leitstelle verstetigt wurde, Ende 2021 eine Reihe von Maßnahmen formuliert, die anschließend im Stadtrat beschlossen wurden – darunter z.B. der Ausbau des Fernwärmenetzes. Der Fernwärmeanteil an der Wärmeversorgung soll bis 2040 von bisher 20% auf 40% erhöht, also insgesamt verdoppelt werden.

Zur bestmöglichen Unterstützung des Augsburger Klimaschutzprozesses, haben auch wir als Grüne Stadtratsfraktion bereits im Vorfeld zahlreiche wichtige Entwicklungen angestoßen: etwa den Augsburger Standard für energieeffizientes Bauen und Sanieren oder eine Solarpflicht für städtische Gebäude. Uns ist sehr daran gelegen, Ansätze zu Ende zu denken und ganzheitliche Lösungen zu finden. Deshalb setzen wir uns u.a. auch dafür ein, dass beim Ausbau der Fernwärme die Nachhaltigkeit der Quellen berücksichtigt wird (s. dazu unser Antrag im Dezember 2021). Im März 2022 haben wir gemeinsam mit der CSU ein Antragspaket “Klimaschutz 2030 plus” eingereicht. Dieses Paket umfasst 13 Anträge aus den Bereichen Verkehr, Energie, Bau, Finanzen und Sport. Das Spektrum reicht von möglichen Standorten für Photovoltaikanlagen über den Ausbau der Elektroladeinfrastruktur bis zur Pflanzung von Klimahecken. Es mangelt nicht an guten Ideen und Programmen. Auch der Rückhalt aus der Bevölkerung nimmt zu. Viele engagierte Bürger*innen machen sich in Augsburg für Klimagerechtigkeit stark und bringen frischen Wind in die unterschiedlichen Gremien – z.B. am 9. März 2022, als im Rahmen einer Sondersitzung des Umweltausschusses der aktuelle Stand in Sachen Klimaschutz mit Umweltgruppen und -verbänden diskutiert wurde. Gemeinsam müssen wir neue Narrative schaffen und in die Welt tragen, denn die brauchen wir, um auch den noch- nicht-überzeugten Teil der Stadtgesellschaft für unser gemeinsames Zukunftsprojekt “Klimagerechtigkeit” zu gewinnen!

Neue Narrative

Narrative sind Erzählungen und Überzeugungen, die ganz selbstverständlich daherkommen und unser Denken und Handeln oft unbewusst prägen – also das, was wir zu wissen glauben. Wie die Annahme, dass Innenstädte aussterben, wenn man dort nicht mehr parken darf. Wir alle dürfen uns von solchen Narrativen nicht blind leiten lassen, sondern müssen sie kritisch hinterfragen und gezielt die Verbreitung neuer, starker Narrative fördern. Innenstädte können nämlich auch aufblühen, wenn sie neu gedacht und neu genutzt werden. Wenn der motorisierte Individualverkehr weniger wird und weniger “Stehzeuge” den begrenzten Straßenraum blockieren, tun sich zahllose neue Möglichkeiten auf. Dann können unsere Städte sicherer, sauberer und (klima-)freundlicher werden. Wir verzichten nicht auf Parkplätze und damit auf die Möglichkeit, mit dem Auto vor jedem Geschäft parken zu können, sondern wir gewinnen Raum, der im Sinne aller genutzt werden kann – für breite Fuß- und Radwege, für Bepflanzungen, zum Spielen, für Kultur, für konsumfreie Begegnungen, … für eine lebenswerte Zukunft in Augsburg!

 

 

 

Beteiligte Personen