Ausbeutung von Arbeitsmigrant*innen im Vorfeld der Fußball-WM in Katar, Olympische Image- Spiele in China, wo staatliche Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind – Sportgroßveranstaltungen geraten häufig wegen schlimmer Verfehlungen in Verruf und haben zudem oftmals desaströse Folgen für die Umwelt. Dass es auch anders geht, zeigt Augsburg mit der Kanu-WM 2022. Unser Grüner Sportreferent Jürgen K. Enninger hat sich sehr dafür ins Zeug gelegt, dass die Veranstaltung Bestnoten in der Kategorie “Nachhaltigkeit” erzielt. Generell versuchen wir in Augsburg, die gesamte Sportlandschaft und alles, was damit verbunden ist, nachhaltiger und klimagerechter zu gestalten. Da sind kreative Lösungen gefragt! Hier eine Bilanz, was wir bereits erreicht haben und wo noch Luft nach oben ist.

Über die Erfolge und Erfordernisse im Sport haben sich unser Grüner Sportreferent Jürgen K. Enninger und unser sportpolitischer Sprecher Serdar Akin ausgetauscht.

Serdar Akin: Lieber Jürgen, genau 50 Jahre nach der Olympiade kommt wieder ein großes Kanu-Turnier nach Augsburg. Ich freue mich riesig darauf! Gerade nach der Corona-Zeit wird das wohl einer der wichtigsten Eisbrecher im Bereich des Sports sein, der die Menschen wieder zum Aktivwerden und Mitfiebern animieren wird. Was bedeutet das Turnier für dich?

Jürgen Enninger: Ich freue mich wahnsinnig auf dieses Event! Seit den Olympischen Spielen von 1972 wird der Eiskanal vom Breitensport bis zum höchsten Spitzensport nachhaltig genutzt. In dieser Zeit gab es hier bereits zwei Weltmeisterschaften (1985 und 2003), ebenso zahlreiche Weltcup-Veranstaltungen, Europameisterschaften und Nationale Meisterschaften. Augsburg ist die Heimat von vier Olympiasieger*innen im Kanusport! Das kann sich doch sehen lassen! Dass die Kanuslalom-WM in diesem Sommer wieder am Eiskanal zu Gast sein wird, bedeutet mir sehr viel. Ich freue mich darauf, an sechs Tagen den internationalen Kanusport und seine Athlet*innen hier in Augsburg zu feiern. Ein breites und buntes kulturelles Rahmenprogramm wird die Kanut*innen und Gäste aus Augsburg und der ganzen Welt zusammenbringen, unterhalten und hoffentlich viel sportlichen und interkulturellen Dialog zwischen den Nationen ermöglichen.

Serdar Akin: Ich weiß, dass dir der Aspekt Nachhaltigkeit bei diesem Großereignis von der ersten Sekunde an ein wichtiges Anliegen war. Was können sich die Leser*innen eigentlich darunter vorstellen? Was erwartet uns?

Jürgen Enninger: Der Olympiapark am Eiskanal ist seit 2018 Teil des Augsburger UNESCO Welterbes. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal unter den aktiven Sportstätten und zugleich Verpflichtung. Daher soll die Kanu-Weltmeisterschaft so nachhaltig wie möglich geplant und umgesetzt werden und darüber hinaus auf die Problematik der weltweiten Wasserknappheit aufmerksam machen. Zusammen mit der Hochschule Augsburg und dem Büro für Nachhaltigkeit der Stadt Augsburg wurde speziell für die Kanu-WM ein Nachhaltigkeitskonzept erarbeitet und unter anderem versucht, in der gesamten Organisationskette die Emissionen von schädlichen Treibhausgasen so gering wie möglich zu halten. Ein CO2-Rechner, den wir extra vom Stadtjugendring erworben haben, wird die entstandenen Emissionen genau messen. Nach der Kanu-WM sind dann verschiedene Kompensationsmaßnahmen geplant. Bei der Erarbeitung des Nachhaltigkeitskonzeptes spielen unter anderem Themen wie ein nachhaltiges Verkehrskonzept, verschiedene Mehrwegsysteme wie der “Augsburger Becher”, der hier erstmals erprobt wird, regionale Anbieter in den Bereichen Bewirtung und Dienstleistungen und der Einsatz von energieeffizienter Technik eine zentrale Rolle. Übrigens: In den Tickets zur Kanuslalom-WM ist bereits das Ticket für den Nahverkehr (Bus und Bahn) enthalten.

Serdar, hast Du nicht kürzlich einen Prüfantrag initiiert, wo es genau um das Thema Erreichbarkeit von Sportstätten und Vereinen mit Fahrrad, Bus und Bahn geht?

Serdar Akin: Exakt. Das war im Rahmen unseres Antragspakets „Klimaschutz 2030 plus“ Insbesondere seidem wir im letzten Jahr im Stadtrat ein Restbudget von 9,7 Mio. Tonnen CO2 für Augsburg definiert haben versuche ich, in den Bereichen, die in der Grünen Stadtratsfraktion in meinen Verantwortungsbereich fallen, Ideen für kommunalpolitische Initiativen zu entwickeln. Für mich ist klar: Wenn wir die ambitionierten Klimaziele erreichen und somit unseren städtischen Beitrag zur globalen Klimagerechtigkeit leisten wollen, stehen alle politischen Ressorts in der Mitverantwortung. Schließlich gilt auch für uns Sportpolitiker*innen ein bekannter Satz in abgewandelter Form: „There is no sports on a dead planet!“ Mir ist dabei zunächst ein Bild aus meiner Jugendzeit als Fußballspieler in einem Augsburger Verein eingefallen: Die elf Spieler einer Mannschaft werden von elf Müttern oder Vätern in elf Autos zum Samstagsspiel zur Sportstätte gefahren. Muss das sein? Wohl leider ja, wenn die Erreichbarkeit der Sportvereine bzw. Sportstätten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur „Sportzeit“, also meistens in den Abendstunden oder an Wochenenden, nicht ausreichend gegeben ist. Deshalb soll nun genau geprüft werden, wie gut die Sportstätten und Sportvereine in unserer Stadt aktuell mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Dabei gilt es, den Fokus eben genau auf die Uhrzeiten und Wochentage zu legen, zu denen diese Orte stark frequentiert sind. Mir war wichtig, dass auch die Sportvereine bzw. Betreibenden dieser Sportstätten im Rahmen dieser Prüfung konsultiert und ihre Bedarfe abgefragt werden, denn eine langfristig tragfähige Klimapolitik sollte diejenigen mitnehmen, die von den Maßnahmen betroffen sind! Im zweiten Schritt gilt es dann darauf zu schauen, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit möglichst viele Menschen das Auto stehenlassen und mit Bus und Bahn zum Sport(event) fahren. Jeder Kilometer, der statt mit dem motorisierten Individualverkehr mit Bus und Bahn zurückgelegt wird, ist schließlich ein Gewinn für das Klima in unserer Stadt. Ich freue mich, wenn mit diesem Prüfantrag eine Verbesserung in die Wege geleitet wird. Jürgen, habt ihr im Sportreferat eigentlich auch Punkte wie “Photovoltaik auf den Dächern der Sportstätten” oder “Mehrweg im Sport” im Blick? Welchen Stellenwert hat der Klimaschutz im Sport?

Jürgen Enninger: Klimaschutz ist die Querschnittsherausforderung unserer Generation und muss also auch im Sport ihren Niederschlag finden. Viele Sportler*innen haben sich die nachhaltige Nutzung von Sportstätten schon selbst zur Aufgabe gemacht. Gerade am Eiskanal oder im Siebentischwald ist das Miteinander von Klimaschutz und Sport gängige Praxis. Dies spiegeln auch die Sportförderrichtlinien des Freistaates Bayern wider, die z.B. nachhaltiges Bauen in unserem Fall für Sportstätten ausdrücklich unterstützen. Uns als Augsburger Sportverwaltung ist es wichtig, diese Aufgabe nicht nur zu unterstützen, sondern fortlaufend an der Entwicklung nachhaltiger Lösungen zu arbeiten. Das gilt für Sportveranstaltungen selbst, wie z.B. der vorher genannten CO2-Rechner für die Kanu-WM, aber umfasst z.B. auch eine Klima-Checkliste für Veranstaltungen. Darunter fallen zudem bauliche Maßnahmen, etwa die Sanierung der Erhard-Wunderlich-Sporthalle oder die Unterstützung von Vereinen bei der Verbesserung der Klimabilanz ihrer Bauten. Da gibt es auf jeden Fall noch genug Potenzial, das wir künftig nutzen und entwickeln können!

 

Beteiligte Personen