von Claudia Roth

Im Juli 2019 kam aus Paris die freudige Nachricht: Die langjährig vorbereitete Bewerbung Augsburgs als UNES- CO-Welterbe wurde angenommen. Das Augsburger-Wasser- management-System ist seit diesem Jahr nun einer von acht UNESCO-Welterbe-Orten in Bayern und zugleich Teil des weltumspannenden Bandes an ausgezeichneten Orten.

Schutz des Kultur- und Naturerbes unserer Welt

Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) wurde 1945 als Sonderorganisation der Vereinten Nationen gegründet und trägt den Leitspruch „Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden“. Die ersten Ernennungen als UNESCO Welterbe erfolgten allerdings erst Jahre später. Das „Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“, auf dem die heutige Verleihung zum UNESCO Weltkulturerbe beruht, basiert nicht auf Ehrungen, sondern auf einem Bedrohungsszenario: Durch den Bau eines Staudammes am Nil wurden die jahrtausendealten Denkmäler in Nubien bedroht. Um der Zerstörung solcher Kulturgüter entgegenzuwirken, wurde international 1972 das Übereinkommen getroffen.
Achtsamer Umgang mit unserem kostbarsten Gut Die Ernennung zum Welterbe ist somit nicht nur eine Auszeichnung und Würdigung von bisher schon Geleistetem, sondern viel mehr ein Apell auch künftig schützend mit dem Kultur- oder Naturgut umzugehen. Dieser mahnende Charakter muss auch weiterhin als solcher gesehen werden: So stolz wir heute als Augsburger auf unser Wassersystem sind, so sehr zeigt die Ernennung auch wie achtsam wir damit umgehen müssen. Die Vielfalt der Welterbestätten zeigt sich bei einem Blick auf die anderen Orte in unserem Land. Darunter sind zum Beispiel die historischen Altstädte von Bamberg, Lübeck, Stralsund und Weimar, die Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin, die Domkathedralen zu Aachen und Speyer, die Klosteranlagen Lorsch und Maulbronn, das Schloss Augustusburg in Brühl und die Wartburg, die Würzburger Residenz, die Museumsinsel in Berlin und die Zeche Zollverein in Essen.

Unser Wassersystem ist einzigartig

Jedes Welterbe zeichnet aus, dass es einmalig in seiner Art ist. Dies gilt auch für unsere Ernennung: Augsburgs Wassermanagement-System ist weltweit einmalig. Mit unserer Fluss-, Bach- und Kanallandschaft, mit den Prachtbrunnen am Rathausplatz und in der Maximilianstraße und mit den Wasserkraftwerken besitzt die Stadt beeindruckende Denkmäler der Wasserwirtschaft und Wasserkunst. Nicht ein Ort oder ein Gebäude wurde als Weltererbe ausgezeichnet, sondern die gesamte Entwicklung der Wasserbewirtschaftung und Wasserversorgung vom Mittelalter bis heute. Was genau Augsburgs Wasserwirtschaft welterbewürdig macht, ist sehr vielfältig. Schon seit dem Jahr 1416 wurde das Wasserwerk am Roten Tor betrieben, das wir heute als Ensemble mit den beeindruckenden Wassertürmen kennen, und über das Trinkwasser aus dem Stadtwald zu den Brunnen geführt wurde.  Als Vorreiter in ganz Europa hat Augsburg bereits seit dem Jahr 1545 durch die Trennung von Brauch- und Trinkwasser die wertvolle Ressource Wasser effizient genutzt. Sauberes Trinkwasser war immer auch ein wichtiger Beitrag gegen die Verbreitung von Seuchen und Krankheiten. Viele Besucherinnen und Besucher der damaligen Zeit staunen in ihren Reiseberichten über die Ingenieurskunst – aber schon damals auch über eine dauerhafte Sicherung der Quellbäche aus den umliegenden Waldgebieten und den Transport in die Stadt. Bis heute ist der Trinkwasserschutz im Siebentischwald ein zentraler Bestandteil der hochwertigen Wasserversorgung für mehr als 300.000 Menschen. Damit dies auch so bleibt, muss Augsburg, sowie alle gelisteten Welterbestätten, regelmäßig an die UNESCO berichten. Und bereits bei der Bewerbung als Welterbe wurde ein Plan vorgelegt, in dem Schutzmaßnahmen festgehalten sind – aber auch wie das Kulturgut in Zukunft nachhaltig genutzt werden kann.

Nachhaltiger Umgang mit unserem Wassersystem

Nachhaltigkeit ist eine zentrale Verpflichtung des Welterbes, denn der Gedanke des Erbes ist hierbei in eine zukunftsweisende Richtung gedacht – künftigen Generationen soll die Kultur und Natur weitergegeben werden. Auf Augsburg kommt mit der Ernennung als Welterbe auch ein Vermittlungs- und Bildungsauftrag zu. Unsere langjährige Erfahrung und unser Wissen um die nachhaltige Nutzung des Wassers soll auch über Augsburg hinaus dazu beitragen, Konflikte und Kriege um die knappe Ressource Wasser zu vermeiden. Zusammen mit der Augsburger Zivilgesellschaft, den Kultur- und Naturschützern, den Studierenden und Lehrenden an der Universität und der Hochschule und auch mit Augsburger Unternehmen ist es nun an uns allen, den Welterbe-Titel mit Leben zu füllen. Weltweit steigt das Interesse an Lösungen, wie in Zeiten der Klimakrise einer weiteren Verschärfung von Wasserknappheit entgegen getreten werden kann. Auch deshalb haben die Vereinten Nationen im Jahr 2010 das Recht auf Wasser als ein Menschenrecht anerkannt. Daher fordern wir, dass Wasser nirgendwo auf der Welt Spekulationsobjekt sein darf. Im Jahr 2019 haben, so berichtet UNICEF, bereits mehr als 2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Hier verbindet sich die neue Anerkennung als UNESCO-Welterbe mit der langjährigen Tradition Augsburgs als Friedensstadt. Augsburg hat bereits in der Vergangenheit eines der Hohen Friedensfeste unter das Motto „Frieden und Wasser“ gestellt. In Zukunft wird die Verbindung noch deutlicher hervortreten, denn anhand des Wassers wird sich immer öfter die Frage nach Krieg oder Frieden stellen. Hier können wir beispielhafte Kooperationen eingehen und auch von kommunaler Ebene aus einen Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit leisten.

Augsburger Schule als Projektschule

Ein erstrebenswertes Ziel wäre es zudem, wenn sich eine Augsburger Schule auf den Weg macht, um UNESCO- Projektschule zu werden. Diese Schulen verankern in ihren Schulprofilen und Leitbildern die Ziele und Werte der UNESCO und setzen sich für Frieden, Weltoffenheit und nachhaltige Entwicklung ein. Besonders aber, so zeigen es positive Beispiele in anderen Städten, können die Projektschulen im Schulalltag und bei der pädagogischen Arbeit auf die lokale Welterbestätte eingehen. Und natürlich werden in den kommenden Jahren mehr Menschen Augsburg besuchen wollen, um das Welterbe kennenzulernen. Der UNESCO-Auftrag ist es ja auch, das Kulturgut, in unserem Fall das Augsburger Wassermanagement-System, möglichst vielen Menschen nahezubringen. Der Fokus sollte aber von Anfang an ausdrücklich auf nachhaltigem und naturschonendem Tourismus liegen, was die Angebote vor Ort sowie auch die Frage der Anreise und der Programmgestaltung betrifft. Auch im Bereich des Tourismus ist es wichtig, einen Beitrag zu leisten für ein nachhaltiges Welterbe. Dieses für die kommenden Generationen zu bewahren ist unser Auftrag.

 

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