von Reiner Erben

Augsburg im Digitalisierungs- Wandel
Einfach in Tram oder Bus in Augsburg einsteigen, losfahren und am Ziel austeigen? Kein Gesuche nach dem günstigsten Tarif. Kein Abwägen, ab wie vielen Fahrten sich ein Abo lohnt. Zukunftsmusik, Science-Fiction, Utopie?

Nein. Das System dahinter wird schon in Städten, wie London, Amsterdam, Lissabon oder Singapur eingesetzt. Es heißt Check-in, Check-out (CICO). Eine Chipkarte erfasst die zurückgelegte Entfernung. Kund*innen erfahren individuell zugeschnitten die günstigste Option für sie.

Neu ist nun das digitale Modell: Be-in, Be-out. Hier wird die Chipkarte durch das Smartphone ersetzt. Der Vorteil liegt auf der Hand. Flexibel kann jede*r mit entsprechender App das System nutzen: Tourist*innen, Spontan-Fahrer*innen oder Geschäftsreisende. Auch in Augsburg wird über ein solches System nachgedacht. Die Investitionskosten werden auf 300.000 Euro geschätzt. Dass Augsburg an solchen Systemen interessiert ist und Förderanträge stellt, ist dem Masterplan nachhaltige und emissionsfreie Mobilität zu verdanken. Umweltfreundlich, auf das jeweilige Mobilitätsverhalten zugeschnitten und öffentlich. So will Augsburg die Mobilität in Zukunft ausrichten. Digitale Projekte sind hierbei wesentliche Bestandteile. So wird eine neue Mobilitäts-App entwickelt, die viele einzelne Apps vereint und benutzer*innenfreundlich aufgebaut ist. Digitale-Apps sind maßgeschneidert auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Nutzer*innen. Wenn eine Strecke zum Teil mit dem Carsharing-Auto, dann mit der Tram und vielleicht spontan noch mit dem Leihrad zurückgelegt wird, bündeln, steuern und organisieren digitale Systeme die einzelnen Abschnitte zu einer einfach zu nutzenden Strecke.

Die Digitalisierung und neue Computersysteme werden immer wichtiger in unserer städtischen Infrastruktur. Intelligente Ampelschaltungen, ein stadtweites Verkehrs-Datennetzwerk, Dauerzählstellen für den Radverkehr oder WLAN-Bandbreitenerweiterung in Bus und Straßenbahn. Auch neue verbesserte digitale Fahrgastinformationen an Haltestellen und in den Sozialen Netzwerken gehören zur Digitalisierungsoffensive der Stadt.

Masterplan nachhaltige und emissionsfreie Mobilität
In Augsburg kommt es wie in vielen anderen Großstädten zu regelmäßigen Überschreitungen des Grenzwertes für Stickstoffdioxid, überwiegend verursacht durch den Verkehr mit Dieselfahrzeugen. Die Stadt Augsburg hat innerhalb von vier Monaten den Masterplan nachhaltige und emissionsfreie Mobilität aufgestellt. Hier werden Rahmenbedingungen und inhaltliche Schwerpunkte zusammengeführt und Ziele benannt.

So wurde die Grundlage dafür gelegt, wie in Augsburg in den nächsten Jahren umwelt- und benutzerfreundliche Mobilität um- und ausgebaut werden muss. Auch Bund und Länder haben erkannt: Wir müssen jetzt handeln, um die Mobilität für alle zu sichern. Wir stellen jetzt die Weichen, um die Gesundheit und die Umwelt zu schützen und um die Aufenthalts- und Lebensqualität in unserer Stadt zu verbessern. Ein Maßnahmen-Schwerpunkt ist hier die Digitalisierung.

Digitalisierung und Vernetzung im ÖPNV
Intelligente Verkehrssysteme, die Daten generieren, in Echtzeit bereitstellen, vernetzen und verarbeiten: Dies kann für einzelne Verkehrsmittel separat bestehend aber im besten Fall auch Verkehrsmittel übergreifend geschehen. Ziel ist es also, bestehende Verkehrsmittel zu optimieren und zu vernetzen, um das Gesamtsystem nachhaltiger zu gestalten. Auch die Erfassung und Erarbeitung von Grundlagendaten ist ein Schwerpunkt des Masterplans.

So können einerseits Verbesserungen im Motorisierten Individualverkehr hergestellt werden; insbesondere durch die Optimierung der Verkehrssteuerung und –lenkung. Noch wichtiger ist jedoch die digitale Vernetzung von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln. Hier kommt der Gedanke ‚Mobility as a Service‘ ins Spiel.

Die entsprechenden Angebote – ÖPNV, Bikesharing, Carsharing, Radinfrastruktur, Fußgängerinneninfrastruktur – sind in Augsburg bereits vorhanden. Trotzdem besteht hier natürlich Potenzial, alles weiter zu optimieren.
Der Schwerpunkt Digitalisierung und Vernetzung heißt nun konkret: Wegeketten durch die Bereitstellung datenbasierter Angebote zu optimieren und attraktiver zu gestalten. Langfristig soll dadurch die Gesamtattraktivität nachhaltiger und emissionsfreier Mobilität steigen.

Smart City – die vernetzte digitale Stadt Augsburg
Das Smartphone erinnert daran, die richtige Mülltonne rechtzeitig rauszustellen. Anstatt alles vor Ort im Amt zu machen, in Zukunft von daheim aus digital? Digitalisierung bietet Städten wie Augsburg die Chance, immer vernetzter und schneller zu agieren.

Die App des Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungsbetriebes (aws) erinnert schon heute nicht nur schlicht an Müllabfuhrtermine. Mit ihr können sämtliche Serviceangebote des AWS in Anspruch genommen werden: Zum Beispiel einen Sperrmüll-Termin buchen oder den nächsten Entsorgungscontainer suchen.

Die Augsburger Bürgerbüros entwickeln ihr digitales Angebot weiter. Termine online buchen, Wartezeiten verringern und so Termine schnell erledigen. Das geht schon heute. Auch können viele Vorgänge online durchgeführt werden. Voraussetzung sind hier entsprechende Funktionen des neuen Personalausweises.

Effizientes Abfallmanagement und die Energieversorgung passgenau abstimmen, dient dem Umweltschutz. Den Zugang der Bürger*innen zu Daten durch den Aufbau einer digitalen Infrastruktur zu verbessern, stärkt unseren Wirtschaftsstandort. Unser öffentlicher Raum wird immer stärker verdichtet. Digitalisierung kann diesen Prozess optimieren. In unserer Verwaltung können wir also Kosten einsparen und unsere Planungen zielgerichteter durchführen. Digitale Kommunikation im Zusammenspiel mit einem besseren Dialog-Management hilft uns, besser mit unseren Bürger*innen zusammenzuarbeiten und wirklich zu verstehen, was unsere Stadtgesellschaft bewegt.

Eierlegende Wollmilchsau Digitalisierung?
Ist also Digitalisierung das Allheilmittel aller Probleme? Bleiben wir im Bereich Mobilität und städtische Infrastruktur.

Autos können schon heute rein technisch gesehen autonom fahren. Die Frage ist: Werden so die Mobilitäts-Herausforderungen der Zukunft angepackt? Autonome Autos könnten in der Theorie erst Anna, die Ingenieurin morgens in ihr Büro fahren, dann selbstständig nach Hause fahren, um Ali und die Kinder für einen Ausflug abzuholen. Wo in vielen Hauhalten alltäglich heute noch mehrere Autos gebraucht werden, genügt dann nur noch ein (autonomes) Auto. Viele Autos stehen momentan ganztags auf verschiedenen Parkplätzen: Daheim, beim Einkaufen, beim Arbeiten. So verbrauchen Parkplätze unglaublich viel Platz. Vor allem in Städten wie Augsburg, in denen Wohnraum und Grünflächen knapp sind, könnte so viel Platz gewonnen werden, da weniger Parkplätze notwendig wären.

So zumindest in der Theorie. Befürchtungen werden aber auch immer lauter, dass autonome Autos nur dazu führen, dass immer mehr Menschen komplett auf individuelle motorisierte Verkehrsmittel umsteigen. Ob ein Auto autonom fährt, mit Verbrennungsmotor oder voll elektrisch. Alle Autos nehmen Platz auf unseren Straßen ein, auch können nicht alle Parkplätze umgebaut werden. Würden also autonome Autos immer mehr Menschen dazu animieren, nicht mehr den ÖPNV zu nutzen, zu Fuß zu gehen oder das Fahrrad zu nehmen?

Autonome-Fahrzeuge in ÖPNV-Konzepte zu integrieren und so neue Räume im ÖPNV-Netz zu erschließen umgeht dieses Problem. Die Digitalisierung kann helfen, den Verkehrsfluss flüssig laufen zu lassen. Digitalisierung darf aber nicht dem Gießkannensystem gleich, überall zum Einsatz kommen mit dem Ziel, alle Probleme und Herausforderungen zu lösen.

Digitalisierung in enger Vernetzung mit dem ÖPNV. Vernetzte digitale Park + Ride aber auch Bike + Ride Angebote schaffen. Digitalisierung konkret einsetzen, um ÖPNV komfortabler zu gestalten. Unsere Verwaltung effizienter, vernetzter und zugänglicher aufbauen. So kann Digitalisierung nachhaltig gelingen.

Dies kann aber nur Hand in Hand mit starken Datenschutzrechten aller Bürger*innen gehen. Datenschutz muss auch in vernetzten Systemen gewährleistet werden. Viele der hier vorgestellten Projekte, Ideen und Systeme können von Viren und Cyber-Angriffen betroffen sein. Vernetzte ÖPNV-Systeme und Apps machen Bürger*innen unter Umständen „gläsern“. Ihr Mobilitätsverhalten kann so schnell erfasst und ausgewertet werden.

Digitale Systeme, smarte Infrastruktur und die voranschreitende Digitalisierung werden unsere Stadt revolutionieren. Wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Mobilitätszeitalter. Risiken und Probleme müssen wir hier frühzeitig beachten und reflektieren. Datenschutz fest verankern. Dann können wir die Vorteile der Digitalisierung voll nutzen.

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