von Stadträtin Eva Leipprand

Immer wieder ist in den Medien zu lesen, die Kosten des Augsburger Textilmuseums seien von 2 auf 22 Millionen Euro gestiegen. Dies geht an den Tatsachen völlig vorbei. Richtig ist, dass die Kosten für das tim bei der Übergabe an den Freistaat bei rund 22 Mio € lagen (und damit keineswegs über dem Durchschnitt für ein Museum dieser Art). Ausgangslage und Entwicklung stellen sich aber völlig anders dar als in der zitierten Behauptung.

Das tim hat eine lange Geschichte, in deren Verlauf sich das Projekt in seiner Konstruktion grundlegend verändert hat. Der ursprüngliche Plan, fertige Museumsräume im Glaspalast auf unbegrenzte Zeit anzumieten, wurde aufgegeben zugunsten einer Kauflösung mit Sanierung und Ausbau durch die Stadt und Übergabe des fertigen Museums an den Freistaat. Die Stadt musste also einmalig einen höheren Beitrag leisten, dafür fielen die Folgekosten weg. Insofern sind die ursprünglichen Kostenschätzungen nicht vergleichbar mit dem, was das Museum am Ende gekostet hat.

Jahrelang forderten Freundinnen und Freunde der Industriekultur und vor allem der Förder- und Freundeskreis tim e.V. ein Textilmuseum für Augsburg, um nach dem Zusammenbrechen der Textilproduktion das Erbe dieses für Augsburg so wichtigen Industriezweiges zu erhalten. Als die Stadt das NAK-Stoffmusterarchiv erwarb, erhielten die Pläne Auftrieb. Im Jahr 2001 wurde zwischen Stadt, Bezirk und Freistaat eine Grundsatzvereinbarung für ein Textilmuseum geschlossen und für die Einrichtungskosten ein Betrag von 4 Mio € angesetzt. Als Standort war das Erdgeschoss im Glaspalast angedacht. Stadt und Bezirk sollten dem Freistaat die Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, d.h. Mietkosten und Betriebskosten auf unbestimmte Zeit übernehmen; Folgekosten also, die sich im Lauf der Jahre auf Millionenbeträge summiert hätten.

Kurz vor dem Regierungswechsel 2002 wurden aufgrund vertiefter Planungen genauere Kostenberechnungen angestellt. Bei einem Standortvergleich durch die Museumsfachleute schnitt das AKS-Gelände besser ab als der Glaspalast und wurde daraufhin durch Stadtratsbeschluss als Standort festgelegt. In dem Auf und Ab dieser schwierigen Phase – mehrmals hing das Schicksal des tim am seidenen Faden – spielte die Bewerbung Augsburgs um den Titel einer Kulturhauptstadt eine nicht unerhebliche Rolle. Am 10. 09.2002 rief das Kulturreferat alle Interessierten zu einem Runden Tisch Industriekultur zusammen. Das tim und mit ihm das Textilviertel und die glanzvolle Industriekultur in Augsburg wurden als einSchwerpunkt der Bewerbung herausgearbeitet.

Im Mai 2003 sprach sich dann der Bezirk Schwaben, der die Folgekosten des Museumsprojektes scheute, für eine reine Investitionslösung aus. Das Gebäude sollte gekauft und von Stadt und Bezirk gemeinsam saniert und ausgebaut werden. Zur Ablösung seines Anteils an den Kosten übergab der Bezirk ein Grundstück im Augsburger Osten an die Stadt.

Ab jetzt war die Stadt allein in der Pflicht, hatte aber den Freistaat als verlässlichen Partner an ihrer Seite. Der damalige bayerische Kunstminister Hans Zehetmair unterstützte die Augsburger Bewerbung um den Titel einer Kulturhauptstadt. Auf der Ministerratssitzung vom Juni 2003 erklärte der Freistaat seine Bereitschaft, das neue Museum nach der Fertigstellung komplett zu übernehmen und die Errichtung mit entsprechenden Zuschüssen zu unterstützen. Damit fielen für die Stadt die Folgekosten weg. Allerdings wuchsen auch die Erwartungen an das tim. Als erstes Landesmuseum in Schwaben sollte es für ganz Bayern die Geschichte der Textil- und Industriekultur erzählen. Ein Architektenwettbewerb wurde ausgelobt, der Auftrag ging an das international renommierte Büro Kada aus Graz. Mit der Einrichtung wurde das Atelier Brückner aus Stuttgart beauftragt. Die Grundsteinlegung erfolgte am 30.07.2007, die Eröffnung am 20.01.2010. Vor kurzem wurde der millionste Besucher gefeiert, ein großer Erfolg.

Das tim ist für Augsburg von unschätzbarem Wert. Es erzählt von der Zeit, in der Augsburg mit seiner Industrie europäische Bedeutung erlangte und sich Stadtbild wie Bevölkerungsstruktur grundlegend veränderten. Die Geschichte von zigtausenden Augsburger Familien, auch vieler, die in den 60er Jahren zugewandert sind, ist aufs engste mit der Textilindustrie verbunden; jetzt ist diese Geschichte, mit Freud und Leid, „museumswürdig“ geworden und ins kulturelle Gedächtnis der Stadt aufgenommen. Das tim hat viel dazu beigetragen, dass die Industriekultur als Teil unserer Stadtidentität wahrgenommen wurde, und fördert auf diese Weise den Zusammenhalt in der Stadt. Als offenes Museum lädt es auch immer wieder zu Veranstaltungen ein, die die Brücke zu Gegenwart und Zukunft schlagen, wie soeben mit der Ausstellung „Augsburg 2040“. Das tim ist aus Augsburg nicht mehr wegzudenken.

Das tim ist auch ein Beispiel dafür, wie man mit Kultur Stadtentwicklung betreiben kann. Die Errichtung des Museums gab den Anstoß für ein hochwertiges integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK), das nun Schritt für Schritt umgesetzt wird. Das Textilviertel, das zur Einkaufsmeile herabzusinken drohte, wurde enorm aufgewertet und in hoher Qualität weiterentwickelt. Die charakteristische Stadtlandschaft ist erkennbar geblieben. So ist aus einem vergessenen Stadtteil ein Vorzeigeviertel geworden.