Soziokratie ist Haltung und Methode und ein bewährtes Mittel, um allen Beteiligten gerecht zu werden und vielfältige Interessen unter einen Hut zu bekommen. Die Erfahrung zeigt: Für Beteiligungsprozesse hat Soziokratie einen unschätzbaren Mehrwert! Wir GRÜNEN wollen dieses Potenzial für den Ausbau der Bürger*innenbeteiligung nutzen!

Soziokratie fördert Kommunikation auf Augenhöhe und das Prinzip der Gleichwertigkeit. Sie holt die Menschen ab in ihrem Grundbedürfnis nach Autonomie, Freiheit, Mitbestimmung und intentionalem, sinnstiftendem Handeln. Auf dieser Basis können Gemeinschaftsgefühl, Vertrauen und ein kooperatives Miteinander auf allen Ebenen wachsen – angefangen bei den kleinsten demokratischen Zellen, den Familien und Nachbarschaften über Vereine, Organisationen und Verbände bis hin zu politischen Gremien. Soziokratie schafft übrigens Hierarchien nicht per se ab, jedoch werden alle gehört und an der Verantwortung beteiligt. Darin liegt ihre große Stärke. Auch für die Gestaltung von Bürger*innenbeteiligung ist der Mehrwert enorm – schließlich sollen hier im Idealfall sehr unterschiedliche Bedürfnisse auf einen Nenner gebracht werden, um langfristig tragfähige, kreative Lösungen zu finden, mit denen alle Beteiligten gut leben können.

Soziokratie – Was ist das eigentlich?

Soziokratie ist eine Methode und zugleich eine Haltung. Der dynamische Prozess basiert auf vier Grundprinzipien:

Konsentprinzip: Ein Beschluss ist erst gefasst, wenn kein Kreismitglied einen schwerwiegenden Einwand im Hinblick auf das gemeinsame Ziel hat. Dabei müssen nicht zwangsläufig alle Beteiligten explizit dafür sein, wie es beim Konsens der Fall wäre.

Kreisorganisationsprinzip: Kreise treffen innerhalb definierter Grenzen autonom ihre Grundsatzentscheidungen. Die Kreismitglieder sind alle gleichberechtigt an der Entscheidungsfindung beteiligt.

Doppelte Verknüpfung: Alle über- und untergeordneten Kreise einer Organisation sind durch Leitung und Delegierte miteinander verbunden. Die Kommunikation funktioniert grundsätzlich in beide Richtungen – „Top- down“ ebenso wie „Bottom-up“.

Offene Wahlen: Die Rollen werden nach offener Argumentation im Konsent gewählt.

Der soziokratische Prozess

Die Arbeitsweise in den Kreistreffen folgt einer bewährten Struktur: In einer Ankommensrunde stimmt man sich auf das gemeinsame Ziel der Sitzung ein. Nach Klärung organisatorischer Fragen und Abstimmung der Agenda folgt eine Bildformung auf Basis von Berichten, Vorschlägen oder Grundsatzentscheidungen zu wichtigen Themen. Wenn alle wesentlichen Fragen geklärt sind, beginnt die erste Meinungsrunde, bei der Kreismitglieder nacheinander zu Wort kommen. In der zweiten Meinungsrunde besteht die Möglichkeit, weitere Aspekte anzusprechen oder seine Meinung nach Abwägung aller gehörten Argumente ggf. auch zu ändern. Die zweite Runde bewirkt, dass Menschen aufeinander eingehen können und gemeinsam starke Entscheidungen treffen. Beim zum Konsent geäußerten Beschlussvorschlag geht es nicht darum, eine für ALLE BESTE Lösung zu finden, sondern eine Lösung, bei der möglichst alle mitgehen können. Schwerwiegende Einwände werden integriert, bis der Vorschlag gut genug ist, um an den Start zu gehen und Risiken im Hinblick auf das Erreichen des gemeinsamen Zieles vertretbar sind. Bei der Abschlussrunde wird gemessen, was in der Sitzung (Vorbereitung, Ablauf, Zielerreichung, Moderation) gut lief und wo nachgebessert werden muss. Dieses Messsystem gehört zum Basis-Instrumentarium der Soziokratie. Jeder Beschluss hat ein „Ablaufdatum“, an dem überprüft wird, ob die Eckpunkte noch passen oder ob es einer Nachsteuerung bedarf. Statt in oft endlosen, anstrengenden Diskussionen im Rahmen herkömmlicher Entscheidungsfindungsprozesse einigt man sich in einem soziokratisch moderierten Prozess relativ schnell auf einen gangbaren Weg im Wissen um eine konstruktive und offene Fehlerkultur, zu der regelmäßige Feedbackschleifen und notwendige Korrekturen dazugehören.

Soziokratische Elemente in Politik und Verwaltung zur Unterstützung kreativer Lösungen

In Augsburg wurde die Soziokratie 2015 über die Lokale Agenda 21 eingeführt. Seitdem belegen mehr und mehr Agendamitglieder und städtische Angestellte an der Stadtakademie Module der soziokratischen Gesprächsführung. Soziokratische Elemente finden Anwendung bei den monatlichen Agendasitzungen und im Nachhaltigkeitsbeirat und führen bei Runden Tischen der Stadtverwaltung zu überraschenden Konsentlösungen. So war etwa im Anschluss an den „Runden Tisch Jobcenter“ die seit Jahren diskutierte Jobcenterzulage wider Erwarten doch möglich.

Vernetzte Nachbarschaften als Inseln eines inklusiven Miteinanders

Unter Federführung der Agendaforen „Soziokratie Zentrum Augsburg“ und „Lebensraum Schwabencenter“ beteiligt sich die Stadt Augsburg als Vertragspartnerin an dem EU- Projekt SONEC (Sociocratic Neighborhood Circles). Bis Ende 2022 werden die Projektpartner*innen aus sieben europäischen Ländern ein Handbuch für Kommunen vorlegen. Es soll anhand von Best-Practice-Beispielen soziokratischer Nachbarschaftskreise aufzeigen, wie Nachbarschaftsstrukturen und -aktionen dabei helfen können, die UN-Nachhaltigkeitsziele mit möglichst allen Menschen im Stadtteil gemeinsam anzugehen. Ein solches Pilotprojekt ist in Augsburg in enger Kooperation mit dem Quartiersmanagement Jakobervorstadt Nord unter dem Titel „Lebendige Nachbarschaft Am Bogen“ bereits am Start und wird u. a. vom Bundesprogramm „Demokratie Leben!“ unterstützt. Dieser erste soziokratische Nachbarschaftskreis in Augsburg hat bereits tolle Erfolge erzielt: Für die Gestaltung des öffentlichen Spielplatzes wurden Ideen der Nachbarschaft miteinbezogen. Nachbar*innen rund um diese Grünanlage engagieren sich bei Gemeinschaftsaktionen im Umfeld wie z. B. beim Müllsammeln oder dem Bau eines Komposters. Dieser wurde gewünscht, da einige Haushalte „Am Bogen” keine Bio-Tonne haben.

Inspiriert von diesen positiven Erfahrungen wollen wir GRÜNEN uns dafür einsetzen, dass Soziokratie im Bereich Bürger*innenbeteiligung künftig einen festen Platz hat. Anlässe gibt es genug; mit geeigneten Mitteln verwandeln wir sie in Chancen – für inklusive Prozesse, die kreative, gerechte und zukunftsfähige Lösungen für Augsburg zutage fördern!

 

 

 

Beteiligte Personen