Status: TOP vertagt, Thema an Ältestenrat verwiesen, letztlich abgelehnt

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

unsere Fraktion ist nach Prüfung der Umstände, unter denen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für das Asphaltmischwerk der BAM erteilt worden ist, der Meinung, dass es dringend einer Klärung der rechtlichen Situation bedarf. Wir brauchen eine solche Klärung, die unsere Entscheidung als Stadträte auf eine rechtssichere Grundlage stellt, um Schaden von den Betroffenen, aber auch von der Stadt abzuhalten. Die Stellungnahme der Verwaltung reicht hier nicht aus und lässt wesentliche Fragen offen. Deshalb stellen wir für die Stadtratssitzung am 4.10.12 folgenden

Antrag:

Aufgrund der schwierigen rechtlichen Einordnungen wird vom Stadtrat eine grundsätzliche, unabhängige rechtliche Begutachtung des betreffenden Falles beauftragt, bevor weitere Entscheidungen des Stadtrats getroffen werden.

Folgende Fragen sind zu klären:
1. Waren die städtischen Gremien (Stadtrat, Bauausschuss, Umweltausschuss) in das Genehmigungsverfahren einzubeziehen?
1.1. Entscheidungszuständigkeit des Umweltausschusses
Hier beruft sich die Verwaltung darauf, dass die Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG hätte erteilt werden dürfen und damit der Ausschuss nicht zuständig gewesen wäre und es daher unerheblich sei, dass die Genehmigung (auf Antrag) im förmlichen Verfahren erteilt worden sei. Nach dem Wortlaut der GeschO ist das jedoch unerheblich; hier wird nur auf die Durchführung des förmlichen Verfahrens abgestellt.
Die freiwillige Durchführung eines förmlichen Verfahrens hat nicht nur eine umfangreichere Beteiligung der Öffentlichkeit zur Folge, sondern zieht auch weit reichende Präklusionswirkungen nach sich, mit der Folge, dass Abwehransprüche betroffener Nachbarn nach Ablauf des Genehmigungsverfahrens weitgehend ausgeschlossen sind. Auch diese Rechtsfolge spricht dafür, dass eine Entscheidung des zuständigen Ausschusses bzw. des Stadtrats notwendig war.

Selbst wenn man keine zwingende Aufgabenzuweisung an den Umweltausschuss aus § 9 Abs. 1 Nr. 12 GeschO sieht, scheint es doch mehr als fraglich, ob die Genehmigung eines Asphaltmischwerks mit erheblichen Auswirkungen auf die umliegenden Gewerbebetriebe noch eine „Angelegenheit der laufenden Verwaltung“ darstellt; insbesondere wenn man weiß, dass das betreffende Gebiet zwar als Industriegebiet ausgewiesen ist, es sich faktisch jedoch um ein hochwertiges Gewerbegebiet handelt und es offensichtlich sein musste, dass es hier zu einer massiven Konfliktsituation kommen würde.

1.2. Information und Einbeziehung des Bauausschusses
Aus unserer Sicht gibt es nachvollziehbare Argumente, warum auch der Bauausschuss hätte einbezogen werden müssen. Im vorliegenden Fall hätte der Bauausschuss bei Vorliegen der Fakten und bei Kenntnis der problematischen Ansiedlung planungsrechtliche Instrumente ergreifen (Veränderungssperre, Zurückstellung des Baugesuchs), eine Stellungnahme abgeben oder auch rechtzeitig nach Alternativlösungen suchen können, um die jetzt entstandene Konfliktlage zu vermeiden. Die Genehmigung wäre so vielleicht nicht erteilt worden.

1.3. Wenn eine Beteiligung der städtischen Gremien rechtlich notwendig gewesen ist, ist die Frage zu beantworten, welche Konsequenzen dies hätte?

2. Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung?
Auch diese Frage muss aus unserer Sicht umfassend gutachterlich geklärt werden, da hiermit weit reichende Konsequenzen und eventuelle Haftungsfragen verbunden sein können.

Erläuterung:
Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist zwar eine Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die Betreiberpflichten des § 5 BImSchG erfüllt werden und dass auch andere öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Anlage nicht entgegenstehen. Allerdings dürfen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG von einer genehmigungsbedürftigen Anlage nicht nur keine schädlichen Umwelteinwirkungen und keine sonstigen Gefahren ausgehen, sondern auch keine erheblichen Nachteile und erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden.

Nach unserer Kenntnis haben erst ein halbes Jahr nach Erteilung der Genehmigung im Sommer 2012 erste Gespräche zwischen Verwaltung und Nachbarn stattgefunden und erst da wurde wohl der Verwaltung die tatsächliche Betroffenheit der umliegenden hochwertigen und sensiblen Gewerbebetriebe bekannt. Hier stellt sich die Frage, ob die Verwaltung eine sog. Amtsermittlungspflicht gehabt hätte. Hieraus könnte sich ergeben, dass die Genehmigung rechtswidrig erteilt worden ist.

Sowohl die Aufhebung einer „fälschlicherweise“ als rechtswidrig eingestuften Genehmigung, als auch die Aufrechterhaltung einer „fälschlicherweise“ als rechtmäßig eingestuften Genehmigung können weitreichende Folgen haben.

Unsere Fraktion sieht daher aufgrund der schwierigen rechtlichen Einordnungen den dringenden Bedarf nach einer grundsätzlichen, unabhängigen rechtlichen Begutachtung des betreffenden Falles, bevor weitere Entscheidungen des Stadtrats getroffen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Reiner Erben
Fraktionsvorsitzender

Beteiligte Personen