von Cemal Bozoğlu

In der Integrationspolitik ist schon gut bekannt, dass durch sportliche oder kulturelle Maßnahmen Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus, die sonst wenig Kontakt zueinander haben, zusammengebracht werden können. Gerade durch niederschwellige Angebote gelingt ein Miteinander, das sonst schwer realisierbar ist und Hoffnungen für die Zukunft weckt. Kulturelle bzw. künstlerische Projekte helfen Menschen mit Fluchterfahrung außerdem dabei erlebte Traumata zu überwinden und Lebenskraft in schwerer Zeit zu tanken. In diesem Artikel möchte ich einige Aspekte beleuchten, die wichtig für die Teilhabe von Geflüchteten sind. Mein Fazit: Wir brauchen gezielte landesweite Förderprogramme, mehr Chancenorientierung sowie eine nachhaltige Interkulturelle Öffnung

Vielfältiges Augsburg

Freitagabends im Winter, ihr habt euch fein gemacht und seid mit Freund*innen im Staatstheater in Augsburg. Voller Vorfreude wartet ihr auf den Beginn der Aufführung und schaut euch nach bekannten Gesichtern im Publikum um. Dabei fällt euch ganz nebenbei auch auf, wie wenig sogenannte „People of Color“ (PoC) eigentlich dabei sind. „Seltsam!“ denkt ihr euch. Im Café in der Maximilianstraße, in dem ihr eben noch eine Kleinigkeit gegessen habt, sah es deutlich anders aus. Dort konnte viel leichter erkannt werden, dass Augsburg eine Stadt mit mehr als 45 % Migrationshintergrund innerhalb seiner Stadtbevölkerung ist. Unter dem Publikum im Staatstheater hingegen entsteht ein solcher Eindruck nicht. Ihr fangt an zu grübeln, woran dies liegen könnte. Ähnliches Bild hätte sich im Übrigen auch bei einigen Sportarten zeigen können; etwa beim Fechten, im Handball oder beim Reiten. Eine Durchmischung innerhalb der Teilnehmenden hinsichtlich der Migrationsgesellschaft gelingt auch da nur sehr bedingt. Woran das liegt und wie Abhilfe geschaffen werden kann, wird im Text „Türen öffnen“ in dieser Ausgabe von STADTGRÜN umrissen. Hier soll es nun spezieller um Menschen mit Fluchterfahrung und deren Partizipation an Kunst & Kultur gehen.

Rahmen setzen für die Teilhabe

 Grundsätzlich liegt es an der Kommunal- und Landespolitik einen geeigneten Rahmen für die Teilhabe aller Menschen an künstlerischen und kulturellen Angeboten zu schaffen und die interkulturelle Öffnung der Einrichtungen durch geeignete Förderprogramme zu ermöglichen. Es muss darum gehen, Menschen zusammen zu bringen, damit Gemeinsamkeiten gefunden und Unterschiede anerkannt werden können. Im Bundesland Baden- Württemberg gibt es dazu seit 2012 das Förderprogramm „Interkultur“. Strukturen, die experimentieren, um neben der gewohnten Klientel auch weitere Personenkreise anzusprechen, werden hierbei finanziell unterstützt. Ein Pendant dazu in Bayern fehlt, wäre aber dringend nötig. Denn der Freistaat ist gefordert Anreize zu schaffen und Kommunen wie freie Träger, welche in diesem Bereich tätig werden wollen, zu unterstützen. Lediglich über den Bereich „Förderung der sozialen Beratung, Betreuung und Integration von Menschen mit Migrationshintergrund“ des bayerischen Innenministeriums wird eine Finanzierungsmöglichkeit für besondere Maßnahmen ermöglicht, welche allerdings den Bereich Kultur und Kunst nicht wirklich abdeckt. Auch im bayerischen Kunstministerium existieren keine relevanten Fördermöglichkeiten. Im Kontrast dazu bietet im Bundesland Nordrhein-Westfalen das Ministerium für Kultur und Wissenschaft das Förderprogramm „Künste im interkulturellen Dialog“ auf, mit dem es den Dialog zwischen Einheimischen und Zugewanderten stärken will. Auch das wäre eine Förderinitiative, an der sich Bayern orientieren könnte. Auf Bundesebene sind in diesem Zusammenhang diverse Fördermöglichkeiten bekannt, die Kooperationsprojekte von etablierten und migrantischen Organisationen fördern. Das stellt ebenfalls eine spannende Möglichkeit für Bayern dar.

Kultur bildet Brücken

Sprachliche Barrieren bilden bei Neumigrant*innen, die erst seit wenigen Jahren im deutschsprachigen Raum sind, eine wichtige Herausforderung. Bestehende kulturelle Angebote müssten daher reflektiert und durch solche ergänzt werden, mit denen ein Publikum mit geringen Deutschkenntnissen ebenfalls angesprochen werden kann. Dabei im Kindesalter anzusetzen und hier zu versuchen den Grad der Teilhabe an den Angeboten in einer Stadt zu erhöhen, ist sicherlich vielversprechend. Im Idealfall ist dies verbunden mit Elternarbeit, um Akzeptanz sicher zu stellen. Menschen mit Fluchterfahrung haben andere Brüche in ihrer Biografie als Menschen, die in Augsburg geboren und aufgewachsen sind. Damit sind unterschiedliche Interessenslagen begründet. Für Menschen, die ihre ursprüngliche Heimat verlassen mussten, bilden kulturelle Traditionen, Bräuche und diverse künstlerische Ausdrucksformen eine gefühlte Brücke in die eigene Vergangenheit. Ein Ankommen, Bleiben und sich Heimisch-Fühlen wird gelingen, wenn Akzeptanz gespürt und zugleich eine Teilhabe an tradierten kulturellen Gegebenheiten des Landes ermöglicht wird.

Die Lebensreatlität muss beachtet werden

Auch möglicherweise erlebte Traumata sind in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen. Eine Analyse der Lebensrealitäten dieser Menschen ist unabdingbar, wenn es an die Konzeption von kulturellen Angeboten geht, die diese Zielgruppe ansprechen sollen. Das Verarbeiten von Erlebtem durch künstlerische Angebote ist eine gute Möglichkeit, muss aber äußerst sensibel und in Begleitung von Fachpersonal angegangen werden. Nicht zu vergessen ist indes, dass Geflüchtete mit Kompetenzen zu uns kommen. Sie können einen Mehrwert für die hiesige Kultur- und Kunstlandschaft bedeuten. Chancen, die sich hierbei bieten zu erkennen und in die städtischen Angebote zu integrieren ist wichtig und verlangt eine Offenheit und Ressourcen. Damit wäre eine echte Willkommenskultur gegeben, die Entfaltungsmöglichkeiten bietet, Perspektiven eröffnet und Kommunikationsanlässe offeriert. Die Zusammenarbeit mit Migrant*innenselbstorganisationen (MSO) und Helfer*innenkreisen zuletzt ist eine gute Möglichkeit, um neue Zielgruppen zu erreichen und um Interessenslagen zu ermitteln. Einen Dialog mit diesen aufzubauen und zu pflegen ist eine ständige Aufgabe und sollte schon in einer frühen Phase der Konzeption neuer Angebote ansetzen. Somit wird Kultur zur Türöffnerin für mehr Dialog und Kooperation in der Gesellschaft.

 

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