von Dr. Pia Haertinger & Jürgen K. Enninger

Das von der UNESCO zum Welterbe ernannte „Augsburger Wassermanagement-System” bietet im Sinne der Anwendung der Augsburger Zukunftsleitlinien viele Ansatzpunkte, um mit Bürger*innenbeteiligung und Vernetzung der lokalen Akteur*innen einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Ressource Wasser in Forschung, Bildung, Wirtschaft und Konsumverhalten zu praktizieren. Ein kluges Wassersystem kann unsere Ökosysteme schützen, Klimaschäden verringern und im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung auch weltweit zum sozialen und ökonomischen Ausgleich beitragen.

Wasser ist die Essenz des Lebens – für Menschen, Tiere und Pflanzen. Es hat eine große Bedeutung nicht nur als wichtigstes Lebensmittel, sondern auch für unser Klimasystem: Als Reflektor von Sonnenlicht, zur Luftbefeuchtung und -kühlung sowie als Wärmepuffer. Flüsse, Kanäle und andere Wasserquellen sorgen in unseren stark bebauten Innenstädten für ein besseres „Stadtklima“. Das trifft insbesondere auf Augsburg zu, das für sein einzigartiges historisches Wassermanagement-System und seine Wasserkunst im Juli 2019 den Titel „UNESCO Welterbe“ verliehen bekam.

 Kanäle öffnen

40 Wasserkraftanlagen in und um Augsburg, 29 Lechkanäle mit einer Gesamtlänge von 77 km, 530 Brücken und sechs Wassertürme sind – in Verbindung mit den Prachtbrunnen am Rathausplatz und in der Maximilianstraße – der Stolz vieler Augsburger*innen und eine touristische Attraktion für Menschen aus aller Welt. Das Element Wasser ist allgegenwärtig: ob als Freizeit- und Naturparadies im Siebentisch- bzw. Stadtwald oder am Hochablass, als Kulturgut in Form des historischen Wassermanagement-Systems, als Lebensraum für seltene Fledermäuse, Vögel und Insekten oder als hochwertiges Trinkwasser. Eine besondere Bedeutung kommt den vielen Lechkanälen in der Altstadt zu, nicht nur wegen ihrer Funktion als Energielieferant für handwerkliche Betriebe und Kühlsysteme in der Vergangenheit. Heute sorgen sie in den immer heißer und trockener werdenden Sommermonaten für eine messbare Verbesserung des Mikroklimas. Sie sind die sprudelnden Wasseradern und „blauen Lungen“, die durch Verdunstung die Luft abkühlen und die zunehmenden Hitzetage erträglicher machen. Um die stabilisierende Wirkung der Kanäle auf das Stadtklima auszubauen, setzen wir GRÜNE im Zukunftsplan darauf, weitere Stadtkanäle zu öffnen. Jeder zusätzlich aufgedeckte Meter ist ein Gewinn für Mensch, Umwelt und am Wasser lebende Tiere.

 Bewusstsein schaffen durch Bildung und Kultur

Im Zukunftsplan haben wir uns beim UNESCO-Welterbe verschiedene Ziele gesteckt, die sich alle im globalen Ziel Nr. 6 der UN für nachhaltige Entwicklung zum Thema Wasser (sauberes Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen) wiederfinden. Für einen nachhaltigen Umgang mit dieser Ressource benötigen wir noch mehr umweltpädagogische Bildungsangebote für Schulen, andere Bildungseinrichtungen und informelle Orte in Kooperation mit der Umweltstation bzw. dem zukünftigen Umweltbildungszentrum, ebenso die Einbindung informeller Bildungsorte wie die Mehrgenerationentreffpunkte in den Stadtteilen. Die Universität Augsburg ist mit Lehrangeboten und Vorträgen zum Thema „Wasser und Konfliktforschung“ zur Bekämpfung von Fluchtursachen gefragt und im Innovationspark müssen wir verstärkt auf Forschungsprojekte zum Wasserstoff als emissionsarme Antriebsform setzen.

Um eine breite Öffentlichkeit zu informieren, braucht es vielfältige Veranstaltungsformate – vom wissenschaftlichen Vortrag bis hin zu unterschiedlichsten Kulturprojekten. Beispiele wie die Lange Nacht des Wassers 2019, das Theaterstück „Der kleine Wasserdrache“ des Jungen Theaters und der für 2021 geplante Audio-Walk für Kinder zeigen, dass auch regionale Akteur*innen aus der Kultur unverzichtbare Partner*innen bei der Bespielung des Welterbes und der Sensibilisierung von Kindern und Erwachsenen für die überlebensentscheidende Thematik „Wasser“ sind.

Sanfter Tourismus

Um die Sichtbarkeit der Marke zu fördern, das Kulturerbe zu bewahren und erfahrbar zu machen, ist es uns wichtig, dass Kulturverwaltung, Stadtmarketing und Regio Augsburg Tourismus gut vernetzt zusammenarbeiten und hohe Standards für einen sanften Tourismus erarbeiten. Ein Welterbezentrum am Rathausplatz soll als erste Anlaufstelle für unsere Gäste dienen und ihnen Orientierung auf der vielfältigen und verzweigten Spurensuche im ganzen Stadtgebiet bieten. Die Eröffnung des „Wasserladens“ mit einem Trinkwasserbrunnen ist für das Frühjahr 2021 vorgesehen.

Eine zentral koordinierende Aufgabe kommt dem Welterbebüro im Kulturreferat zu. Hier werden Projekte angestoßen und vertieft, der Austausch mit allen Akteur*innen in der Stadt wird gepflegt und über Bürger*innenbeteiligung werden neue Ideen in den Stadtteilen entwickelt. In diesem Kontext sind auch die Wasserbotschafter*innen des Freiwilligen-Zentrum Augsburg sowie weitere mit Freiwilligen entwickelte Projektideen und Aktionen zu verstehen.

Wasser als Lebensgrundlage schützen

Der Welterbetitel sollte für uns alle als An- sporn dienen, unseren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und politische Weichen zu stellen, um Wasser als Grundlage für alle Lebewesen, für Mensch und Natur zu schützen und friedlich zu nutzen.

Im Wissen um die Wasserkraft als wesentlichen Motor für die Industrialisierung mit allen damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen gilt es, das historische Erbe zu bewahren und sich gleichzeitig den aktuellen lokalen wie globalen Herausforderungen zu stellen. Dabei sollen – entsprechend der Multidimensionalität des Welterbetitels – die Spannungsfelder und Möglichkeitsräume zusammen mit den Bürger*innen erschlossen werden.

Um den Welterbetitel mit Leben zu füllen, bietet sich z.B. die Verbindung der bestehenden Augsburger Festivalstruktur mit Stationen des Welterbes an. So wäre etwa die Weiterentwicklung des Festivals der Kulturen zu einem Welterbefestival denkbar.

Wir haben jedenfalls noch viel vor!

 

In: Stadtgrün 9: Klimaschutz Hier und Jetzt

Beteiligte Personen