VON CLAUDIA ROTH
Innenstädte und Stadtteilzentren sind das Herz einer jeden Stadt. Doch Einzelhandel, Gastronomie und Kultureinrichtungen befinden sich seit Jahren in einem andauernden Existenzkampf. Es geht um Orte der Begegnung, kulturelle Vielfalt und für viele auch darum, ein Stück Heimat zu retten. Dafür braucht es sowohl Nothilfen als auch strukturelle Reformen.

Unsere Innenstädte sind Orte der Begegnung, versorgen Menschen mit einer Vielzahl von Waren und Dienstleistungen, bieten kulturellen Austausch und geben dem städtischen Leben eine Bühne. Dabei wirken sie weit über die eigentlichen Stadtgrenzen hinaus: Wer auf dem Land wohnt, fährt zum Shoppen oder zum Bummeln „in die Stadt“. Innenstädte und Stadtteilzentren sind darum nicht nur der Schmelztiegel unserer Gesellschaft, sie sind auch wichtige Wirtschaftstreiber. Oder vielmehr: Sie waren es. Denn unsere Innenstädte sind in einer tiefen Krise. Viele Einzelhändler, kulturelle Einrichtungen und soziale Initiativen befinden sich aufgrund steigender Mietkosten oder übermächtiger Onlinekonkurrenz schon seit Jahren in einem andauernden Existenzkampf. Händler, Gewerbetreibende, Gastronomie und sogar große Kaufhäuser: Wer es bis heute geschafft hat, wurde durch die Corona- Krise akut gefährdet. Im gemeinsamen Fachgespräch mit der GRÜNEN Stadtratsfraktion wurden mir die Sorgen und Nöte von Augsburger und Schwäbischen Vertreter*innen des Einzelhandels und der Gewerbetreibenden detailliert geschildert, gleichzeitig aber auch viele gute Ideen und Wege hin zu einer attraktiven Innenstadt aufgezeigt.

Weder für die strukturellen Probleme noch für die akute Krise der Innenstädte hat die Bundesregierung bisher befriedigende Antworten gefunden. Es geht um wirtschaftliche Existenzen, kulturelle Vielfalt und für viele auch darum, ein Stück Heimat zu retten. Dafür braucht es Nothilfen und strukturelle Reformen. Aber so düster, wie die Lage wirkt: In der Transformation der Innenstädte kann auch eine Chance liegen. Das zeigen heute bereits zahlreiche Städte, die zukunftsfähige Konzepte erproben. Solche Umbrüche gilt es zu gestalten.

Mehr öffentliche Mitgestaltung: Immobilien- und Bodenkauf durch Kommunen stärken

Wir treten dafür ein, dass die öffentliche Hand eine aktivere Rolle bei der Gestaltung der Innenstädte einnimmt. So können Leerstände verhindert und neue Konzepte, die den Innenstadtlagen in Gänze zu gute kommen, direkt umgesetzt werden. Ein neuer Städtebau-Notfallfonds mit einem Volumen von einer halben Milliarde Euro soll Kommunen eine Starthilfe geben, gezielt Immobilien anzukaufen und einer Nutzung zuzuführen, die die Attraktivität von Stadtzentren steigert und Bewohner*innen eine bessere Aufenthaltsqualität bietet. Aus ungenutzten Läden soll Raum für Initiativen entstehen – vom Repaircafé über Verkaufsmöglichkeiten für lokale Künstler*innen und Händler*innen bis hin zu neuen kulturellen Einrichtungen. Mithilfe von Kommunen und durch bezahlbare Mieten werden so leerstehende Kaufhäuser mit neuem Leben gefüllt oder Industriebauten und Immobilien werden der Spekulation auf den Finanzmärkten entzogen.

Wir wollen den Zugang zu Fördermitteln vereinfachen, damit Neues entstehen kann: Da, wo kommunale oder Landesfinanzen nicht ausreichen oder nicht schnell genug bereitgestellt werden können, um die übliche Kofinanzierung vorhandener Bundesmittel wie Städtebauförderung durch Landes- und Kommunalmittel zu stemmen, braucht es Sonderregeln zur Reduzierung der Kofinanzierungsanteile.

Damit der Bund die Kommunen bei der aktiven Gestaltung des Stadtbildes besser unterstützen kann, fordern wir außerdem, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zu einem gemeinnützigen „Bundesbodenfonds” weiterzuentwickeln. Grundstücke und Immobilien der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sowie der Bundeseisenbahn dürfen nur noch an gemeinnützige oder kommunale und landeseigene Wohnungsbaugesellschaften oder an am Gemeinwohl orientierte Träger zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben in Erbpacht vergeben bzw. zu günstigen Konditionen verkauft werden. Das schafft nicht nur mehr Möglichkeiten für die Errichtung dauerhaft bezahlbaren Wohnraums, sondern auch für öffentliche Orte, an denen man sich aufhalten kann, ohne konsumieren zu müssen. So soll eine nachhaltige und gemeinnützige Bodenpolitik entstehen. Außerdem wollen wir mit einem neuen Gewerbemietrecht Gewerbetreibende vor Mietwucher schützen.

Kultur retten für Kreativität und Vielfalt

Nicht nur gegen das Ladensterben, sondern auch gegen die kulturelle Verödung muss stärker angekämpft werden. Kunst und Kultur sind zentrale Pfeiler unseres gesellschaftlichen Lebens, sie bringen Vielfalt und Leben in die Innenstädte. Sie bieten kreative Möglichkeiten für den dringend erforderlichen gesellschaftlichen Diskurs. Mit einem aufgestockten Kulturrettungsfonds müssen Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche unterstützt werden. Die Kulturförderpolitik von Bund und Ländern muss so modernisiert werden, dass kreative Projekte und Tätigkeiten, die in der Krise entwickelt wurden, in den Kulturhaushalten abgebildet und Innovationen für einen pandemiesicheren Kulturbetrieb gefördert werden. Zur Unterstützung der Clublandschaft muss endlich ein Schallschutzfonds für Kultureinrichtungen eingerichtet werden.

Bessere Verkehrskonzepte und Grünflächen für mehr Aufenthaltsqualität in Innenstädten Wir fordern den Bund auf einen Aktionsplan für eine bessere Fußverkehrs- und Radinfrastruktur auf den Weg zu bringen, ein Bundesprogramm zur Errichtung von Fahrradparkhäusern an Knotenpunkten und zum Aus- und Umbau von Bahnhöfen und Haltestellen zu Mobilitätsstationen aufzulegen. Um die Lebensqualität und Umweltgerechtigkeit in Städten zu erhöhen, braucht es ein 800-Millionen-Euro-Investitionsprogramm, um Städte zu begrünen und sie gleichzeitig auch besser gegen die Folgen der Klimakrise zu wappnen. Mehr Grünflächen, Parks, Dach- und Fassadenbegrünung, Flächen für Urban Gardening – andere Länder zeigen längst, wie es geht.

Digitalisierungsoffensive für den lokalen Handel

Damit der lokale Handel eine Chance hat, braucht es eine leistungsstarke digitale Infrastruktur und gute Konzepte, mit denen On- und Offline ineinandergreifen. Dazu sollen über die Städtebauförderung 290 Millionen Euro für Smart-City-Projekte bereitgestellt werden – unter anderem für Digitalisierungsinitiativen zur Belebung der Innenstädte. Das können Pick-Up-Läden zur Abholung lokaler online bestellter Waren, eine Onlineplattform für den lokalen Handel oder Förderprogramme für umweltfreundliche Lieferdienste auf die kurze Distanz, beispielsweise per Lastenrad, sein.

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