VON MATTHIAS LORENTZEN
Leider hat die Corona-Pandemie dem Öffentlichen Nahverkehr eine Schlagseite verpasst. Die Menschen meiden Tram und Bus, moderne Ridesharing Angebote wie das swaxi der Stadtwerke Augsburg sind ausgebremst und Abonnent*innen haben ihre ÖPNV-Jahreskarten gekündigt. Daher gilt: Die Verkehrswende braucht jetzt klare Richtungsentscheidungen!

Mobilität bestimmt unseren Alltag: morgens zur Arbeit, mittags die Jüngsten von der Schule abholen, abends zum Joggen ins Grüne. Und im Urlaub zieht es uns in die Ferne. Viele nutzen dafür Bus und Bahn oder auch das Fahrrad. Doch das Auto fährt immer noch ganz vorne mit, saubere Elektroautos sind noch in der Minderzahl, schwere SUVs machen sich immer breiter. Nicht zu vergessen, was an Transporten auf unseren Straßen und in der Luft unterwegs ist. Der Preis, den unsere Gesellschaft und die Umwelt dafür zahlen, ist hoch – zu hoch! Und Mobilität und Verkehrsplanung wird viel zu sehr durch die männliche Brille betrachtet. Die Bedürfnisse anderer Bevölkerungsgruppen sind nicht angemessen vertreten, seien es Familien mit Kindern, Frauen, Senior*innen oder Menschen mit Behinderung. Unser Ziel einer grünen Verkehrswende ist ein Gegenentwurf dazu. Denn 2050 wollen, ja müssen wir klimaneutral sein – dazu hat sich Deutschland im Pariser Klimaschutz- abkommen international verpflichtet und auch hier in Augsburg haben wir ambitionierte Klimaschutzziele. Es geht um viel: für uns und künftige Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und damit auch eine sichere Welt zu erhalten. Dazu müssen wir gerade beim Verkehr umsteuern, weg von fossilen Energien hin zu effizienter Nutzung von Ressourcen und erneuerbaren Energien.

Wir brauchen: starke Verkehrsverbünde

Der Weg führt hin zu Bussen und Bahnen. Das ist effizient, senkt den Energiebedarf und verringert Staus. Auf kurzen Wegen gilt Vorfahrt für den Fuß- und Radverkehr. Die Umwelt wird entlastet, unsere Stadt wird für uns alle lebenswerter, grüner, sicherer. Grüne Verkehrswende bedeutet zugleich: Mobilität ist für alle bezahlbar, weil auf ÖPNV und Bahn Verlass ist und sie solide finanziert werden. Und auch die Wirtschaft bleibt in Fahrt: Mit neuen Mobilitätslösungen und sauberen Antrieben für Autos und Lkw kann sie weltweit auf den Märkten der Zukunft bestehen und hierzulande wertvolle Arbeitsplätze anbieten. Die Herausforderungen der Verkehrswende gelingen nur mit starken Verkehrsverbünden.

Lokaler und regionaler Verkehr überwiegt sowohl nach dem Verkehrsaufkommen als auch nach dem Emissionsausstoß und hinsichtlich der Klimarelevanz deutlich vor dem Fernverkehr. Verbünde wie der AVV sind also eine große Stütze, auch für den Klimaschutz vor Ort. Um sie zu stärken müssen wir bei der Finanzierungsfrage ansetzen. Weiterhin werden viel zu viele Bundes- und Landesmittel für neue Straßenbauprojekte ausgegeben, die nicht nur aus klimapolitischer Sicht überholt sind. Währenddessen leiden die Verkehrsverbünde an einer chronischen Unterfinanzierung, mit der Folge, dass wir jährlich die Überschrift „AVV erhöht die Preise“ lesen müssen, während z. B. die Parkgebühren oft jahrelang nicht ansteigen.

AVV-Tarifreform

Die AVV-Tarifreform hat gezeigt, dass echte Verbesserungen für alle ÖPNV-Nutzer*innen erst dann möglich wären, wenn frisches Geld „von außen“ in den ÖPNV hineinfließt. Solange dies nicht der Fall ist, wird jede neue Reform auch wieder neue Verliererinnen und Verlierer hervorbringen. Leider misst die Bayerische Staatsregierung hier mit unterschiedlichem Maß: Während der Freistaat Bayern eine Tarifreform im Münchner MVV finanziell tatkräftig unterstützt hatte, gab es für die AVV-Tarifreform keine vergleichbaren Mittel. Und auf die Einhaltung der Zusage von Ministerpräsident Söder im Landtagswahlkampf, in den Ballungsräumen ein 365-Euro- Ticket für alle einzuführen, warten diese bis heute und werden, nachdem die Hoffnungen geweckt wurden, nun alleine gelassen. Für die gewaltigen Mindereinnahmen, die durch die Einführung eines 365-Euro-Tickets alleine im AVV entstehen, können die Stadt Augsburg und die Landkreise alleine nicht aufkommen.

Immerhin, zum 1. August 2021 startet nun in einem ersten Schritt das 365-Euro-Ticket für Schüler*innen und Auszubildende und wird im gesamten AVV-Gebiet gültig sein. Durch die Abschaffung des bisher extra notwendigen Nachtbustickets wird die Tarifstruktur vereinfacht und der Nachtbus in das normale Angebot aufgenommen. Und sowohl die Stadtwerke als auch der AVV wollen bald ein digitales Bestprice-Ticket einführen, bei dem man per BeIn / BeOut über das Handy stets den günstigsten Preis zu seinen Fahrtstrecken abgerechnet bekommt, ohne sich vorher über Tarifzonen und Tickets informieren zu müssen – bezahlt wird die tatsächlich gefahrene Strecke zum jeweils günstigen Preis der Tages- oder Monatskarte.

Wir brauchen: einen innovativen Nahverkehrsplan

Im aktuell gültigen Nahverkehrsplan von 2015 sind die Verkehrsangebote innerhalb des AVV geregelt. Nun, sechs Jahre später, haben sich die Gesellschafter des AVV, die Stadt Augsburg sowie die Landkreise Dillingen a. d. Donau, Augsburg und Aichach-Friedberg darauf verständigt, diesen Nahverkehrsplan fortzuschreiben und somit die Grundlage für das ÖPNV-Angebot im AVV-Verbundgebiet für die nächsten Jahre zu definieren. Ein Nahverkehrsplan bildet die Grundlage für die Vergabe von Verkehrsleistungen aber auch für die Planung und den Bau z. B. neuer Straßenbahnabschnitte. Wir haben also jetzt die große Chance, die Mobilität der nächsten Jahre zu gestalten und das Verkehrsangebot weiterzuentwickeln. Zur Fortschreibung des Nahverkehrsplans gehört eine Bürgerbeteiligung und auch die Verkehrsinitiativen und -verbände bringen sich in die Debatte ein. Wir haben das Ziel, den öffentlichen Personennahverkehr im Verdichtungsraum Augsburg (Stadt Augsburg und Umland) enger vernetzt aufzustellen. Dazu gehören auch Ideen für Straßenbahnerweiterungen ins Augsburger Umland und Bus-Tangentenverbindungen an den Stadträndern und zwischen den Stadtteilen.

Die Mobilitätsstrategien, die wir in den nächsten Monaten entwickeln, gelten bis weit ins kommende Jahrzehnt hinein und müssen daher auch über die heutigen Kategorien Fuß, Rad, ÖPNV, Auto hinausgehen. Die neuen Sharing-Modelle zeigen bereits den Weg, weg vom reinen „Besitz“ eines Autos hin zu multimodalen Angeboten. Für die Mobilität der Zukunft sollen die Mobilitätsformen Vorrang haben, die sowohl ökonomisch, also kostengünstig, leicht, klein, wie auch ökologisch, also emissionsarm, leise, ressourcen schonend, sind. Diese Faktoren müssen wir stets zusammendenken.

Beteiligte Personen