Der völkerrechtswidrige Einmarsch Putins in die Ukraine offenbart nicht nur, wie brüchig heute noch der Friedenserhalt in der Welt ist sondern auch, dass Diplomatie und Dialog an Grenzen stoßen können, wenn ein einzelner Aggressor radikal Eigeninteressen durchzusetzen versucht und vor dem Einsatz mili-tärischer Mittel nicht zurückschreckt. Er führt auch uns die Energie-Abhängigkeit unseres Landes von autoritären Regimen schmerzlich vor Augen. Nur mit einer grünen Energiepolitik kann diese ungewollte Beziehung, die uns zu Finanziers von Autokratien werden lässt, überwunden werden.

Energiepolitik ist auch Sicherheits-, Friedens- und Menschenrechtspolitik. Dieser Tage wird uns schmerzlich bewusst, dass wir den Angriffskrieg Putins förmlich mitfinanzieren, wenn wir weiterhin Kohle, Erdöl und Gas aus Russland beziehen. Trotzdem können aktuell Importe aus Russland nicht selbstbewusst zur Diskussion gestellt werden, wenn es um die Ausgestaltung von Sanktionspaketen geht, die Putin empfindlich treffen sollen, denn uns fehlen schnell verfügbare Alternativen! Welche Kompensationsmöglichkeiten haben wir? Öl und Gas aus Katar? Saad al-Kaabi, Energieminister des Emirats, hat diesbezügliche Hoffnungen bereits wenige Wochen nach Kriegsbeginn gedämpft, wobei die Aussicht, von einem anderen Land mit eklatanten Demokratiedefiziten abhängig zu sein, ohnehin keine gute Alternative darstellt. Sollen wir auf nicht-nachhaltige Technologien wie Fracking zurückgreifen, die Umwelt und Grundwasser gefährden und in ihren Auswirkungen nicht ausreichend erforscht sind? Auch ein mögliches Comeback der Kernkraft wäre ein fataler Fehler, denn die Folgen der Reaktorkatastrophen in Tschernobyl und Fukushima sind noch heute sichtbar und spürbar. Der Krieg in der Ukraine zeigt zudem, wie schnell ein AKW zum militärischen Zielobjekt werden kann! Importe von angereichertem Uran aus Russland würden unsere Abhängigkeit außerdem manifestieren (s. “Uranatlas”: www.bund.net/service/publikationen/detail/publication/uranatlas-2022 )

Das Gebot der Stunde: Erneuerbare Energien ausbauen

Erneuerbare Energien sind das Erfolgsrezept für den Abbau gefährlicher und teurer Abhängigkeiten – auch von Autokratien. Die Bundesregierungen der letzten 16 Jahre sowie die Staatsregierungen Bayerns haben
es bedauerlicherweise verschlafen, in
Richtung Energieautarkie zu denken und damit eine unabhängige und gesicherte Energieversorgung herzustellen. Statt auf fossile, klimaschädliche Energiequellen zu setzen, hätte ein massiver Ausbau der regenerativen Energieversorgung erfolgen müssen. Die aktuellen Entwicklungen
machen uns klar, dass Stromerzeugung aus
Sonne, Wind und Wasser auch mit Blick auf den Friedenserhalt unverzichtbar ist!

Mehr Unabhängigkeit durch weniger Verbrauch

Neben den Energie- bzw. Bezugsquellen spielen auch Einsparpotenziale eine wichtige Rolle. Das von uns GRÜNEN auf Bundes- und Landesebene ins Spiel gebrachte Tempolimit wäre eine effektive Möglichkeit mit unmittelbarem und erheblichem Impact auf den Energiebedarf. Das Umweltbundesamt kommt in einer jüngst aktualisierten Berechnung zu dem Ergebnis, dass allein mit der Limitierung der Höchstgeschwindigkeit auf 130 km/h auf Autobahnen jährlich 1,5 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden könnten! Dies würde etwa 600 Millionen Liter weniger Sprit bedeuten und Raum für die Reduzierung von Importen schaffen. Mit einem Tempolimit von 100 würde dieser Wert sogar auf 1,7 Milliarden Liter steigen. Zudem würde ein solches Limit auch Unfälle vermeiden und Leben retten, viele Staus verhindern und die Lärm- und Luftbelastung deutlich senken. In Richtung Autoindustrie wäre es darüber hinaus ein politisches Zeichen pro Forschung und Bau sparsamer Fahrzeuge. Daher haben wir Anfang 2022 einen Dringlichkeitsantrag im Bayerischen Landtag gestellt und die Staatsregierung aufgefordert, eine Bundesratsinitiative zu starten, mit dem Ziel, die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen auf 130 km/h zu begrenzen. Nur die SPD hat diesem Antrag zugestimmt.
Wir wollen außerdem, dass der Freistaat
Finanzmittel bereitstellt, damit alle Häuser umgehend einer fachkundigen Energiesparberatung unterzogen und bestehende Heizungsanlagen geprüft werden können.
Die Grüne Landtagsfraktion schlägt vor, für
den Austausch der 100.000 umweltschädlichsten Heizungen in Bayern einen landesweiten Wärme-Fonds aufzulegen. Damit ein Geothermie-Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht werden kann, sollten umgehend 15 Millionen Euro für eine Ausfallversicherung bereitgestellt  werden. Ein solcher Punkt könnte Teil eines „Bayerischen Wärmegesetzes“ sein, welches klare Ziele definiert und einen Sanierungsfahrplan für alle Gebäude aufzeigt. Einen solchen Gesetzentwurf haben wir im Dezember 2021 im Landtag vorgelegt.
Im aktuellen „Entlastungspaket“ der Bundes
regierung ist vorgesehen, dass die Preise für den ÖPNV für drei Monate auf 9 Euro pro Monat reduziert werden. Im Landtag haben wir GRÜNE eine Halbierung der Ticketpreise für Schüler*innen, Auszubildende, Studierende und Pendler*innen vorgeschlagen, um den Umstieg auf energiesparenden Nahverkehr attraktiver zu gestalten. Mit einer landeseigenen E-Busflotte soll das Land diejenigen Kommunen unterstützen, die neue Verbindungen erschließen oder Kapazitäten erweitern müssen, dafür aber selber nicht ausreichend Fahrzeuge parat haben. Für alle Menschen, die mit Blick auf die ökologische Transformation und den Ausstieg aus der fossilen Abhängigkeit auf Umschulungen angewiesen sind, sprechen wir uns für ein Landesarbeitsprogramm aus.

Der Umbau kostet – aber er lohnt sich!


Bei den Haushaltsdebatten im April 2022
haben wir den Haushaltsentwurf der Staatsregierung mit deutlichen Worten kritisiert und unterstrichen, dass es Visionen statt Gießkanne sowie deutliche Investitionen in den Klimaschutz gebraucht hätte. Konkret haben wir mit Änderungsanträgen etwa gefordert, jährlich 150 Millionen Euro für Photovoltaik auf Schuldächern sowie je 100 Millionen Euro für energetische Sanierungen kommunaler Gebäude und Wärmenetze bereitzustellen. Für den sozialen Ausgleich aufgrund der steigenden Heizkosten wollen wir in Bayern 150 Millionen Euro reservieren. Weitere 80 Millionen Euro Landesmittel sollten in das Radverkehrsnetz fließen.

Fazit

Allein aus Bayern sind in den vergangenen Jahren bis zu 5 Milliarden. Euro für Öl- und Gaslieferungen nach Russland geflossen. Wer diese Abhängigkeit beenden will, muss alle Maßnahmen in Richtung Energieeinsparung und -effizienz staatlich unterstützen! Wir durchleben aktuell schwere Zeiten. Krieg und Krise belasten uns. Nichtsdestoweniger sollte dies der Moment sein, in dem wir den Grundstein für fundamentale Veränderungen legen. Deutschland muss jetzt Vorreiter für erneuerbare Energien werden und vorangehen, den Planeten und den Frieden zu bewahren!

 

Für die Inhalte dieses Beitrags ist Cemal Bozoğlu, MdL, verantwortlich.

Beteiligte Personen