von CEMAL BOZOĞLU
In Städten mit wachsender Bevölkerung wie Augsburg ist der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum eine Herausforderung, die auch andere kommunalpolitische Handlungsfelder wesentlich tangiert: etwa die Fragen, in welchem Stadtteil eine neue Schule gebraucht wird oder wie der ÖPNV weiterentwickelt werden sollte. Maßgeblich für die Kommunen ist dabei die Bayerische Bauordnung (BayBO), die kürzlich ein Update erhalten hat. Sie wird den Zielen einer nachhaltigen, ökologischen Bauweise nicht gerecht – eine Analyse.

Mit dem Ziel, Bauen in Bayern umweltfreundlicher, einfacher, schneller und günstiger zu machen, hat die schwarz-orangene Landesregierung in diesem Jahr eine neue Bauordnung in den Landtag eingebracht. Bei genauer Betrachtung bleibt diese allerdings deutlich hinter den Erwartungen zurück und bietet keine adäquate Antwort auf die drängenden Fragen in unseren Kommunen. Die wichtigsten Änderungen betreffen die Genehmigungsfiktion, das Abstands- flächenrecht, den Holzbau, die Begrünung, den Dachausbau, die Befreiung von der Aufzugspflicht bei Aufstockungen sowie das Stellplatzrecht. Mit einem Bündel an Änderungsanträgen hatte unsere grüne Landtagsfraktion im Vorfeld konstruktive und vielversprechende Vorschläge eingebracht, die leider nicht ausreichend Berücksichtigung fanden. Wir GRÜNEN kritisieren insbesondere, dass die Änderung des Abstandsflächenrechts aktuell in der Praxis zu Diskussionen und mitunter Problemen führt und stehen in diesem Zusammenhang grundsätzlich für eine vernünftige Nachverdichtung. Dabei setzen wir auf das Prinzip der doppelten Innenentwicklung. Diesen Ansatz lässt die Neuregelung der Staatsregierung gänzlich vermissen.

Bessere Personalausstattung statt Genehmigungsfiktion
Bereits im Vorfeld der Verhandlungen zur Novellierung der BayBO hatte die Grüne Landtagsfraktion festgestellt, dass es eigentlich wenige Stellschrauben in der Bauordnung gibt, um Bauen spürbar zu vereinfachen und Wohnen damit günstiger zu machen. Kritisiert hat unsere Landtagsfraktion zum Beispiel den Um- stand, dass das neue Regelwerk eine Genehmigungsfiktion mit Fristen von drei Wochen bzw. drei Monaten im vereinfachten Genehmigungsverfahren einführt. Bauämter haben demnach nur noch drei Wochen nach Eingang des Bauantrags Zeit, um ergänzende Unterlagen anzufordern. Binnen drei Monaten hingegen müssen sie über den Antrag entschieden haben, ansonsten gilt er automatisch als genehmigt. Statt die Verwaltungsmitarbeitenden nun mit enormem Zeitdruck zu konfrontieren, haben wir eine bessere Personalausstattung und die bessere Digitalisierung der Prozesse zur Beschleunigung gefordert. Denn eine im Jahr 2019 gestellte Schriftliche Anfrage von Ursula Sowa zeigte, dass lediglich 15 Landratsämter in Bayern an dem Pilotprojekt „Digitaler Bauantrag“ beteiligt sind. Eine schnelle flächendeckende Einführung wäre wichtig! Die Fiktion trägt weiterhin auch die Gefahr mit sich, dass denkmal- oder natur- schutzfachliche Prüfungen aufgrund des Zeitmangels ausbleiben.

Abstandsflächen in Ballungsräumen Hinsichtlich der Abstandsflächen reduziert die Neuerung in Art. 6 diese zunächst für Wohn- und Mischgebiete auf das 0,4-Fache der Wandhöhe und in Gewerbe- und Industriegebieten auf das 0,2-Fache, bevor sie dann allerdings für Städte ab 250.000 Einwohner*innen eine Sonderregelung macht und hiervon wieder abrückt. In Augsburg gilt somit der Abstand 1 H, sofern das sogenannte 16-Meter-Privileg nicht den Abstand auf 0,5 H halbiert. Ein Widerspruch, denn gerade in Ballungsräumen ist doch der Bedarf an neuem Wohnraum spürbar. Bei höherer baulicher Dichte gilt es allerdings zugleich zu bedenken, dass damit weniger Freiraum zur Verfügung steht und dieser entsprechend qualitativ entwickelt werden muss. Wir haben im Landtag eine Pflicht zur Gebäudebegrünung (Fassaden- und Dachbegrünung) vorgeschlagen und empfohlen Klimaanpassungsstrategien zu berücksichtigen.

Regenerative Energieen Die Stellplatzpflicht wirkt sich bei Bauprojekten als Kostentreiber aus. Die Flexibilisierung zugunsten der örtlichen Verkehrsinfrastruktur in der aktuellen Novellierung haben wir GRÜNEN im Landtag begrüßt, halten sie allerdings nicht für ausreichend. Der Stellplatzschlüssel sollte endlich realitäts- nah an die Veränderungen der Mobilität gerade in Großstädten wie Augsburg angepasst werden. Im Bereich Photovoltaik hat sich die Grüne Landtagsfraktion eindeutig für die Integration einer Solarpflicht auf Neubauten oder bei wesentlicher Sanierung (wenn mindestens 25 Prozent der Dachfläche betroffen ist oder Instandhaltungskosten 25 Prozent des Gebäudewerts übersteigen) in die BayBO ausgesprochen. In diesem Punkt hinkt die Staatsregierung uns GRÜNEN aber deutlich hinterher und belässt es bei Ankündigungen. Dabei gibt es gerade hier großes Potenzial zugunsten regenerativer Energiequellen. Wie in der letzten Ausgabe des Stadtgrüns erklärt und mit Zahlen belegt, hat die 10-H-Regelung den Ausbau der Windenergie in Bayern nahezu vollständig zum Erliegen gebracht. Deshalb haben wir GRÜNEN uns auch in diesem Punkt für eine drastische Veränderung ausgesprochen – leider vergeblich. Die nun realisierte Befreiung der Aufzugspflicht bei Aufstockung hingegen bewerten wir grundsätzlich als positiv, sprechen uns allerdings dafür aus, dass dies auch für Ausbauten von bestehenden Dachgeschossen regelmäßig gelten soll.

Schon seit Langem fordern wir Holz als gleichberechtigten Baustoff für alle Bauprojekte anzuerkennen. Daher ist es zu begrüßen, dass dieser nun in allen Gebäudeklassen 1 bis 5 verwendet werden kann. Allerdings sollte nach dem Vorbild anderer Bundesländer die Verwendung bei (Brand-) Wänden notwendiger Treppenräume nicht unnötig eingeschränkt werden. Übernommen wurde aus unserer grünen Perspektive heraus im Übrigen der Vorschlag zur nachträglichen Wärmedämmung bei Bestandsgebäuden sowie die Verringerung des Mindestabstandes für bestimmte Solar- anlagen auf Dachflächen.

Fazit: Es ist noch ein weiter Weg hin zu einer „grünen Bauordnung“ für Bayern, die Ökologie und Baueffizienz miteinander vereint. Die aktuelle Novellierung ist in jedem Fall nicht ausreichend, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

IN: STADTGRÜN 10: STADTPLANUNG & MOBILITÄT

Beteiligte Personen