von Cemal Bozoğlu

Unser Augsburg ist eine Stadt der Vielfalt. Knapp 45% der Augsburger Bürger*innen haben einen Migrationshintergrund. Unterschiedlichste ethnische, kulturelle und religiöse Hintergründe treffen in der Friedensstadt aufeinander. Das Zusammenleben gestaltet sich dabei oft recht gelungen. Einige Vereine und auch städtische Initiativen konzentrieren sich schon jetzt darauf, Menschen mit verschiedenen Herkünften zusammen zu bringen und einen Austausch zu ermöglichen. Auch in unseren Schulen ist Vielfalt deutlich sichtbar. So haben zum Beispiel an einigen Schulen im Stadtteil Oberhausen bis zu 80 % der Schüler*innen eine Migrationsgeschichte.

Die Lehrpläne müssen interkulturell angepasst werden

Eben diese Vielfalt ist allerdings einigen Gruppen ein Dorn im Auge und so sind die letzten Jahre leider auch geprägt von gesellschaftlicher Polarisierung. Rechtspopulisten versuchen die Gesellschaft zu spalten. Den Themen Migration bzw. Asyl haben sie dabei als Zugpferd für eine grundsätzlich rückwärtsgewandte Ideologie entdeckt. Die stärkere Verankerung der Interkulturellen Bildung in unseren Lehrplänen ist deshalb ein geeignetes Mittel, um solchen spalterischen Bestrebungen den Nährboden zu entziehen und ein gelungenes Miteinander abzusichern. Eine aktive Erinnerungs- und Gedenkarbeit im Schulalltag zu verankern, spielt dabei eine wichtige Rolle.

Vielfalt sichtbar machen

Wir GRÜNEN haben eine chancenorientierte Perspektive auf die Vielfalt in unserer Stadtgesellschaft; erachten sie als Mehrwert für unsere Schulen. Die diversen Identitäten sollten nicht nur wahrgenommen werden, sondern auch zu Wort kommen. Empathie wird größer, wenn Hintergründe von Mitschüler*innen gekannt und geschätzt werden. Verständnis entsteht, wo Neugier ausgelebt werden kann. Wir sind nicht etwa gleichberechtigt, weil wir Differenzen ausblenden – Wir sind gleichberechtigt mit unserer Diversität! In einem abstrakteren Kontext gesprochen, kann festgestellt werden: “Deutschsein mit Migrationshintergrund” ist genau so normal wie “Deutschsein ohne Migrationshintergrund”.

Bayerische Bildungspolitik gefordert

Bayerische Bildungspolitik ist gefordert Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisierte im März 2019, dass politische Bildung besonders an bayerischen Schulen jahrelang vernachlässigt wurde. Nur 0,5 % des Unterrichts an Gymnasien im Freistaat werden dieser gewidmet. Das ist ein Wert, mit welchem wir im Bundesdurchschnitt deutlich abgeschlagen sind. Uns muss klar sein, dass die „Erziehung zur Demokratie“ kein Selbstläufer ist. Sie muss als wesentlicher Baustein in allen Schulformen verankert sein. Der Interkulturellen Bildung attestiert die GEW ebenfalls, in den Lehrplänen auf der Strecke geblieben zu sein. Das ist besonders fatal! Es ist gerade heute immens wichtig, Schüler*innen die Vielfalt in ihrer Umgebung bewusst zu machen und sie mit Kompetenzen im Bereich der Interkulturalität auszustatten.

Austausch auf Augenhöhe

Im Sinne der Augenhöhe werden inter- kulturelle Kenntnisse im Idealfall interaktiv auch von Schüler*innen an Schüler*innen vermittelt. Interkulturelle Bildung ist dabei nicht nur als Erziehungsstil zu formulieren, ihr ist in den Lehrplänen deutlich mehr Platz einzuräumen. Das ist Aufgabe der Landespolitik. Die aktuellen Vorgaben des Landes bleiben dazu viel zu vage. Die Vermittlung von interkultureller Bildung kann selbstredend nur funktionieren, wenn die Lehrer*innen entsprechendes Fachwissen zu sozialer und kultureller Heterogenität bereits in ihrer eigenen Ausbildung vermittelt bekommen haben. Eine Stadt, in der fast die Hälfte der Bevölkerung einen Migrationshintergrund hat, braucht Lehrer*innen, die entsprechend geschult sind, diese gesellschaftliche Vielfalt erkennen, sie als Möglichkeit begreifen und den Nachwuchs auf eine sich immer weiter globalisierende Welt geeignet vorbereiten. Auf die Schüler*innen hat die Verankerung von interkulturellen Elementen auch den positiven Effekt, dass ihre eigene Persönlichkeit dabei gestärkt wird.

Islamischer Religionsunterricht in den Schulen?

Dem islamischen Religionsunterricht in Bayern bescheinigen wir GRÜNE unter dieser Perspektive persönlichkeitsbildend und gesellschaftlich-integrativ zu sein. Deshalb haben wir uns im Bayerischen Landtag nicht nur für eine Weiterführung in der bisherigen Form als Modellprojekt, sondern für die Umwandlung hin zu einem ordentlichen Lehrfach eingesetzt. Unser diesbezüglicher Antrag ist an den Stimmen der Regierungsparteien gescheitert, wohingegen die AfD sogar dafür plädiert hat, den Islamunterricht gänzlich zu verbieten. Derzeit besuchen fast 16.000 junge Muslim*innen diesen Unterricht. Der Unterricht wird auf Grundlage von in Deutschland entwickelten Lehrplänen und von muslimischen Lehrer*innen in deutscher Sprache durchgeführt. Für die muslimischen Schüler*innen ist das ein wichtiges Zeichen dafür, zusammen mit ihrer Religion Teil des Schullebens sein zu können und keine Ausgrenzung zu erfahren. Sicherlich stellt der Ethikunterricht, dies darf an dieser Stelle nicht unerwähnt gelassen werden, eine sehr interessante Alternative dar, um allen Schüler*innen gemeinschaftlich Werte wie Weltoffenheit, Demokratie oder Kritisches Hinterfragen zu vermitteln. Allerdings ist es im Sinne der Gleichberechtigung wesentlich, dass es auch einen Islamunterricht geben sollte, solange es katholischen, evangelischen, jüdischen oder alevitischen Religionsunterricht an unseren Schulen gibt. Junge Menschen hingegen über die “Nachbarreligionen” aufzuklären und interreligiöse Brücken zu bauen, bleibt aber natürlich eben- falls wichtige Bildungsaufgabe.

(für den Inhalt ist Cemal Bozoğlu verantwortlich)

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