• von Claudia Roth

Der Radverkehr erlebt eine Renaissance. Mehr als ein Drittel aller Menschen in Deutschland fahren täglich oder mehrmals pro Woche Rad. Dabei werden immer größere Distanzen zurückgelegt. Elektroräder erschließen neue Zielgruppen und machen das Radfahren auch für ältere Menschen zunehmend attraktiv. Insbesondere in Städten steht Radverkehr für hohe Lebensqualität. Mit Lastenrädern werden Kinder zur Kita gebracht, Einkäufe transportiert oder Bestellungen zugestellt. Die Fahrradwirtschaft boomt, der Radtourismus verzeichnet Rekordumsätze.
Die Verkehrspolitik muss die positive Entwicklung des Radverkehrs aufgreifen statt sie sich selbst zu überlassen. Wir als Grüne Bundestagsfraktion wollen die Potenziale des Fahrrads für ein klima- und menschenfreundliches Mobilitätssystem ausschöpfen. Radfahren muss für alle leichter, bequemer und sicherer werden – vom Kindergartenkind bis zur Generation „Siebzig plus“. Dafür muss auch der Bund stärker als bisher Verantwortung übernehmen.
Schnell, preiswert, bequem und sicher ans Ziel kommen – das steht für viele bei der Wahl ihrer Verkehrsmittel im Vordergrund. Das Fahrrad spielt dabei vorne mit. Ohne Altersbeschränkung, Führerschein und hohe Kosten hat das Fahrrad kaum Zugangsbarrieren und fast alle Menschen können es nutzen. Städte wie Kopenhagen oder Portland im US -Bundesstaat Oregon haben vorgemacht, dass sich die Lebensqualität erhöht, wenn die Stadtentwicklung auf mehr Radverkehr setzt. An diesen Beispielen orientieren sich Städte aus aller Welt – mit dem Ziel, die Innenstädte vom Autoverkehr zu entlasten. Die Niederlande bekämpfen Staus mit einem umfassenden Radschnellwege- netz. Die systematische und kontinuierliche Radförderung hat dazu geführt, dass dort mehr als ein Viertel aller Wege mit dem Rad zurückgelegt werden.

Radfahren muss sicherer werden

Im Unterschied zum Auto- und Fußverkehr geht die Zahl der verunglückten RadfahrerInnen nicht zurück. Seit der Wiedervereinigung ist der Radfahrendenanteil an den Verkehrstoten von acht auf elf Prozent gestiegen. 2015 waren ein Fünftel aller verletzten Verkehrsteilnehmer Radfahrende, was im Vergleich zu ihrem Verkehrsanteil überproportional ist. Kein Wunder, dass sich in Deutschland die Hälfte der Radfahrerinnen und Radfahrer im Straßenverkehr nicht sicher fühlt! Für die hohe Zahl an Fahrradunfällen ist in erster Linie eine veraltete oder fehlende Radinfrastruktur verantwortlich. Radfahrende kommen auf dem Flickenteppich von Wegen und Führungsformen oft eher schlecht als recht voran. Viele Radwege sind zu schmal, mangels wirksamer Kontrollen zugeparkt oder enden völlig unvermittelt. Rund die Hälfte aller Fahrradunfälle sind Alleinunfälle (Unfälle ohne weitere Unfallbeteiligte), die oftmals auf schlechten Fahrbahnuntergrund zurück zuführen sind.

Der Bund soll Rad-Infrastruktur mitfinanzieren

Der Standard der bestehenden Radverkehrsinfrastruktur genügt vielerorts nicht den heutigen Anforderungen. Beim Ausbau der Radwege wird der Bund seiner Verantwortung nicht gerecht. Wir Grüne im Bundestag fordern deshalb:

Radwege an Bundesstraßen ausbauen und Qualitätsstandards setzen

Wir wollen ein zusammenhängendes Netz überregionaler Radwege. Dafür muss der Bund die Haushaltsmittel für Radwege an Bundesfernstraßen schrittweise von bisher rund 100 auf 200 Millionen Euro pro Jahr erhöhen. Der Bund ist sowohl für unmittelbar an Bundesfernstraßen gelegene als auch für funktional einer Bundesstraße zugeordnete Radwege zuständig.

Radschnellwege fördern

Wir wollen überregionale Radverkehrsverbindungen im Rahmen einer bundesweiten Netzplanung fördern. Der Bund muss in Absprache mit den Ländern einheitliche Standards für Radschnellwege definieren und bedeutende Vorhaben mitfinanzieren. Die Grünen im Bundestag wollen dafür jährlich 100 Millionen Euro bereitstellen.

Verkehrssicherheit in Kommunen verbessern

Der Bund sollte sich stärker an der Gemeindeverkehrsfinanzierung beteiligen, den Umweltverbund stärker finanziell unterstützen und die Mittelzuweisung auf den Radverkehr ausdehnen. Bei der Radinfrastruktur in Städten und Ballungszentren herrscht der größte Handlungsdruck. An verkehrlichen Brennpunkten in Kommunen ereignen sich viele schlimme Unfälle zwischen Auto und Rad. Wir Grüne im Bundestag fordern den Bund dazu auf, in seiner Verantwortlichkeit für die Verkehrssicherheit und den Klimaschutz Kommunen dabei zu unterstützen, den Radverkehr auszubauen und gleichzeitig gefährliche Verkehrsführungen zu beheben.

Straßenverkehrsrecht modernisieren

Ein fahrradfreundliches Verkehrssystem braucht fahrradgerechte Verkehrsregeln. Das deutsche Straßenverkehrsrecht ist in einer Zeit entstanden, in der Vorfahrt für das Auto als fortschrittlich galt. Der Rechtsrahmen entspricht dem veränderten Mobilitätsverhalten der Menschen jedoch in vielfacher Hinsicht nicht mehr. Kinder unter acht Jahren und erwachsene Begleitpersonen sollen gemeinsam auf dem gleichen Weg Radfahren können. Dabei sollte freigestellt sein, ob sie gemeinsam auf dem Rad- oder dem Gehweg fahren. Tempo 30 erhöht die Verkehrssicherheit. Ab Tempo 30 steigt die Unfallschwere dramatisch an. Kommunen sollten deshalb das Recht erhalten, innerorts eigenständig und unbürokratisch über die Einführung von Tempo 30 zu entscheiden, auch wenn es sich um Bundesstraßen handelt.

Lastenräder stärker für Transporte einsetzen
Schon heute werden Lastenräder mancherorts erfolgreich eingesetzt, um zum Beispiel Pakete direkt an die Haustür zu liefern. Diese Entwicklung wollen wir als Grüne Bundestagsfraktion stärker fördern. Besonders interessant sind neue Sharing-Konzepte für diejenigen, die ein Lastenrad nur gelegentlich nutzenmöchten – ähnlich wie beim seit Jahren boomenden Carsharing.

Fahrrad und öffentlichen Verkehr Kombinieren
 Die Grüne Bundestagsfraktion will Rad und öffentlichen Verkehr deutlich besser vernetzen. Gute Radwege und barrierefreie Zugänge zu Bahnhöfen und Haltestellen sowie sichere Abstellmöglichkeiten und Verleihangebote erhöhen die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs und vergrößern seinen Radius. Eine gute Verknüpfung von Rad – und öffentlichem Verkehr hat gerade für ländliche Räume einen hohen Mehrwert und kann die Belastung, die tägliches Pendeln mit dem Pkw hervorruft, vermindern. Auch die Fahrradmitnahme in Zügen sollte vereinfacht und bequemer werden. Wir fordern den Bund auf, in seiner Rolle als Eigentümer die Deutsche Bahn zu verpflichten, in allen Zügen der DB die Fahrradmitnahme zu ermöglichen. Wir wollen mehr Mobilität und weniger belastenden Verkehr. Deutschland braucht die Verkehrswende, um den Menschen nachhaltige, komfortable und bezahlbare Mobilität zu ermöglichen. Eine aktive Radverkehrspolitik und eine bessere Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger sind hierfür wichtige Bausteine.

(Für die Inhalte dieser Seiten ist die Bundestags-
abgeordnete Claudia Roth verantwortlich.)

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