Keine Klimawende ohne Verkehrswende: Augsburg muss Fahrradstadt werden, braucht mehr Tempo 30 und weniger Autos.

von Dr. DENIZ ANAN

Endlich gibt es in der Hermanstraße, zunächst versuchsweise, Fahrradstreifen fast auf der ganzen Länge. Bislang waren Fahrradfahrer*innen auf dieser zentralen Verkehrsachse neben Straßenbahn, parkenden und fahrenden Autos unterwegs. Auch in der Frölichstraße sind auf unsere Initiative hin nun probeweise Radstreifen markiert. Das zeigt, wie viel Platz oft bislang Kfz- und wie wenig Rad- und Fußverkehr zur Verfügung stand. Wir GRÜNEN wollen durch eine zeitgemäße, vorausschauende und mutige Verkehrspolitik einen nachhaltigen Umbau erreichen.

Bürgerbegehren „Fahrradstadt jetzt!“

In intensiven Gesprächen haben sich Vertreter*innen der Stadt und der beiden Fraktionen von GRÜNEN und CSU in den vergangenen Monaten mit den Initiator*innen des Bürgerbegehrens „Fahrradstadt jetzt!“ auf einen öffentlich-rechtlichen Vertrag verständigt. Dieses umfassende Gesamtpaket beinhaltet neben den ursprünglichen Punkten des Radbegehrens (mehr Radwege, mehr Abstellmöglichkeiten und mehr Sicherheit an Kreuzungen und Einmündungen) eine ganze Reihe konkreter Verbesserungen für den Radverkehr:

  • Tempo 30 in der Stettenstraße, der Schertlinstraße, der Pferseer Straße, der Schießstättenstraße und der Holzbachstraße
  • neue Radstreifen in der Stettenstraße und der Ulmer Straße
  • die Umwandlung von 550 Auto-Parkplätzen in Grün-, Spiel- oder Außengastroflächen, Fahrradabstellplätze oder Parkplätze für Carsharing- und Elektroautos
  • sehr viel mehr Fahrrad-Stellplätze in neuen Wohnanlagen, dank eines neuen Stellplatzschlüssels (ein Stellplatz je 25 m² Wohnfläche, und zusätzlich ein Lastenrad-/Anhänger-Stellplatz je Wohnung ab 50 m² Wohnfläche)
  • mehr Fahrradabstellbügel im öffentlichen Raum, u. a. in der Fußgängerzone, der Altstadt, der Maximilianstraße, am Zoo und vor dem Bürgerbüro an der Blauen Kappe
  • deutlich mehr Personal für die Radverkehrsplanung (acht statt drei Stellen ab 2024)
  • deutlich mehr Ausgaben für den Radverkehr im städtischen Haushalt (plus 2,5 Millionen Euro pro Jahr bis 2025)

Somit wird es keine Abstimmung durch die Bürgerschaft geben, bei der es ja auch zu einer Ablehnung des Begehrens hätte kommen können. Anders als ein Bürgerentscheid, der die Stadt nur ein Jahr lang rechtlich bindet, hat der Vertrag eine Laufzeit von fünf Jahren. Und erfahrungsgemäß werden im Konsens erzielte Beschlüsse, bei denen die Beteiligten zusammen am Verhandlungstisch saßen, oft schneller und reibungsloser umgesetzt als im Konflikt getroffene Entscheidungen.

Natürlich ist das Paket ein Kompromiss. Dieser Kompromiss trägt eine deutliche grüne Handschrift und ist nach dem Anfang des Jahres festgelegtem C0 2 -Restbudget ein wichtiger Baustein zur Bekämpfung. Dies belegen nicht zuletzt die zahlreichen Vereinbarungen zu Tempo 30, Radfahrstreifen, Budget, Personal und dem Wegfall von Parkplätzen. Denn bei einem Bürgerentscheid hätten solche „haushaltswirksame Beschlüsse“ aus rechtlichen Gründen keine Rolle spielen dürfen.

Modellstadt Tempo 30

Bisher ist Tempo 50 in geschlossenen Ortschaften die Regel und Tempo 30 die Ausnahme, die außerhalb von Wohngebieten, Unfallschwerpunkten, Seniorenheimen und Kitas gar nicht so leicht von den Kommunen realisiert werden kann. Unsere Stadtratsfraktion begrüßt daher das Vorhaben der Stadt, sich der bundesweiten „Städteinitiative Tempo 30 – für mehr Lebensqualität in Städten und Gemeinden“ anzuschließen. Sie fordert den Bund auf, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kommunen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts anordnen können. Allerdings muss hierfür der Bundesverkehrsminister – derzeit noch Andreas Scheuer (CSU) – zustimmen. Tempo 30 verringert nicht nur Lärm und Abgase, sondern kann auch Leben retten, denn der Anhalteweg bei Tempo 50 ist gegenüber Tempo 30 mehr als doppelt so lang, wie Abbildung 1 zeigt.

 

Weniger Autos in der Innenstadt

Als eine der ersten Maßnahmen hat die schwarz-grüne Stadtregierung beantragt, die Zufahrt in die Straßenzüge des Lechviertels auf den Anliegerverkehr zu beschränken. Hier herrschte bis zur Sanierung und Verkehrsberuhigung der 1980er und 1990er Jahre noch reger Autoverkehr. Heute lädt das Quartier zum Flanieren ein und bietet Augsburger*innen und Besucher*innen eine hohe Aufenthaltsqualität. Auch die Annastraße und die Bürgermeister-Fischer-Straße waren bis in die 1970er normale Autostraßen, die nördliche Maximilianstraße sogar bis in die 1990er. Heute möchte niemand mehr zu diesen Zuständen aus den Zeiten der „autogerechten Stadt“ zurück.

Deutlich weniger Autos wollen wir GRÜNEN auch in den übrigen Innenstadtbereichen. Unser Ziel einer autofreien Innenstadt innerhalb der früheren Stadtmauer konnten wir in den Verhandlungen mit der CSU zwar nicht ganz durchsetzen; vereinbart wurde aber das „Pilotprojekt autofreie Maxstraße“. Wie dieses Ziel zu erreichen ist, ist derzeit Gegenstand von Beratungen. Gemeinsam mit der CSU haben wir beantragt, eine Sperrung zunächst zwischen Moritzplatz und Herkulesbrunnen zu erproben und die Erfahrungen in ein durchdachtes Konzept für eine dauerhafte Sperrung der gesamten Straße einfließen zu lassen. Für uns GRÜNE ist klar: Wir streben eine auf ihrer gesamten Länge autofreie Maximilianstraße an.

So wie in den übrigen Fußgängerbereichen wird es auch in der Maximilianstraße immer ein gewisses Ausmaß an Autoverkehr geben: Denn die Anlieferung (zu bestimmten Stunden) und auch die Zufahrt zu privaten Grundstücken kann nicht untersagt werden. Wir können eine der kunsthistorisch bedeutendsten Straßen Süddeutschlands aber so umgestalten, dass Fußgängerbereiche und Aufenthaltsflächen den Platz erhalten, den Autos in Beschlag nehmen. Die Maxstraße bietet genug Raum für Freiluftcafés, Stadtmöbel, Grünpflanzen, Spielbereiche und vielleicht sogar eine neue Straßenbahnlinie. Aus unserer Sicht soll ein Kreativwettbewerb gute Ideen hierzu liefern. Auch das schon beschlossene Bewohnerparken im Rosenau- und Thelottviertel und die von uns GRÜNEN geforderte Ausweitung auf das Antonsviertel sind Maßnahmen, um Autos aus der Kernstadt herauszuhalten: Denn wo es weniger Parkplätze gibt, kommen weniger Autos. Und auch die

zusätzlichen Radwege in der Innenstadt machen es ein Stück weit weniger attraktiv, die Innenstadt mit dem Auto anzusteuern.

Denn die Organisation von Mobilität stellt, wie die Beispiele gezeigt haben, entscheidende Weichen für die Stadtentwicklung. Die autogerechte Stadt mit ihrer Trennung von Wohnquartieren und Arbeitsplätzen verlangt eine andere Stadtplanung als die von uns angestrebte Stadt der kurzen Wege mit bunten, lebenswerten Quartieren und einem öffentlichen Raum, der den Menschen und nicht das Auto in den Mittelpunkt stellt.

Projekt Fahrradstadt
Schon 2012 hat der Stadtrat das Projekt „Fahrradstadt Augsburg“ beschlossen, um den Radverkehrsanteil durch eine gute Infrastruktur (Radwege, Abstellbügel) zu erhöhen. Aber auch Service und Kommunikation sind Teil des Projektes, ebenso wie Radlwoche und Radlnacht. Augsburg ist auf diesem Weg ein gutes Stück vorangekommen. Leider schreckte man aber zu oft davor zurück, Parkplätze oder Autospuren zu verringern. Wir GRÜNEN wollen hier für ein höheres Tempo sorgen und haben deshalb u. a. auf Pop-Up-Bikelanes und den Radweg in der Hermanstraße gedrängt. Darum begrüßen wir, dass im Vertrag mit ‚Fahrradstadt jetzt‘ deutlich mehr Geld und Personal für den Radverkehr vereinbart wurde, denn nur so kommt Augsburg schnell voran auf dem Weg zur Fahrradstadt.

Beteiligte Personen