— von Claudia Roth

Bezahlbarer Wohnraum wird immer mehr zur Mangelware, nicht nur in Metropolen wie Berlin oder München, sondern auch in deren Zuzugsgebiet – und somit in Städten wie Augsburg. Wohnen ist in vielen Städten zu einer der größten sozialen Herausforderungen angewachsen. Familien mit Kindern, Menschen mit geringem Einkommen und Ältere mit kleiner Rente bangen um ihre lieb gewonnenen Nachbarschaften.
Bundesweit fehlen über 800 000 Wohnungen. Dennoch hat die große Koalition in den letzten Jahren wenig unternommen. Für uns GRÜNEN war hingegen immer klar: Das Grundbedürfnis Wohnen darf nicht zur Ware verkommen. Menschen sollen dort leben können, wo Freunde, Kitas, Schulen und Jobs sind – auch diejenigen mit kleinem Geldbeutel. Wohnungen müssen für alle bezahlbar bleiben. Dazu braucht es Reformen, auch und gerade auf Bundesebene.
Es ist schwer zu sagen, wie viel wir in einer ohnehin schwierigen Koalition mit CDU, CSU und FDP hätten erreichen können. Nun, da die Jamaika-Sondierungen aber gescheitert sind, erscheint mir diese Frage ohnehin müßig. Was nun zählt? Wir werden uns weiterhin vehement für die Reformen einsetzen, die wir für dringlich halten. Und das betrifft vier entscheidende Ebenen.

Eine Millionen Wohnungen schaffen

 Seit die schwarz-gelbe Koalition 1989 die alte Wohnungsgemeinnützigkeit abgeschafft hat, sind über zwei Millionen Sozialwohnungen verloren gegangen. Wir wollen die Wohnungsgemeinnützigkeit deshalb neu beleben. Das Prinzip ist einfach: öffentliches Geld für öffentliche Güter. Insbesondere schlagen wir vor, gezielt Wohnungen zu fördern, die sich junge Familien, Menschen mit wenig Einkommen oder Studierende auf Dauer leisten können. So wäre binnen zehn Jahren der Bau einer Million dauerhaft günstiger Wohnungen erreichbar.
Mehr bezahlbare Wohnungen zu erhalten und neu zu schaffen, erfordert eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen. Es war deshalb ein Fehler, beim Wohnungsbau die Kompetenz komplett an die Länder abzugeben. Der Bund muss zurück in die Verantwortung um bezahlbaren Wohnraum.

Mietsteigerung wirksam bremsen

 Das aktuelle Mietrecht gibt den Vermietern vielerlei Hebel in die Hand, Mieten weiter zu erhöhen – trotz der sogenannten Mietpreisbremse. So dürfen sie bestehende Mieten regelmäßig bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen, wenn die Mieten in diesem Gebiet insgesamt steigen. Auch nach Modernisierungen dürfen die Mieten um elf Prozent der Kosten erhöht werden. Diese und andere Ausnahmen machen die Mietpreisbremse so gut wie wirkungslos.
Hier muss dringend nachgebessert werden. Die Ausnahmen für die umfassende Modernisierung und Wiedervermietungen von Neubauwohnungen müssen gestrichen werden. Außerdem braucht es mehr Transparenz, damit Mieter ihre Rechte auch tatsächlich wahrnehmen können. Zum Beispiel sollten Vermieter zu Beginn des Mietverhältnisses belegen, wie sie auf die Höhe der verlangten Miete kommen – und dass sie die Grenze der Mietpreisbremse auch einhalten.
Was bestehende Mietverhältnisse betrifft, schlagen wir Grüne vor, die erlaubte Mietsteigerung auf 15 Prozent in vier Jahren zu verringern; bisher sind zwanzig Prozent in drei Jahren möglich. Zusätzlich sollten mehr Mieten in die Berechnung der Vergleichsmieten einfließen, und der Betrachtungszeitraum von vier auf zehn Jahre verlängert werden.
Hinzu kommt: Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen dürfen nicht länger unter dem Deckmantel energetischer Modernisierung aus beliebten Vierteln verdrängt werden. Wir wollen deshalb die Umlagefähigkeit der Modernisierungskosten von heute elf Prozent deutlich reduzieren, Luxusmodernisierungen davon ausnehmen – und besagte Umlagefähigkeit nur noch auf Maßnahmen des Klimaschutzes, des Abbaus von Barrieren und zum Einbruchschutz konzentrieren.

 Nachbarschaften schützen

Infolge niedriger Zinsen ist die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen derzeit besonders lukrativ. Damit erhöht sich der Druck auf die angespannten Wohnungsmärkte noch mehr. Hier müssen wir gegensteuern, beispielsweise indem die Kommunen für einzelne Gebiete „soziale Erhaltungssatzungen“ erlassen. Umwandlungen, Umbauten, Zweckentfremdungen und Abrisse werden dadurch genehmigungspflichtig. Ist die vorhandene Bevölkerungsstruktur gefährdet, kann so die Maßnahme versagt oder zumindest Auflagen erteilt werden.
Jedoch zeigt sich in der Praxis, dass dann häufig in andere Gebiete ohne rechtliche Regelung ausgewichen wird. Daher wollen wir GRÜNE, dass Länder und Kommunen selbstständig darüber entscheiden können, ob sie das Instrument weiterhin nur an Gebiete mit sozialer Erhaltungssatzung koppeln – oder für ein ganzes Stadtgebiet erlassen.
Auch die Förderung von Familien und Menschen mit kleinen und mittleren Ein- kommen, die Anteile an Genossenschaften erwerben, ist uns GRÜNEN ein Anliegen und sorgt für den Erhalt einer soziale und guten Mischung in den Städten und Kommunen.

Liegenschaftspolitik neu ausrichten

 Die Bundesregierung könnte mit ihrem großen Bestand an bundeseigenen Wohnungen und Flächen schon heute dazu beitragen, den Wohnungsmarkt zu entspannen. Doch mit der derzeitigen Praxis, Liegenschaften aus öffentlichem Besitz an meistbietende Investoren zu versteigern, verschärft der Bund das Wohnungsproblem, statt es zu lösen. Es ist absurd, wenn die (derzeit kommissarische) große Koalition im Bund öffentliches Wohneigentum meistbietend privatisiert, während Länder und Kommunen astronomische Höchstpreise an Private zahlen müssen, um öffentliches Wohneigentum zu bilden oder teuer neu- zubauen. Wir wollen deshalb einen neuen Umgang mit Immobilien im Besitz des Bundes – im Sinne einer sozialen Bau- und Wohnungspolitik.
Das bedeutet konkret: Zunächst muss der Verkauf aller bundeseigenen Immobilien gestoppt werden, die die jeweiligen Länder und Kommunen brauchen, um die Bevölkerung mit Wohnraum zu versorgen. Daneben sollten Bund, Länder und Kommunen zügig weiterverhandeln – mit dem Ziel, möglichst viele Wohnungsbestände und Liegenschaften für eine soziale Wohnraumversorgung zu nutzen.
Nur so nämlich begrenzen wir Mieterhöhungen auch wirklich wirksam, vermeiden Verdrängung und schützen Nachbarschaften. Auch in Augsburg.

diesen Artikel und mehr im neuen Stadtgrün