Verena von Mutius-Bartholy: Warum braucht Augsburg die Straßenbahnlinie 5?

Matthias Lorentzen: Die Straßenbahnlinie 5 ist ein wichtiger Bestandteil des Jahrhundertprojektes Mobilitätsdrehscheibe Augsburg. Sie verbindet Hauptbahnhof und Innenstadt mit den neu entstandenen Wohnvierteln entlang der Bürgermeister-Ackermann-Straße und dem Universitätsklinikum. Bisher verkehrt hier nur die Buslinie 32 im 15-Minuten-Takt. Die Straßenbahn verkehrt öfter, ist bequemer und zuverlässiger und somit die viel attraktivere Alternative zum Auto. Daher müssen wir den Bau, der seit fast zehn Jahren geplant wird, nun zügig auf den Weg bringen.

Verena von Mutius-Bartholy: Warum haben sich die Stadtwerke, unterstützt von den GRÜNEN, für die „geflügelte Variante“ entschieden?

Dr. Deniz Anan: Die „geflügelte Variante“ sieht vor, dass die Straßenbahn stadtauswärts über die Rosenaustraße und Pferseer Straße zur Luitpoldbrücke geführt wird. Hier biegt die Linie 5 dann rechts in die Holzbachstraße. Stadteinwärts verläuft die Trasse entlang der Hörbrotstraße durchs Thelottviertel. Diese Trassenführung hat, obwohl die Fahrzeit etwas länger und die Kosten etwas höher sind, sehr viele Vorteile: Der Auto- und Fahrradverkehr wird an der Kreuzung Rosenaustraße / Pferseer Straße (bei der heutigen Haltestelle) nicht über Gebühr belastet. In der Rosenaustraße können die schönen Alleebäume definitiv erhalten bleiben und wir laufen nicht Gefahr, den unter der Straße verlaufenden breiten Abwasserkanal für einen zweistelligen Millionenbetrag sanieren zu müssen. In Hörbrot- und Holzbachstraße sorgen Einbahnstraßen für Verkehrsberuhigung und in der Pferseer Straße gibt es Platz für neue Fahrradstreifen.

Matthias Lorentzen: Für die „geflügelte Variante“ sprach sich 2014 aus guten Gründen auch der Bürgerworkshop „Go West!“ aus. Und die GRÜNEN und OB-Kandidatin Martina Wild haben sich im Wahlkampf kritisch zur Prüfung immer neuer Varianten gezeigt und klar die zügige Fertigstellung der Linie 5 gefordert, zum Beispiel in einer eigenen Pressemitteilung zum Thema Mobilität.

Verena von Mutius-Bartholy: Nun bringen ja verschiedene Seiten die „Variante König“ ins Spiel. Warum sind die GRÜNEN hiervon nicht überzeugt?

Dr. Deniz Anan: Die „Variante König“ entspricht ja letztlich der schon früher lange diskutierten
Rosenautrasse. Einziger Unterschied ist der Verzicht auf einen eigenen Gleiskörper, die Straßenbahn soll also im Autoverkehr „mitschwimmen“. Anders als früher bekommt man auch für solche Bauvorhaben inzwischen Fördergelder. Das heißt aber nicht, dass so ein „Mitschwimmen“ auch sinnvoll wäre: Ohne eigenen Gleiskörper steht die Straßenbahn bei Störungen, wie zum Beispiel Unfällen, mit den Autos im Stau. Der bringt einem die auf dem Papier kürzere Fahrzeit dann wenig.

Matthias Lorentzen: Außerdem würden an der Kreuzung Rosenaustraße / Pferseer Straße vier Straßenbahnen in fünf Minuten verkehren, also eine Straßenbahn alle eineinviertel Minuten. Das würde den Auto- und Fahrradverkehr stark behindern. Damit die Kreuzung den Verkehr noch aufnehmen könnte, müsste man das Linksabbiegen von der Rosenau- in die Pferseer Straße verbieten. Stadteinwärts würden die Autos dann über die Schlettererstraße fahren und hier die Straßenbahn stören. Dann würden schnell wieder Rufe nach der völlig aus der Zeit gefallenen Entlastungsstraße am Westrand der Bahntrasse laut.

Verena von Mutius-Bartholy: Lohnt es sich nicht trotzdem, die „Variante König“ vertieft zu prüfen?

Dr. Deniz Anan: Dann müssten konsequenterweise alle 33 Varianten daraufhin geprüft werden, ob Teile ohne eigenen Gleiskörper realisiert werden. Auch die Hörbrottrasse, auch die Hessenbachtrasse, auch die „Große Flügelung“ usw. Das kann eigentlich nur wollen, wer den Straßenbahnbau auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben will.

Verena von Mutius-Bartholy: Haben die GRÜNEN diese Linie denn im Wahlkampf klar dargelegt?

Matthias Lorentzen: Ja. Martina Wild hat als OB-Kandidatin die „Variante König“ ablehnend beurteilt und schwarz auf weiß erklärt: „Statt weiterer Debatten, statt weiterer Verzögerungstaktiken wollen wir eine schnelle und zügige Realisierung der Linie 5.“ Nachzulesen unter:

https://gruene-augsburg.de/fraktion00/pressemitteilungen/pm-fraktion-single/article/gruene_mobilitaetsziele_menschen_bewegen_statt_autos/

https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Der-Streit-um-die-Strassenbahnlinie-5-geht-weiter-id56919086.html

Verena von Mutius-Bartholy: Bei der Flügelung muss die Linie 5 zwei scharfe Neunzig-Grad-Kurven bewältigen…

Dr. Deniz Anan: Scharfe Kurven sind bei beiden Varianten zu bewältigen. Denn bei der „Variante König“ müsste die Linie 3 ja an der Kreuzung Rosenaustraße / Pferseer Straße im Neunzig-Grad-Winkel abbiegen. Hier sehe ich unterm Strich keinen Vorteil der „Variante König“.

Verena von Mutius-Bartholy: Warum führt man die Straßenbahn dann nicht in beiden Richtungen auf dem direkten Weg, über die Hörbrotstraße?

Matthias Lorentzen: Das hat man geprüft. Dagegen sprechen der wenige Platz im Thelottviertel und der zusätzliche Lärm für die Bevölkerung dort.

Verena von Mutius-Bartholy: Viele sagen, die Trassenführung über die Rosenaustraße sei nie ernsthaft geprüft worden, auch nicht im Rahmen des Bürgerdialogs „Go West!“.

Matthias Lorentzen: Das stimmt so nicht. Der Bürgerworkshop hat sich damals bewusst gegen die Rosenautrasse entschieden, einfach, weil die Rosenaustraße die beschriebenen Nachteile hat.

Verena von Mutius-Bartholy: So manche*r schüttelt den Kopf, wenn 2023 ein Bahnhofstunnel fertiggestellt wird, aus dem keine Straßenbahnen in Richtung Westen ausfahren.

Dr. Deniz Anan: Optimal ist das nicht. Aber wir alle wollen doch die dauerhaft beste Lösung und keinen Schnellschuss. Die „geflügelte Variante“ hat auch ihre Nachteile, ist aber alles in allem ein sehr guter Kompromiss.

Beteiligte Personen