Konzeptvergabe – Was ist das eigentlich?

Bezahlbarer Wohnraum ist knapp, Boden ist wertvoll – die Vergabe von Baugrund geht mit Verantwortung einher, der wir uns durch gezielte Förderung zukunftsweisender Projekte und innovative Selektionsmodelle stellen. Wir haben uns deshalb 2020 bei den Koalitionsverhandlungen dafür stark gemacht, dass die Vergabe städtischer Grundstücke künftig an bestimmte Bedingungen geknüpft wird. Auf diese Weise wollen wir erreichen, dass 

  • ökologische und soziale Kriterien im Vordergrund stehen (z.B. hoher Energiestandard, zirkuläres Bauen, niedrige Mieten),
  • innovative und inklusive Modelle des Zusammenlebens gefördert (z.B. Mehrgenerationenwohnen, Gemeinschaftsflächen, flexible Wohnungsgrundrisse)
  • und positive Effekte für das Umfeld (z.B. Reparaturwerkstatt, Sharing-Angebote, Öffnung von Grünflächen ins Quartier) berücksichtigt werden.

Im Rahmen eines Konzeptvergabeverfahrens entscheidet nicht das Höchstgebot über den Zuschlag, sondern die beste Idee bzw. das nach definierten Kriterien überzeugendste Konzept.

Konzeptvergabeverfahren auf dem Sheridan-Areal

Den Auftakt für die erste Konzeptvergabe in Augsburg bildete ein Beschluss im Bauausschuss am 16. Oktober 2019. Die Verwaltung sollte demzufolge “ein Konzeptvergabeverfahren für die Vermarktung der Wohnbaugrundstücke im Nordosten der Sheridan-Kaserne nach Baurechtschaffung vorbereiten”. Entwicklungsträgerin und Treuhänderin für die Stadt Augsburg ist die Wohnbaugruppe Augsburg Entwickeln GmbH. Vier Baufelder wurden zur Vergabe ausgeschrieben. Beworben hatten sich insgesamt 19 Baugruppen. Ein 12-köpfiges Auswahlgremium hat dem Stadtrat Vorschläge unterbreitet, die in der Sitzung vom 22. Juli 2021 schließlich bestätigt wurden. Den Zuschlag haben folgende Baugruppen erhalten:

  • Baugemeinschaft Sheridan Park & Junia GbR
  • Bauverein „Stadt für Alle!“ im Mietshäuser Syndikat, inzwischen Sherlo e.V.
  • Wohnbaugenossenschaft wagnis eG
  • WOGENAU eG

Die Grundstücke wurden zunächst für 18 Monate, bis zum 31. März 2023, zum ermittelten Verkehrswert reserviert. Innerhalb dieser Frist sollten die vier Baugruppen ihre Projekte jeweils weiterentwickeln, so dass die notarielle Beurkundung erfolgen kann. Zwei Baugruppen haben ihre Grundstücke inzwischen erworben und die Reservierungsphase damit abgeschlossen. Bei zwei weiteren Projekten hat innerhalb der Reservierungsphase keine notarielle Beurkundung des Kaufvertrags stattgefunden.

Verschlechterte Rahmenbedingungen für Bauvorhaben

Die Voraussetzungen für die Realisierung von Bauvorhaben sind derzeit denkbar ungünstig und es ist noch nicht absehbar, wann sich die Lage wieder entspannt. Der überraschende Wegfall der KfW-Förderung, Fachkräftemangel, Materialengpässe, hohe Preise für bestimmte Baustoffe und wesentlich höhere Zinsen führen zu Unsicherheit und einem enormen Anstieg der Gesamtkosten. Diese Entwicklungen gefährden v.a. Bauvorhaben mit hohen ökologischen und sozialen Ansprüchen – wie die Baugruppen auf dem Sheridan-Gelände. Die Sheridan-Baugruppen haben in den letzten Jahren erhebliche Leistungen erbracht, um ihre Projekte auf Basis der städtischen Vorgaben zu entwickeln. Dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sich noch innerhalb der Konkretisierungsphase so dramatisch verschlechtern, war nicht absehbar. Wir GRÜNE haben deshalb an die Stadtverwaltung appelliert, alle Register zu ziehen, um die Baugruppen in dieser schwierigen Phase zu unterstützen, denn hier wird in vorbildlicher Weise Wohnraum sowie ein deutlicher Mehrwert für den sozialen Zusammenhalt im Quartier geschaffen!

Vorstöße zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und Resultate

Die Grüne Stadtratsfraktion war im Austausch mit den vier Baugruppen und hat zu deren Unterstützung im November 2022 sowie im Februar 2023 Anfragen an die Stadtverwaltung (ANF/22/08472 und ANF/23/08894) gerichtet mit dem Ziel, verschiedene Ansätze zur Unterstützung der Baugruppen prüfen zu lassen.

Die gute Nachricht zuerst: Eine Verlängerung der Reservierungsphase um maximal sechs Monate bzw. eine Aussetzung des Verfahrens für maximal sechs Monate mit anschließender Bearbeitungszeit von zusätzlichen drei Monaten ist auf Antrag möglich, sofern gewichtige Gründe nachgewiesen werden können. Damit erhalten die beiden Baugruppen, die noch nicht gekauft haben, einen Spielraum, um offene Fragen zu klären und potenzielle Handlungsoptionen auszuloten. Allerdings endet mit dem Ablauf der (ersten) Reservierungsphase die Bindung an die Verkehrswerte, die für das Konzeptvergabeverfahren ermittelt wurden. Eine Nachbewertung muss erfolgen und wird voraussichtlich mit einer weiteren Kostensteigerung einhergehen. 

Zentrale Hemmnisse bei der Unterstützung der Baugruppen:

  • Der sog. Vergabeverfahrensanspruch (nach den EU-Grundfreiheiten und Art. 3 Abs. 1 GG) lässt nicht zu, dass die ursprünglich ausgeschriebenen Verfahrensbedingungen, z.B. die Erwerbskonditionen, nachträglich verbessert werden. Unterlegene Mitbewerber*innen oder solche, die aufgrund der in den Informationsunterlagen kommunizierten Bedingungen auf eine Bewerbung verzichtet haben, könnten sich andernfalls einklagen. Aus diesem Grund ist es auch nicht möglich, die Reservierungsfrist ohne Neubewertung des Verkehrswerts zu verlängern oder eine Stundung des Grundstückskaufpreises zu gewähren. 
  • Auch das kommunalrechtliche Verbot der Unterwertveräußerung (nach Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BayGO und § 169 Abs. 8 BauGB), also einer Veräußerung unter dem ermittelten Verkehrswert, schränkt die Interventionsmöglichkeiten ein. Es ist juristisch nicht zulässig, den Baugruppen mit einem günstigeren Preis entgegenzukommen. Wir haben in Erfahrung gebracht, dass auch Gemeinbedarfsflächen eine Reduzierung des Verkehrswerts nicht rechtfertigen.
  • Aufgrund hemmender Vorgaben des nationalen Regulierungsrechts für das Kreditwesen (nach Art. 87 Abs. 4 BayGO) ist der Stadt etwa die Ausgabe von Darlehen zur Kaufpreisfinanzierung untersagt.

Eine weitere Idee, der wir nachgegangen sind, ist die Anwendung der Verbilligungsrichtlinie der BImA (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben). Kommunen wird vom Bund der “verbilligte” Direkterwerb entbehrlicher Liegenschaften angeboten. Auch eine Weiterveräußerung an private Dritte ist möglich, sofern diese zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben beitragen. Im konkreten Fall kann die Verbilligungsrichtlinie allerdings nicht angewendet werden, weil der Erwerb der Sheridan-Kaserne durch die Stadt am 30. September 2005 in einen Zeitraum fällt, in dem vom Bund keine zweckgebundenen Verbilligungen gewährt wurden.

Ausblick

Wir bedauern, dass die bisherige KfW-Förderung für den KfW-55-Standard im Januar 2022 eingestellt wurde und der Wegfall viele Bauherr*innen in Bedrängnis gebracht hat. Seit März 2023 unterstützt das neue Bundesförderprogramm  „Klimafreundlicher Neubau“ Bauvorhaben, die mindestens einen KfW-40-Standard erfüllen. Darüber hinaus setzen wir uns auf allen Ebenen – auch mit Blick auf kommunale Fördertöpfe – für bessere Fördermöglichkeiten ein.

Aus unserer Sicht war dieses erste Konzeptvergabeverfahren in Augsburg sehr transparent und partizipativ gestaltet. Die Stadtverwaltung kann daraus wertvolle Erfahrungen für weitere Konzeptvergaben ableiten. Wir wünschen uns angesichts der unvorhersehbaren Schwierigkeiten für die Baugruppen und der begrenzten Handlungsoptionen seitens der Stadt, dass bei künftigen Verfahren schon im Rahmen der Ausschreibung mehr Flexibilität ermöglicht wird.

Der Bauausschuss hat beschlossen, dass die Vergabe städtischer Baugrundstücke auch in Zukunft einen Mehrwert im Sinne der nachhaltigen Stadtentwicklung bewirken soll. Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass Konzeptvergaben der richtige Weg hin zu mehr ökologischer und sozialer Gemeinwohlorientierung auf dem Wohnungsmarkt sind und freuen uns, dass Augsburg mit uns diesen vielversprechenden Kurs eingeschlagen hat!

Weitere Informationen können auf der Seite der Stadt abgerufen werden. Dort werden u.a. zentrale Fragen zum gemeinschaftlichen Bauen beantwortet (z.B. “Wie läuft ein Wohnprojekt ab? Von der Idee bis zum Einzug”). Außerdem kann man sich dort für einen Newsletter anmelden, um im Hinblick auf weitere Konzeptvergabeverfahren auf dem Laufenden zu bleiben.

Beteiligte Personen