Die Wohnungsnot in Augsburg ist groß. Ebenso groß sind aber auch Veränderungswille, Kreativität und Gestaltungskraft in unserer Stadt. Unsere Stadträt*innen waren vor Ort bei wichtigen Augsburger Einrichtungen und Initiativen. Die vielfältigen Begegnungen haben einen nachhaltigen Eindruck bei uns hinterlassen. Wir sind optimistisch, dass wir gemeinsam mit all den engagierten, idealistischen, mutigen Menschen Wege aus der Wohnraumkrise finden.

Übergangswohnheim für obdachlose Männer

Es gibt zahlreiche Gründe, warum Menschen ihr geregeltes Leben, ihr Obdach verlieren. Auch die schwierige Lage auf dem Mietwohnungsmarkt spielt dabei eine Rolle. Sie leben oft unsichtbar am Rande der Gesellschaft – ohne Sicherheit, ohne Perspektive. Im städtischen Übergangswohnheim für obdachlose Männer, das der SKM Augsburg – Katholischer Verband für soziale Dienste e.V. im Auftrag der Stadt Augsburg betreibt, wird ihr Elend und Unglück sichtbar.

Die Einrichtung hat 96 Plätze in Doppelzimmern. Viele der Bewohner sind belastet (sucht- oder psychisch krank und dabei meist
ohne ausreichende Krankheitseinsicht) und/ oder gebrechlich. Manche sind pflegebedürftig. Das Übergangswohnheim ist für die meisten dieser Bewohner eine schlechte Notlösung, denn eigentlich bräuchten sie eine dauerhafte Bleibe in einem Altersheim oder in einer stationären Einrichtung, die ihre besonderen Umstände berücksichtigt.

Auch wenn die Mitarbeitenden des Übergangswohnheims großartige Arbeit leisten und regelmäßig an ihre Grenzen gehen, um den Menschen zu helfen, können sie die intensive, dauerhafte Betreuung, die notwendig wäre, nicht leisten. Immerhin gibt es inzwischen einen Aufzug sowie Sicherheitsglas und Security in den Abend- und Nachtstunden, um das Personal zu unterstützen. Der offene Austausch mit Wohnheimleiter Dominik Appelt war ebenso erschütternd wie aufschlussreich. Wir nehmen die Eindrücke mit in unsere politische Arbeit.

Pa*radieschen e.V.

Das Pa*radieschen ist ein Wohnprojekt, das bezahlbaren Wohnraum und Raum für kulturelle, ökologische, soziale und politische Aktivitäten schaffen will. Finanziert wird das Projekt nach dem Modell des Mietshäuser Syndikats. Ein Hausverein erwirbt eine Immobilie gemeinsam mit der Miethäuser Syndikat GmbH. Die Finanzierung erfolgt teils über Bank-, teils über Direktkredite, die Tilgung der Kredite über die Mieten der Bewohner*innen bzw. Vereinsmitglieder. Das Konstrukt gewährleistet, dass die Immobilie nicht mehr verkauft werden kann und dauerhaft als bezahlbarer Wohnraum erhalten bleibt. Wer dort wohnt, kann sich auf stabile Mieten verlassen und ist vor Kündigung geschützt. 193 Syndikatsprojekte gibt es schon in Deutschland, viele weitere sind im Aufbau – wie das Pa*radieschen.

Lange hat die Gruppe nach einer passenden Immobilie gesucht, bevor sie in der Weißenburger Straße in Pfersee fündig geworden ist. Wir haben die Baustelle besucht und uns von Emanuel und Nils zeigen lassen, was hier alles entstehen soll. Vor allem geht es darum, langfristig bezahlbaren Wohnraum zu sichern, ein hierarchiefreies Zusammenleben zu ermöglichen und einen offenen Begegnungsort zu schaffen. Der Besuch hat uns in der Überzeugung bestätigt, die auf allen politischen Ebenen handlungsleitend sein muss: Wohnen ist ein Grundbedürfnis und darf keine x-beliebige Ware sein, die reinen Marktgesetzen unterliegt!

Studierendenwerk Augsburg

Die Wohnraumkrise trifft Studierende besonders hart. Oft können sie ihren Lebensunterhalt nur über zusätzliche Jobs finanzieren. Ich habe erst im November das Studierendenwerk besucht und mit der neuen Geschäftsführerin Selina Exarchos und Pressesprecher Michael Noghero unter anderem über die Wohnsituation der Studierenden und Bauflächen für mögliche neue Wohnheime gesprochen. Es war ein sehr guter und intensiver Austausch. Als hochschulpolitischer Sprecher stehe ich auch im direkten Austausch mit Hochschulleitungen und Studierenden. Um die Situation, speziell im Hinblick auf den Mangel an bezahlbarem Wohnraum, für Studierende zu verbessern, setze ich mich für die Etablierung einer Hochschulkoordinierungsstelle ein. Als institutionalisierte Schnittstelle zwischen Stadt, Universität Augsburg, Technischer Hochschule Augsburg, Studierendenwerk sowie weiteren zentralen Akteur*innen des Hochschulwesens soll die Hochschulkoordinierungsstelle unter anderem die Lebensqualität Studierender durch Maßnahmen in den Bereichen Wohnen, Mobilität, kulturelle Angebote und soziale Inklusion verbessern.

Wogenau eG

Wir stehen vor dem Baufeld Nr. 14 am Sheridan Park im Augsburger Westen. Hier entsteht genossenschaftlicher Wohnraum „von Augsburgern für Augsburger“ – 55 unterschiedlich große Wohnungen, teilweise gefördert, ein Gemeinschaftsgarten, ein Innenhof für Feste und zum Spielen und eine große Dachterrasse für alle Bewohner*innen. Die WOGENAU hat zusammen mit drei anderen Baugruppen bei der ersten Augsburger Konzeptvergabe den Zuschlag bekommen. Vier Grundstücke wurden nicht nach höchstem Gebot, sondern nach bestem Konzept vergeben. Überzeugt hat die 2019 neu gegründete Genossenschaft mit ihrem innovativen Wohnkonzept und der ökologisch nachhaltigen Bauweise. Im Inneren des energieeffizienten Holzbaus werden über 300 Quadratmeter der gesamten Hausgemeinschaft für verschiedene Aktivitäten zur Verfügung stehen – beste Voraussetzungen, damit sich eine lebendige Nachbarschaft entwickeln kann. Am 21. September 2024 wurde der Spatenstich gefeiert. Ich habe mich mit WOGENAU-Vorständin Dr. Hilde Strobl auf der Baustelle getroffen und über den Baufortschritt und die nächsten Etappenziele gesprochen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie herausfordernd es derzeit ist, sozialgerechte Bauprojekte umzusetzen. Auch die WOGENAU kämpft mit den schwierigen Rahmenbedingungen. Aber mit sehr viel Idealismus und Engagement konnten schon zahlreiche Hürden überwunden werden. Die Bauarbeiten sind im Gange. Die WOGENAU will die Tradition der Augsburger Wohnungsbaugenossenschaften fortführen und soziale Verantwortung übernehmen. Wir wünschen ihr viel Erfolg bei dem Vorhaben, „Teil einer Wohnungsbewegung“ zu sein, die auch wir als Grüne Stadtratsfraktion nach Kräften unterstützen.

Tür an Tür - miteinander wohnen und leben gGmbh

Im Rahmen unserer Konferenz #grünbewegt WOHNRAUM – bezahlbar – ökologisch – neu gedacht haben wir eine Fahrradexkursion zum neuen Wohnprojekt der Tür an Tür – miteinander wohnen und leben gGmbH in der Alfred-Nobel-Straße 6 unternommen. Unsere baupolitische Sprecherin Christine Kamm leitet das Projekt und hat uns die Baustelle gezeigt. Das Gebäude ist in serieller Holzbauweise mit Klimastandard 40EE gebaut – mit begrüntem Solardach. Es gibt dort ein Sozialcafé und einen eigenen Spielplatz, auf dem Dach eine Orangerie und Urban Gardening. Die Gemeinschaftsbereiche spielen eine wichtige Rolle für das Zusammenleben in der Anlage und das Ziel des Projekts: Die Bewohner*innen sollen hier nicht „nur“ wohnen, sondern miteinander leben. Es geht um die gesellschaftliche Teilhabe von Geflüchteten, Immigrant*innen und Menschen mit ausländischen Wurzeln. Sie sollen darin gestärkt werden, für sich selbst zu sprechen, zu handeln und zu sorgen. Die ersten Bewohner*innen sind im September 2024 eingezogen. Insgesamt stehen 18 ganz unterschiedlich große, barrierefreie Wohnungen auf 1234 Quadratmetern zur Verfügung – 17 davon sind auf 40 Jahre sozial gebunden.

45 Menschen, Familien, Alleinerziehende, Senior*nnen, Azubis, Geflüchtete mit Anerkennung, Mitarbeiter*innen und Studierende der Uniklinik haben hier ein sicheres Zuhause gefunden. So sieht eine nachhaltige Lösung der Wohnraumkrise aus!

Westendorfer Weg

Im „Fischerholz“ lebten in den Nachkriegsjahren Sinti*zze, Rom*nja, Jenische, Artist*innen, Hilfsarbeiter*innen, Kriegsversehrte, Ausgebombte und viele andere Gruppen am Rande der Gesellschaft in provisorischen Not- und Wohnwagenlagern. Heute schreibt der Ort ein neues Kapitel. Im Westendorfer Weg wurde nun neu gebaut. Seit Juni 2024 finden hier Menschen, die sich auf dem freien Wohnungsmarkt besonders schwer tun, ein Zuhause zu finden. Alleinerziehende, kinderreiche Familien, Familien mit Fluchtgeschichte oder Menschen mit Behinderung können hier leben, sich begegnen, einander unterstützen. Ein sozialpädagogisches Angebot ist fester Bestandteil des Konzepts und reicht von begleiteter Elternschaft für Eltern mit Behinderung über Vermittlung bei Konflikten bis hin zur Unterstützung bei der Beantragung von behördlichen Hilfeleistungen. So soll den Bewohner*innen der vier Mehrfamilienhäuser gesellschaftliche Teilhabe und ein Wiedereinstieg in ein selbstverantwortliches Leben erleichtert werden.

Wir waren vor Ort und haben die lebendige und freundliche Atmosphäre sehr genossen. Im Gespräch mit der Sozialarbeiterin Frau Grünwald und Julia Hüther vom Amt für Wohnbauförderung und Wohnen der Stadt Augsburg haben wir erfahren, dass man den Kontakt zur Nachbarschaft noch verbessern möchte. Es gibt daher Überlegungen, ein offenes Kennenlern-Quartiersfest zu veranstalten. Außerdem wäre ein wohnortnaher Bolzplatz für die Kinder wünschenswert. Wir nehmen viele Eindrücke mit in unsere politische Arbeit und freuen uns, dass hier so ein außergewöhnlicher Ort entstanden ist – ein Erfolgsmodell, das perspektivisch als Vorbild für weitere Projekte in Augsburg dienen kann.

WBG

Die Augsburger Wohnbaugruppe (WBG) ist ein gemeinwohlorientiertes Wohnungsunternehmen der Stadt Augsburg – seit 1927. Sie ist eine der wichtigsten Akteur*innen auf dem Augsburger Wohnungsmarkt, insbesondere was die Bereitstellung von bezahlbarem, sicherem und sozial ausgewogenem Wohnraum betrifft. An vielen Entwicklungen in Augsburg war die WBG maßgeblich beteiligt. Die WBG hat unter anderem zahlreiche Wohnungen für Sowjetzonenflüchtlinge in der Nachkriegszeit und Werkswohnungen für Industriearbeiter*innen in den Wirtschaftswunderjahren geschaffen, im Zuge der Altstadtsanierung in den 1980er Jahren hat sie etliche Wohngebäude errichtet bzw. modernisiert und seit dem Abzug der US-Streitkräfte in den 1990er Jahren erarbeitet sie Umnutzungskonzepte für die drei großen Kasernenareale und setzt sie baulich um (Entwicklungsträgerin ist die AGS – Augsburger Gesellschaft für Stadtentwicklung und Immobilienbetreuung, eine Tochtergesellschaft der WBG). Mit ins-
gesamt über 10.000 Wohnungen und etwa 21.000 Mieter*innen ist die WBG die größte Vermieterin im Augsburger Stadtgebiet. Viele dieser Wohnungen sind EOF-gefördert (Einkommensorientierte Förderung). Der überraschende Wegfall dieser Fördermittel blockiert momentan die Realisierung wichtiger Bauprojekte – schlechte Nachrichten in der Wohnraumkrise! Wir hoffen sehr, dass die bayerische Staatsregierung die Bedeutung kommunaler Wohnungsunternehmen erkennt, die erforderlichen Mittel aufstockt und entsprechend verteilt. Als Stadtratsfraktion sind wir eng mit der WBG verbunden und stehen in regelmäßigem Austausch. Gemeinsam verfolgen wir das Ziel, die Wohnungsnot in Augsburg nachhaltig zu bekämpfen – durch behutsamen, nachhaltigen Neubau und innovative Modelle wie Wohnungstausch.

Beteiligte Personen