Kinder starten ihren Lebensweg unter ganz unterschiedlichen Bedingungen und stehen im Laufe ihrer Entwicklung vor ebenso unterschiedlichen Herausforderungen. Aber ALLE sollten so gefördert werden, dass sie möglichst selbstbestimmt teilhaben und ihre Umwelt aktiv mitgestalten können. Dafür sind geeignete Förderstrukturen erforderlich. Einrichtungen wie die Frère-Roger-Schule und das Frère-Roger-Kinderzentrum in Augsburg leisten vor diesem Hintergrund eine unschätzbar wichtige Arbeit, denn Inklusion heißt Unterstützen statt Behindern!

Unsere Stadträtin und sozialpolitische Sprecherin Melitta Hippke hat Sabine Thum, Schulleiterin der Frère-Roger-Schule, und Nadja Galanti, Leiterin des teilstationären Bereichs des Frère-Roger- Kinderzentrums sowie des Familienzentrums Peter und Paul, zum Gespräch getroffen.
Die Frère-Roger-Schule ist eine Schule des Frère-Roger-Kinderzentrums, das zur Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Augsburg e. V. (KJF Augsburg) gehört. Im Förderzentrum auf dem Campus des Kinderzentrums gehen Beschulung und außerschulische Begleitung Hand in Hand. Nach dem Unterricht erhalten die Kinder und Jugendlichen Förderung in teil- und vollstationären Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe. Die Lehrkräfte und das therapeutische Fachpersonal arbeiten eng zusammen.

Melanie Hippke: Frau Thum, was ist das Besondere an der Frère-Roger-Schule? Können Sie uns einen kleinen Einblick in die Arbeit des Förderzentrums geben?

Sabine Thum: Die Frère-Roger-Schule hat einen Förderschwerpunkt auf emotionaler und sozialer Entwicklung und wird von Kindern und Jugendlichen besucht, die an den Regelschulen aufgrund der Rahmenbedingungen nicht beschult werden können. Das Ziel ist eine Stabilisierung, so dass die Schüler*innen (zurück) ins Regelschulsystem wechseln können. Um das zu ermöglichen, unterrichten wir nach dem LehrplanPLUS für Grundschulen und Mittelschulen.

Melanie Hippke: Und worin besteht Ihre Aufgabe am Frère-Roger-Kinderzentrum, Frau Galanti?

Nadja Galanti: Ich bin dort als Leitung der teilstationären Angebote und unseres Fachbereichs Kindertagesstätten tätig. Mit unseren Angeboten unterstützen und begleiten wir Kinder, Jugendliche und deren Familien in mitunter herausfordernden Lebenslagen und vermitteln passgenaue Bildungs- und Betreuungsangebote.

Melanie Hippke: Gibt es in Ihrem Bereich eine vergleichbar konkrete Zielsetzung wie am Förderzentrum?

Nadja Galanti: In den heilpädagogischen Tagesstätten fördern wir die sozial-emotionale Entwicklung und machen die Zugehörigkeit zu einer Gruppe für die Kinder oder Jugendlichen erlebbar. Sie sollen durch das Angebot die Möglichkeit haben, inklusiv am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und sich ihrem Alter entsprechend entwickeln können. Dafür ist auch eine gute sprachliche Bildung notwendig. Diese gehört zu den Kernaufgaben des Vorschulbereichs. Im interkulturell geprägten Stadtteil Augsburg-Oberhausen legen wir auf sprachliche Angebote sehr viel Wert. Aus den vergangenen Jahren gibt es mehrere Beispiele für gelungene sprachliche sowie inklusive Förderung, die mich bis heute freuen. Besonders Familien mit Flucht- oder Migrationshintergrund konnten über eine enge Begleitung im deutschen Bildungssystem Fuß fassen und sprachlich so gefördert werden, dass ihre Kinder im Schulsystem heute sehr erfolgreich sind.

Melanie Hippke: Mit welchen wiederkehrenden Schwierigkeiten sehen Sie sich bei Ihrer Arbeit konfrontiert?

Sabine Thum: In den vergangenen Jahren hat der Bedarf an Schulplätzen für Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung zugenommen. Die Anfragen an der Frère-Roger-Schule und an den anderen Förderzentren in Augsburg übersteigen deutlich die vorhandenen Plätze. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, der sich auch bei uns bemerkbar macht.

Nadja Galanti: Der Fachkräftemangel ist tatsächlich ein riesiges Problem. Für die professionelle Begleitung und Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und deren Eltern sind gut ausgebildete Mitarbeitende essenziell!

Melanie Hippke: Was motiviert sie trotzdem weiterzumachen?

Nadja Galanti: Es macht Spaß, das einzigartige Potential und die Stärken jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen zu erkennen und zu fördern – egal ob diese im motorischen, sprachlichen, mathematischen, musisch-künstlerischen Bereich liegen! Außerdem ist unsere Arbeit unabdingbar! Spätestens Corona hat gezeigt, wie wichtig die Kinder- und Jugendhilfe sowie die pädagogische Arbeit mit all ihren Maßnahmen und Angeboten ist. Sie hat zur Aufrechterhaltung des alltäglichen Lebens beigetragen. Unsere Arbeit muss weiterhin sichtbar gemacht werden und Wertschätzung erhalten! Junge Menschen müssen Interesse und Lust darauf haben, einen pädagogischen Beruf zu erlernen. Pädagogische Berufe sind vielseitig, wandelbar und ein wichtiger Teil des gesellschaftlichen Lebens. Das muss als Chance gesehen werden!

Melanie Hippke: Wenn Sie Ihre Arbeit in drei Worten beschreiben sollten, welche wären das?

Sabine Thum: GemeinsamVerschiedenSein!
Nadja Galanti:
GemeinsamWillkommenSein!

Das Frère-Roger-Kinderzentrum ist die vielfältigste und größte Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtung in Stadt und Landkreis Augsburg. Junge Menschen mit Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsstörungen und psychischen Störungen finden dort professionelle Hilfe. Besonders spezialisiert ist das Frère-Roger-Kinderzentrum in den Bereichen Autismus, Trauma und Bindungsstörungen, sexuelle Grenzverletzungen sowie Essstörungen.

Beteiligte Personen